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Intensität, Ernährung...

Jan Ullrichs Ex-Coach erklärt, wie man mit Radfahren ideal abnimmt

Hobby-Rennradgruppe auf Straße
Ob in der Gruppe oder alleine: Radfahren eignet sich gut, um ein paar Kilos abzustrampeln Foto: Getty Images
Steffen Gerth

25.07.2022, 05:26 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Deutschland ist im Radel-Fieber! In die Pedale zu treten, ist beliebt und kann außerdem helfen, lästiges Körperfett zu reduzieren. Einer, der sich damit auskennt, ist der Peter Becker. Schließlich musste er seinen früheren Schützling Jan Ullrich regelmäßig von moppelig auf Wettkampfgewicht bringen. Bei FITBOOK gibt er Tipps, die auch Hobbyfahrer beherzigen sollten.

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Radfahren kann man nahezu in jedem Alter, an jedem Wohnort und auf jedem Leistungsniveau. Kein Wunder, dass es für viele Menschen die Sportart der Wahl ist, um ein paar überflüssige Pfunde loszuwerden. Aber wie genau kann man mit Radfahren am besten abnehmen? FITBOOK hat bei zwei Experten nachgefragt, die es wissen müssen.

Mit Radfahren abnehmen – Jan Ullrich hat es quasi erfunden

Jan Ullrich war nicht nur außergewöhnlich begabt als Rennradfahrer. „Er konnte auch überdurchschnittlich große Mengen Essen vertilgen“, sagt Peter Becker (83). Damit beschreibt der ehemalige Trainer des Mannes, der vor 25 Jahren als erster und bisher einziger Deutscher die Tour de France gewonnen hat, leider auch ein großes Problem. Denn immer Anfang Januar, wenn die Profiradler langsam damit begannen, sich für die Saison einzurollen, saß Ullrich mit stattlichem Übergewicht auf dem Sattel – und quälte sich.

Seiner Liebe zu Essen und Rotwein, die er nach Saisonende ab Ende September ausgiebig nachging, musste er drei, vier Monate später Tribut zollen: Deutlich mehr als 80 Kilogramm brachte er fast immer zum Trainingsauftakt auf die Waage, bis zum Wettkampfgewicht von etwa 74 Kilogramm hatte Ullrich deshalb gut zu tun.

Jan Ullrich 1997 mit Trainer Peter Becker
Trainer Peter Becker und sein Schützling Jan Ullrich (l.) beim Training im Juni 1997 Foto: picture alliance/ dpa /Gero Breloer

Mit Radfahren abnehmen – das Prinzip ist bei Profis und Hobbysportlern das gleiche

Aber wie lassen sich zehn Kilogramm Hüftgold und mehr möglichst schnell auf dem Rennrad abtrainieren? Und kann man das auf einen Hobbysportler übertragen? „Ja, das Prinzip ist immer gleich“, betont Trainer Becker, „nur eben in unterschiedlichen sportlichen Dimensionen“. Die Grundregel gilt aber für einen Profi wie einen Freizeitradler: Die Kalorienzufuhr senken, den Kalorienverbrauch erhöhen. Und den Rotwein sowieso weglassen.

Ullrich legte im Januar mit Trainingseinheiten von 120 Kilometern am Tag los, steigerte sich dann auf 140 und 150 Kilometer. Das ist nichts für einen Einsteiger auf dem Rennrad, der ein paar Pfunde loswerden will. Nimmt man als Maßstab eine Frau oder einen Mann im Alter von Mitte vierzig, ohne gesundheitliche Einschränkungen, trainierbar, aber „etwas zu mopsig“, dann ist Radfahren genau das Richtige, um den Körper in Schwung zu bringen. Laufen ist zwar einfach umsetzbar, aber insbesondere bei stark Übergewichtigen nicht gut für die Gelenke. Schwimmen ist wiederum technisch für viele zu anspruchsvoll, zudem aufwendig, weil immer erst ein Schwimmbad aufgesucht werden muss. Also: Rauf aufs Rad!

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Wie viele Kalorien kann man beim Radfahren verbrennen?

Erst einmal hat Trainer-Altmeister Becker eine gute und motivierende Botschaft für alle Einsteiger: „Auf dem Rad lassen sich 200 bis 800 Kilokalorien in der Stunde verbrennen. Das hängt von der Geschwindigkeit ab, vom Profil der Strecke und davon, ob alleine oder in der Gruppe gefahren wird.“ 800 Kalorien – das entspricht einer Pizza, und damit kann jeder etwas anfangen.

Hier könne Sie Ihren individuellen Kalorienverbrauch für unterschiedliche Sportarten berechnen:

Die richtige Intensität für Einsteiger

Selbstverständlich sollte der Anfänger das Tempo seinem Trainingszustand anpassen, also langsam loslegen. Beckers Faustregel für die Belastungsintensität für ein leichtes Training im Bereich Fettverbrennung: 55 bis 70 Prozent der maximalen Herzfrequenz, die man bestenfalls vom Arzt ermitteln lässt. Bezogen auf die Geschwindigkeit bedeutet das etwa 20 km/h.

Klingt nicht schnell. Und auch sonst ist Beckers Einsteigerprogramm meilenweit von der Ullrich-Dimension entfernt: Dreimal die Woche dreißig bis vierzig Minuten radeln – aber das ist die Nettozeit. Denn wer in einer Stadt wohnt, benötigt erst einmal ein paar Kilometer Stop-and-Go, bis er endlich störungsfrei durch die Landschaft rollen kann. „Dreimal in der Woche so ein Stück fahren, muss ein Anfänger erst einmal schaffen“, sagt Becker. Plötzlich schmerzt das Gesäß, die Muskulatur meldet sich, der Nacken sowieso – und wenn es unterwegs regnet, ist die Radellust oft schnell verflogen.

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Was Ullrich und den Hobbyradler eint: das Trainingstagebuch

Damit die Lust bleibt, bestenfalls gesteigert wird, ist für Becker eines Pflicht – und hier treffen sich Ullrich und der Hobbyradler sogar: Wer regelmäßig und zielorientiert Sport treibt, der muss ein Trainingstagebuch führen. Als Standardeinträge sollten dort notiert werden:

  • Streckenlänge
  • Geschwindigkeit
  • Wetter
  • Befinden
  • Puls
  • Tagesgewicht

So kann man sich an seiner Bilanz und den Fortschritten erfreuen – und sein Selbstwertgefühl steigern. Erst recht, wenn man nach vier Wochen dieselbe Strecke fünf Minuten schneller bewältigt, zehn Minuten länger fahren kann oder schon zwei Kilogramm abgenommen hat. „Solche kleinen Erfolge tragen zum seelischen Wohlbefinden bei und helfen, Verzicht zu üben“, sagt Trainer Becker.

Radfahren allein reicht nicht zum Abnehmen – die passende Ernährung

Denn Verzicht gehört schon dazu, wenn man abnehmen will. Nur Radeln reicht nicht, eine Umstellung der Ernährung muss ebenfalls sein. Paragraf 1 des Abnehmgesetzes: Die Kalorienzufuhr verringern. Eiweißreich ernähren mit Lebensmitteln, die die Fettverbrennung anregen: Grüner Tee, Ingwer, Zitronenwasser. Ansonsten viele Hülsenfrüchte essen, wie Erbsen, Linsen und Bohnen.

Sollte man hungrig trainieren?

Skeptisch wird Becker, wenn es um „ketonisches Training“ geht, also einer Einheit auf nüchternen Magen, damit der Körper an seine Fettreserven gehen muss. „Das sollte jeder mal ausprobieren. Wer dann nach zwei Stunden Radfahren einen kräftigen Hungerast bekommt, wird sich selbst nicht wiedererkennen.“ Sein Rat: Vor der Ausfahrt ein gutes Frühstück, das reich an pflanzlichem und tierischem Eiweiß, aber arm an tierischen Fetten ist. Und: Bomben mit versteckten Zucker weglassen wie fertige Steaksaucen, Limonaden oder Fruchtsäfte.

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Sascha Wingenfeld ist nicht ganz so streng, was das Training auf nüchternen Magen angeht. „Aber nur bis zu einer gewissen Trainingsdauer. Irgendwann benötigt der Körper Energie. Komplett in den leeren Bereich fahren, rate ich Freizeitsportlern ab“, sagt der frühere Profi-Triathlet und heutige Trainer aus Gersfeld in der hessischen Rhön. Sein Tipp: Wer insgesamt zwei Stunden unterwegs sein will, sollte spätestens nach 45 Minuten etwas essen.

Tellerweise Nudeln? Besser nicht.

Zu alten Foto- und TV-Aufnahmen von essenden Radsportlern gehörten auch Berge von Nudeln – schon auf dem Frühstückstisch. Allein der Gedanke daran lässt Wingenfeld erschauern. Diese Überdosen an Kohlehydraten erhöhen nämlich auf dem Rad die Gefahr der Unterzuckerung. Das gilt auch für die Nudel danach. „Das lässt den Insulinhaushalt in die Höhe schnellen, weswegen man Heißhungerattacken bekommt.“

Sein Rat für vorher: leichte Mischkost. Und nicht mehr Kalorien aufnehmen als man im Training verbrennt.

Sein Rat für nachher: „Die reine Kohlehydratemast ist vorbei.“ Stattdessen ein gutes Verhältnis herstellen aus volumenhaltiger, also magenfüllender (Salate, Gemüse) sowie energiereicher Ernährung (Eiweiß). „Eiweiß kurbelt unseren Stoffwechsel an.“ Man verbrennt also noch nach dem Training Kalorien.

Das System des „Nachbrennens“ funktioniert auch, je fitter ein Sportler ist. Denn so einer hat mehr Muskelmasse, welche wiederum auch im Ruhezustand fett verbrennt. Fettverbrennung funktioniert sogar nachts, wenn man schläft. Daher rät Peter Becker zu viel Schlaf. „Und wer gut trainiert ist, der schläft sowieso besser.“

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Wer gut Radfahren will, darf nicht nur Radfahren

Radeln – gut und schön. Richtig ernähren – auch klar. Doch noch immer fehlt einiges für ein perfektes Training. Da ist zum einen ein regelmäßiges Ganzkörpertraining mit Gymnastik, Kräftigung der Bein-, Nacken- und der Rumpfmuskulatur. Guter Radfahrer benötigen straffe Bäuche. Warum? Dafür kann jeder einen kleinen Selbsttest machen: Im Sitzen auf einem Schreibtischstuhl den flachen Fuß in den Boden drücken – und schon springt die Bauchmuskulatur an. Das gleiche Prinzip greift auch bei jeden Pedaltritt, bestenfalls zehntausend Mal. Jeder, der mit dem Radfahren abnehmen will, sollte das beachten.

Und schließlich bringt einen ein gleichförmiges Training nicht weiter. Abwechslung muss sein, denn nach einer gewissen Zeit hat man seine Grundlage gelegt – und kommt mit der ewigen langsamen Radelei nicht weiter. „Viele machen den Fehler, nur im Fettstoffwechselbereich zu trainieren“, sagt Sascha Wingenfeld. Damit ist das Training im niedrigen Pulsbereich gemeint. Das sieht dann etwa so aus: Zwei Stunden ruhig fahren, dabei beträgt der Gesamtumsatz 450 Kalorien, 85 Prozent davon sind Fette.

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Sprinten, Intervalle fahren – ein bisschen wie Jan Ullrich fühlen

Das ist gut. Aber besser ist: Auch mal 1,5 Stunden fahren und dafür Intervalle einbauen – etwa fünfmal vier Minuten schnelle Fahrt. „Der kalorische Umsatz beträgt dann 650 Kalorien, der prozentuale Anteil von verbrannten Fetten ist allerdings niedriger. Aber weil Gesamtkalorienumsatz höher ist, wird in der Summe mehr Fett verbrannt“, erklärt Trainer Wingenfeld.

Und: In der Erholungsphase nach so einer Einheit verbraucht der Körper mehr Kalorien als nach einer gemächlichen Fahrt. Daher regelmäßig auch Belastungen einbauen, sobald es das Trainingsfundament zulässt. Nach etwa sechs Wochen sollte man daran denken. Zumindest sollte man dann wenigstens die Gesamtfahrzeit erhöhen, aber dieser Fortschritt stellt sich dann fast von selbst ein infolge der besseren Form.

Es geht bei solchen Intervallen oder verschärften Bergauffahrten nicht nur um die physische Komponente (Muskeltraining), sondern auch um die psychische. Mal ein Spurt über fünf Sekunden, mal ein schneller Kilometer – das lockert das Training auf, schärft die Sinne und sorgt für Erfolgserlebnisse, wenn man beispielsweise beim Sprint an der grünen Ampel ein Auto abhängt.

Danach fühlt man sich ein bisschen wie Jan Ullrich, man kann noch besser schlafen – und dabei noch mehr Fett verbrennen und abnehmen.

Themen Radfahren
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