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Kohlenhydratarm, fettreich

Experten erklären, was die ketogene Ernährung bringt 

Ketogene Ernährung: Für eine Keto-Diät geeignetes Frühstück
Eier, Bacon und Hackfleisch sind fettreich – und deshalb für eine ketogene Ernährung bestens geeignet. Ob das Ganze gesund ist, hat FITBOOK ein Experte verraten. Foto: Getty Images
Laura Pomer
Laura Pomer

16.02.2023, 19:07 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten

Wer sich ketogen ernährt, nimmt kaum oder allenfalls sehr wenig Kohlenhydrate zu sich. Stattdessen stehen Fette und Eiweiß hoch im Kurs und somit auf dem Speiseplan. Dabei soll die Keto-Diät nicht nur den Stoffwechsel im Sinne der Gewichtsreduktion positiv beeinflussen – einige Ärzte empfehlen sie auch im Rahmen der Behandlung bestimmter Krankheiten. Doch es gibt auch kritische Stimmen. FITBOOK beleuchtet das Thema genauer.

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Wie die Keto-Diät bzw. die ketogene Ernährung genau funktioniert, was sie bringt und welche Gefahren sie birgt – alles dazu lesen Sie hier.

Ketogene Ernährung – was bedeutet das?

Wer eine ketogene Ernährung einhält, geht mit Kohlenhydraten äußerst sparsam im. Diese sind bekanntlich in Nudeln, Brot und Brötchen, Reis, aber auch stärkereichem Gemüse wie Kartoffeln, roter Paprika oder Karotten enthalten. Das meiste Obst ist aufgrund seines hohen Fruchtzuckeranteils verboten, und so logischerweise auch Süßigkeiten. Den Hauptanteil der Ernährung machen Fette aus, dicht gefolgt von tierischen oder pflanzlichen Proteinlieferanten wie Fleisch, Fisch, Milchprodukte oder Tofu. Auch kohlenhydratarmes Gemüse ist vorgesehen.

Was soll eine Keto-Diät bringen?

Sich ketogen zu ernähren, soll den Körper früher oder später in eine Ketose (auch: ketogener Stoffwechsel, „Hungerstoffwechsel“) versetzen. Gemeint ist damit ein Stoffwechselzustand, in dem der Körper Fette aus der Nahrung in sogenannte Ketonkörper umwandelt, um diese als Energielieferant nutzen zu können.

Zum Verständnis: Nicht nur für zusätzliche Leistungen, beispielsweise beim Sport, sondern für sämtliche Zellprozesse und die Funktion der Organe benötigt der Körper Energie. Diese wird vorwiegend aus dem Blutzucker und dieser für gewöhnlich aus Kohlenhydraten gewonnen, die man mit dem Essen aufnimmt. Kommen Kohlenhydrate in der Ernährung zu kurz, suchen sich die Zellen zur Versorgung alternative Energiequellen. Diese findet ein ketogener Stoffwechsel in sogenannten Ketonkörpern oder Ketonen im Blut, welche die Zellen mit Energie versorgen können. Weiterhin soll es in der Ketose es zu einer erhöhten Fettverbrennung kommen, weshalb sie auch eine Gewichtsreduktion zur Folge habe – das versichern Anhänger der Diät und zunehmend mehr Ernährungsexperten.

Ketogene Ernährung auch in der Medizin relevant

Der ketogene Stoffwechsel sorgt also für schnelle Abnehmerfolge. Keine ganz neue Erkenntnis – immerhin basiert auf dieser Tatsache die berühmte Diät nach Robert Atkins († 72), die Ende der Neunzigerjahre bekannt wurde. Low Carb, also eine kohlenhydratreduzierte Ernährung, hat sich bereits damals als effizientes Mittel bewährt, um schnell an Gewicht zu verlieren. Seit einigen Jahren ist die ketogene Diät aber auch ein großes Thema in der Medizin. Die Theorie: Da beispielsweise Krebszellen vom Zucker leben, sollen sie durch das Streichen desselben aus der Ernährung quasi aushungert werden. Und auch andere Krankheiten soll der Zuckerverzicht positiv beeinflussen können. Entsprechend stellen auch manche Diabetiker ihre Ernährung auf die ketogene Diät um.

Eine Anti-Aging-Waffe?

Einige Studien haben den Effekt von ketogener Ernährung an Mäusen untersucht und konnten einen positiven Effekt auf Lebensdauer¹, Erinnerungsvermögen² und Muskelerhalt³ feststellen. Die Wirkung der ketogenen Diät auf den Alterungsprozess setzt sich aus zahlreichen Faktoren zusammen. Dabei kommt es darauf an, auf welche Lebensmittel man schlussendlich bei seiner eigenen ketogenen Ernährungsweise zurückgreift. Mithilfe einer ketogenen Diät, die zum großen Teil aus gesunden Fetten und Gemüse besteht, bekommt der Körper viele Antioxidantien und entzündungshemmende Nährstoffe, welche oxidativem Stress und freien Radikalen entgegenwirken. Ebenso wirkt sich ein Zuckerverzicht positiv auf die Hautalterung aus: Laut neuester Erkenntnisse⁴ greift Zucker Kollagen und Elastin in unserer Haut an. Das sind die Proteine, die unser Gesicht prall und faltenfrei machen.

Hoffnung auf Genesung durch Zuckerverzicht – Forscher warnen

Genesung durch Zuckerverzicht – diese Aussicht hat in der jüngeren Vergangenheit Krebskranken und ihren Angehörigen viel Hoffnung gemacht. Zu Unrecht, wie einige Wissenschaftler inzwischen glauben. Neueren Erkenntnissen zufolge soll die ketogene Diät nicht nur positive Auswirkungen haben, sondern schlimmstenfalls verheerende. Auch Krebs kann damit keinesfalls geheilt werden. Für Diabetiker soll eine zu hohe Konzentration von Ketonkörpern im Blut sogar lebensgefährlich werden können.

Die Gefahren einer zu fleischlastigen Ernährung

Zudem wird vor kosmetischen Problemen gewarnt. Eine sehr eiweiß-, beziehungsweise fleischlastige Ernährung soll dauerhaft Mundgeruch verursachen und dem Verdauungstrakt belasten können. Vor allem Kraftsportler, die ihren Proteinbedarf (mit dem Ziel des Muskelaufbaus) aus großen Fleischmengen beziehen, riskieren durch diese Ernährungsform einen Anstieg des Harnsäurespiegels im Blut und damit eine höhere Wahrscheinlichkeit auf Gicht. Außerdem steht (rotes) Fleisch im Verdacht, säurebildend zu sein – allerdings verfügt der Körper über Mechanismen, um überschüssige Säuren auszuscheiden.

Was ihm sicherlich dabei hilft: eine ausgewogene und vielfältige Ernährung. Es ist ohnehin ein weit verbreiteter Irrtum, dass eine ketogene Diät viel tierisches Protein beinhalten muss. Als pflanzliche Proteinquellen kommen etwa Brokkoli, Sojabohnen und Soja-Produkte (wie Tofu) sowie Mandeln infrage. Genaueres dazu erklären wir später im Text.

FITBOOK sprach mit einem Keto-Befürwoter

In Expertenkreisen gibt es mindestens so viele Befürworter der „Keto-Diät“ wie Kritiker, darunter etwa Professor Nicolai Worm, Diplom-Ökotrophologe und Autor aus München. Er hat sich mit ketogener Ernährung intensiv auseinandergesetzt und behandelt das Thema auch in seinem Buch „Die Flexi-Diät: Abnehmen mit mediterranem Low Carb“. Er ist sich sicher: „Sofern man es richtig macht, birgt eine ketogene Diät keine Risiken.“

Wie Prof. Worm im FITBOOK-Interview erklärt, tritt die Ketose nicht nur dann auf, wenn man sich speziell ernährt, sondern auch, wenn man für einen gewissen Zeitraum gar nichts isst. Entsprechend setze der Körper auch beim Fasten eine Ketose in Gang, mit der Folge, dass der Energiebedarf des zentralen Nervensystems zum Großteil über Ketonkörper gedeckt wird. „Es ist kein Zufall, dass sich weltweit immer mehr Forscher dafür interessieren, ob und inwieweit eine ketogene Diät bei Alzheimer, Multiple Sklerose und Parkinson helfen kann.“

Die wissenschaftliche Studienlage lasse bereits positive Rückschlüsse zu. Bei Kindern mit Epilepsie soll ketogene Ernährung Anfälle seltener machen. Und: „Am besten belegt ist der hervorragende Effekt bei der Behandlung von Diabetes Typ 2“, so Prof. Worm. Die oben genannte Lebensgefahr, die für Zuckerkranke entstehen könne, sei eine „Ketoazidose“. Sie trete jedoch nur dann auf, wenn ein Typ-1-Diabetiker zu wenig oder kein Insulin gespritzt hat.

»Eine Krebserkrankung heilen, kann die Keto-Diät nicht

„Fälschlicherweise wird oft behauptet, dass ketogene Diät Krebs heilen könne. Das ist Unsinn“, versichert Prof. Worm. Tatsächlich soll eine ketogene Lebensweise aber dabei helfen, eine Krebserkrankung im Zaum zu halten. „Sie hilft dabei, den körperlichen Abbau zu bremsen, Medikamente sprechen besser an.“ Der Hintergrund: Schmerzen und Appetitlosigkeit sorgten dafür, dass Krebspatienten nicht ausreichend essen. Um Blutzucker zu bilden, die der Körper zum Funktionieren – und nicht zuletzt im Kampf gegen die Krankheit – braucht, greife er auf Muskelmasse zurück, das schwäche den Körper. Ketose könne hier Einhalt gebieten. „Der Zuckerbedarf ist durch diese Stoffwechselumstellung um bis zu 60 Prozent verringert. Dadurch kann das Gehirn die nötige Energie aus den Ketonkörpern beziehen.“

An eine Wunderheilung solle man, trotz optimistisch stimmender Tierversuche, nicht glauben. „Mäuse und Ratten, denen Krebszellen eingeimpft wurden, sollen durch ketogene Kost länger gelebt haben. Am Ende der Versuche sind sie dennoch gestorben“, weiß der Fachmann. Ohnehin könne man die Ergebnisse nur schwer auf den Menschen übertragen. Zwar gebe es Krebsarten, die von Zucker leben – „dennoch bildet der Körper im Rahmen gewöhnlicher Stoffwechselprozesse Zucker, das Ganze ist also nicht so einfach.“

Wie die Keto-Diät richtig funktioniert

Auch Andrea Ciro Chiappa, Diplom-Ökotrophologe aus dem Vorstand der Deutschen Fastenakademie, will die angeblichen Nachteile der Diät entkräften können. Chiappa ist Co-Leiter regelmäßiger Gruppenfastenkuren, er lebt selbst in Ketose. Wie er versichert, müsse eine ketogene Ernährung keineswegs auf tierischen Eiweißlieferanten basieren. Es sollten nicht mehr als 300 Gramm rotes Fleisch pro Woche sein, alles darüber hinaus erhöhe das Risiko auf Darmerkrankungen und einen ungesund hohen Harnsäurespiegel.

Viel Fett, etwas Eiweiß und kaum Kohlenhydrate – so funktioniere ketogene Ernährung richtig. „Besonders wichtig sind hochwertige Pflanzenfette, beispielsweise aus Avocados oder Oliven. Auch von hochwertigem Raps-, Walnuss- oder Leinöl kann man fast nicht zu viel zu sich nehmen.“ Laut Diätberater Chiappa werden ungesättigte Fettsäuren nur zu Teilen in den Fettdepots gespeichert. Der Rest fließe in die Aufrechterhaltung der Zellmembranen, werde zu Hormonen, versorge das Hirn und wirke zudem entzündungshemmend und sei deshalb enorm wichtig für den gesamten Körper.

Auch dass bei der Keto-Diät Ballaststoffe und wertvolle Mineralstoffe zu kurz kommen müssen, stimme so nicht. „Da sie Kohlenhydrate vermeiden sollen, schreiben viele sämtliches Gemüse ab.“ Dabei sei nur wenig davon wirklich ungeeignet, beispielsweise Hülsenfrüchte, da sie relativ stärkereich sind. „Auch kann man sich merken, dass Wurzelgemüse verhältnismäßig kohlenhydratreich ist, da Pflanzen ihre Stärke unterirdisch speichern, um sie vor Fraßfeinden zu schützen“, erklärt der Experte. Dafür seien Fruchtgemüsesorten wie Tomaten, Gurken, Zucchini oder Auberginen ärmer an Kohlenhydraten und dadurch bestens geeignet für eine ketogene – und gleichzeitig mineralstoffreiche Ernährung. Auch Blattsalat sei bedenkenlos erlaubt.

Laut Chiappa ist es übrigens von Mensch zu Mensch unterschiedlich, wie schnell die Ketose erreicht ist. Bei manchen genüge bereits der Verzicht auf „klassische“ Kohlenhydrate, also Teigwaren, Süßigkeiten und Fertiggerichte, in denen meist viel Zucker steckt. Wer herausfinden will, ob sich Ketonkörper gebildet haben, könne einen Selbsttest machen. Chiappa empfiehlt etwa Ketostix-Teststreifen zur Urinanalyse aus der Apotheke. Schlägt der Test positiv aus, seien Möhrchen und rote Paprika, „selbst kleinere Portionen Kartoffeln“, gelegentlich erlaubt.

Fazit: Ist die ketogene Ernährung zu empfehlen?

Wer seine Ernährung ketogener gestalten will, sollte insbesondere auf raffinierte Zucker und industriell verarbeitete Lebensmittel verzichten. Und auch wenn viel Fett auf den Speiseplan gehört: Hier sind nicht alle Vertreter gleichermaßen zu empfehlen. Minderwertiges Fett, beispielsweise aus Wurst oder Hack, ist gegenüber pflanzlichen Ölen mit einem hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren dringend zu vernachlässigen. Wichtig ist es ebenfalls, auch genügend grünes Gemüse und Ballaststofflieferanten zu sich zu nehmen, um eine ausreichende Nährstoffversorgung und gut funktionierende Verdauung zu gewährleisten.

Aber Achtung: Auch wenn sie – richtig ausgeführt – gesundheitliche Vorteile bringen kann, ist diese Art der Ernährung nicht uneingeschränkt zu empfehlen. Bei bestimmten Stoffwechselstörungen, Vorerkrankungen der Gallenblase oder gar des Herzens kann sie negative Auswirkungen haben. Bevor Sie Anleitungen aus dem Internet, in denen der ketogene Lebensstil ausführlich erklärt wird, zu stark verinnerlichen, ist es dringend angebracht, sich mit einem Arzt oder Ernährungswissenschaftler zu beraten.

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Quellen

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