7. Juni 2025, 8:08 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Stellen Sie sich vor, Sie legen beim Fernsehen entspannt die Hand auf die Sessellehne – und plötzlich beginnt sie unkontrolliert zu zittern. Solche Bewegungsstörungen gelten als typische Anzeichen von Parkinson, treten jedoch meist erst in einem fortgeschrittenen Stadium auf. Die Krankheit geht mit einem schleichenden Absterben bestimmter Nervenzellen im Gehirn einher. FITBOOK-Redakteurin Julia Freiberger zeigt, welche frühen Warnzeichen es gibt, welche Formen Parkinson annehmen kann – und welche Therapien den Verlauf beeinflussen können.
Der englische Arzt James Parkinson beschrieb 1871 erstmals die Hauptsymptomatik der Erkrankung, welche er damals als „Schüttellähmung“ bezeichnete. Heute zählt Morbus Parkinson – neben Alzheimer – zu den häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen weltweit. In Deutschland leben rund 400.000 Menschen mit der Diagnose. Dabei sterben nach und nach Nervenzellen im Gehirn ab, was zu einem Mangel am Botenstoff Dopamin führt. Die Folge: Muskelversteifungen, unkontrollierbares Zittern und Bewegungsstörungen. Warum es zur Erkrankung kommt, ist noch nicht abschließend geklärt. FITBOOK fasst zusammen, was die Forschung derzeit über mögliche Ursachen weiß, warum Parkinson im Frühstadium häufig unerkannt bleibt und welche Behandlungen heute zur Verfügung stehen.
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Übersicht
Wie viele Menschen sind von Parkinson betroffen?
Laut der Deutschen Parkinson Gesellschaft, geht man davon aus, dass fast 400.000 Menschen in Deutschland von Parkinson betroffen sind, Tendenz steigend.1 Die meisten Betroffenen sind 60 Jahre und älter. Die Nervenkrankheit kann jedoch auch jüngere Menschen betreffen: Rund zehn Prozent aller Erkrankten sind unter 50 bei der Diagnose – und auch Menschen, die noch jünger sind, kann es treffen. Auch global rechnet man mit einem starken Anstieg der Fälle. Forschende schätzen, dass 2050 weltweit mehr als 25 Millionen Menschen eine Parkinson-Diagnose erhalten werden. Das entspricht einem Anstieg von 112 Prozent gegenüber 2021.2
Die 4 Arten des Parkinson-Syndroms
- Idiopathisches Parkinson-Syndrom: Idiopathisch bedeutet „Krankheit ohne erkennbare Ursache“. Das idiopathische Parkinson-Syndrom ist das „klassische Parkinson-Syndrom“, macht fast 75 Prozent aller Parkinson-Erkrankungen aus.
- Atypisches Parkinson-Syndrom: Ein atypisches Parkinson-Syndrom (kurz: aPD oder APS) wird durch andere neurodegenerative Erkrankungen ausgelöst.
- Genetische Form: Parkinson kann man teilweise vererbt bekommen.
- Symptomatisches Parkinson-Syndrom: Beim symptomatischen Parkinson-Syndrom (kurz: sPD oder SPS) führen andere Ursachen der Zellschädigung zum Zelluntergang. Mögliche Ursachen könnten hier eine Gehirnverletzung, Tumore oder bestimmte Medikamente sein.3
Ursachen der Erkrankung
Klassisches Parkinson (idiopathisches Parkinson-Syndrom) beginnt vermutlich mit dem Absterben eines Eiweißstoffs im Gehirn – dem Synuklein. Durch die Erkrankung kommt es zu einem zunehmendem Absterben der Zellen, die Dopamin produzieren.
Diese Zellen sitzen im Mittelhirn in der Region „Substania nigra“. Diese Hirnregion wird auch als „schwarze Substanz“ bezeichnet. Für gewöhnlich fungiert dieser Teil des Gehirns als wichtiges motorisches Zentrum, welches eine zentrale Rolle bezüglich der Steuerung von Bewegungen einnimmt. In diesem befinden sich nämlich spezielle Nervenzellen (Neuronen), die für die Produktion des Botenstoffs Dopamin zuständig sind. Der Botenstoff ist wichtig für die Kommunikation zwischen den Neuronen und anderen Nervenzellen.
Dieser Prozess führt zu einem Dopaminmangel, was ein Ungleichgewicht mehrerer Neurotransmitter nach sich zieht – wie Glutamat und Acetlycholin. Folgen dieses Ungleichgewichts können eine Beeinträchtigung der Bewegungssteuerung sein, die gleichzeitig auch im Verdacht steht, die typischen Parkinson-Symptome Bewegungsstörungen und Zittern zu verursachen.
Warum sterben die Zellen ab, die Dopamin produzieren?
Die Zellen sterben ab, weil sich der bereits erwähnte Eiweißstoff – das Synuklein – vermehrt ablagert und dabei die Nervenzellen und ihre Verbindungen „vermüllt“. Die genauen Gründe für diese Prozesse sind nicht im Detail bekannt. Wahrscheinlich spielen Umweltgifte wie Insektizide, Herbizide und Fungizide eine wichtige Rolle.
Darum bleibt Parkinson im Frühstadium häufig unerkannt
Zu Beginn dieser Veränderungen im Gehirn kann der Körper den Mangel an Dopamin noch kompensieren. Daher bleibt Parkinson häufig im Frühstadium unerkannt. Die typischen Symptome wie Zittern (Tremor) und Bewegungsverlangsamung treten erst auf, wenn ca. 60 Prozent der betroffenen Zellen abgestorben sind.4
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Die Hauptsymptome von Parkinson
Bewegungen werden verlangsamt
Typisch für die Parkinson-Krankheit ist, dass die Bewegungen langsamer werden und teilweise wie „eingefroren“ wirken. Im schlimmsten Fall kann auch eine Bewegungslosigkeit (Akinese) eintreten, die die willkürliche und unwillkürlich gesteuerte Muskulatur des Menschen betreffen kann. Ebenfalls auffällig: Alle Bewegungen laufen ungewöhnlich langsam ab. Auch die Haltung des Betroffenen kann sich stark verändern. So sind die Betroffenen oft nach vorn gebeugt und machen beim Gehen kleine Schritte. Menschen mit Parkinson haben zunehmend Schwierigkeiten, ihre Bewegungen zu kontrollieren – sogar wenn es darum geht, sie zu stoppen. Es kann sein, dass die Betroffenen eine plötzliche Bewegungsblockade bekommen, was auch als „Freezing“ bezeichnet wird.
Zittern
Der Zustand wird auch „Tremor“ genannt und tritt vor allem im Ruhezustand auf. Bei den Betroffenen kann es dann zu einem Zittern der Arme und Beine kommen – aber auch am Kinn. Häufig ist es so, dass eine Körperseite besonders stark von den Zitteranfällen betroffen ist.
Steifheit der Muskeln (Rigor)
Da der Spannungszustand der Muskulatur wegen der Erkrankung stark erhöht wird, entwickelt sich bei den Betroffenen eine Körpersteife. Hierbei kann sowohl die streckende Muskulatur als auch die beugende von einer vollständigen Erstarrung betroffen sein.
Mangelnde Stabilität in der Körperhaltung
Ein weiteres Hauptsymptom wäre die mangelnde Stabilität der aufrechten Körperhaltung. Bei gesunden Menschen sind Stell- und Haltereflexe dafür verantwortlich, dass die Körperhaltung korrigiert wird. So wird unter anderem verhindert, dass man beispielsweise stürzt. Bei Parkinson-Patienten kommt es zu einer Störung der Stell- und Haltereflexe, was zu Schwierigkeiten innerhalb der Körperhaltung führt. Gerade in Momenten, in denen es zu einer plötzlichen Veränderung der Bewegung kommen kann, ist Vorsicht geboten: So kann es sein, dass sich die Betroffenen nicht rechtzeitig abfangen können. Auch das Sturzrisiko steigt.
Frühwarnzeichen
Neben den bereits genannten Hauptsymptomen gibt es allerdings noch frühere Anzeichen, die auf Parkinson hindeuten könnten. Dazu zählen:
- Riechstörungen
- Schlafstörungen mit lebhaften Träumen und Um-sich-Schlagen (REM-Schlafstörungen)
- Müdigkeit, Abgeschlagenheit
- Gelenk- und Muskelschmerzen (verursacht durch die Muskelsteifheit)
- Störungen der Feinmotorik
- Schmerzen im Lendenwirbelbereich und Nacken
- Unruhe, Unsicherheit
- Änderung des Mitschwingens der Arme (z. B. beim Gehen)
Weitere Symptome
- Schwierigkeiten mit dem Sprechen (z. B. monoton, beeinträchtigte Aussprache)
- Schluckbeschwerden
- Störungen der vegetativen Funktionen (z. B. Blutdruck und Verdauung)
- Depressionen
- Geistige Beeinträchtigungen, die auch zu Demenz führen kann
Verlauf der Erkrankung
Es ist wichtig, zu erwähnen, dass das Parkinson-Syndrom bei jedem Menschen individuell ablaufen kann. Allgemein ist es so, dass sich die Symptome der Erkrankung über die Zeit hinweg verstärken, da immer mehr Nervenzellen absterben. Es kann aber auch sein, dass die Symptome bei den Betroffenen schwanken. So kann es gerade hinsichtlich der Selbstständigkeit für die Betroffenen sehr schwierig werden.
Früher Parkinson-Beginn
Noch bevor die motorischen Symptome von Parkinson auftreten, kann es sein, dass es bereits frühere Anzeichen für die Erkrankung gibt. Jedoch sind sie meistens so unspezifisch, dass die Betroffenen nicht mit der Diagnose Parkinson rechnen. Zu möglichen Vorboten gehören Depression, Angststörungen, Riechstörungen, Verstopfungen oder Probleme beim Schlafen.
Frühstadium
Die typischen Hauptsymptome wie Zittern, verlangsamte Bewegungen oder Muskelsteifheit treten für gewöhnlich kurz vor der Parkinson-Diagnose ein. Weitere Symptome, die ebenfalls auftreten könnten, wären: Antriebsmangel, Schmerzen, Erschöpfung sowie eine leichte Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten.
Fortgeschrittenes Stadium
In diesem Stadium kommt es vermehrt zu Bewegungsstörungen. Sie können sich in Form von ruckartigen Bewegungen der Arme und Beine oder durch das plötzliche Schneiden von Grimassen bemerkbar machen. Zusätzlich treten bei den meisten Betroffenen Gleichgewichtsstörungen, psychische Beschwerden oder Schluckstörungen auf.
Plötzliche Verschlechterung des Zustands
Auch wenn Parkinson zu den neurodegenerativen Erkrankung zählt, tritt sie eigentlich nicht in Schüben auf. Es ist allerdings möglich, dass es zeitweise zu plötzlichen Verschlechterungen des Zustands der Betroffenen kommen kann und sie daher wie ein Schub wirken könnten.
Endstadium
Betroffene, die sich im Endstadium der Erkrankung befinden, sich rund um die Uhr auf Hilfe und Unterstützung angewiesen. In diesem Zeitraum sind alle Symptome bereits stark ausgeprägt und schränken die Betroffenen in ihrem Alltag ein. Neben den bereits genannten Symptomen, ist die Fähigkeit sich selbst zu bewegen kaum noch vorhanden. Viele Menschen sind in der Situation auf einen Rollstuhl angewiesen oder aber komplett bettlägrig. Gleichzeitig tauchen Schwierigkeiten beim Sprechen und Schlucken auf. Auch das Risiko für eine Lungenentzündung ist stark erhöht. Weitere Symptome wären: Störungen der Nierenfunktion, Schlafstörungen, Angstzustände, Halluzinationen und chronische Schmerzen. Bei ca. 30 bis 40 Prozent der Betroffenen kann sich eine sogenannte „Parkinson-Demenz“ entwickeln, die das Denken und Gedächtnis schwer beeinträchtigt.5
Diagnose der Erkrankung
Die Vermutung auf eine Parkinson-Krankheit liegt dann vor, wenn mindestens das Hauptsymptom der Bewegungsverlangsamung und ein weiteres vorliegen.
Allgemein gilt: Sobald man Symptome der Erkrankung bemerkt, sollte man unverzüglich einen Arzt aufsuchen. Je früher dies erfolgt, desto schneller können die jeweiligen Therapiemaßnahmen ergriffen werden. Neben einer ausführlichen Anamnese gibt es auch körperliche Untersuchungen. Die Vermutung auf eine Parkinson-Krankheit liegt, wie erwähnt, dann vor, wenn mindestens das Hauptsymptom der Bewegungsverlangsamung und ein weiteres, z. B. Muskelsteifheit oder Zittern, vorliegen. Zusätzlich kann der Einsatz von bildgebenden Verfahren andere Erkrankungen ausschließen. Mit nuklearmedizinischen Verfahren (DAT-Scan) kann man auch den gestörten Dopaminstoffwechsel im Gehirn nachweisen.6

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Parkinson ist nicht heilbar, aber es gibt Therapien
Parkinson ist bislang nicht heilbar. Es ist aber möglich, die Symptomatik der Erkrankung mit bestimmten Medikamenten zu lindern, die den Mangel an Dopamin ausgleichen oder den Abbau verlangsamen. Dabei ist es das Ziel, den Menschen eine gute Lebensqualität zu ermöglichen. Deswegen ist es wichtig, dass die Therapie individuell an die Betroffenen angepasst wird.
In bestimmten Fällen kann auch ein operativer Eingriff hilfreich sein, bei denen durch eingepflanzte Elektrode eine Art „Störfeuer“ auf die krankhaften Gehirnfunktionen ausgeübt wird („Tiefe Hirnstumulation“).
Wichtig sind aber vor allem eine Physiotherapie, Ergotherapie oder auch Logopädie. Diese Therapieformen können entscheidend dazu beitragen, sowohl die körperlichen als auch geistigen Symptome zu lindern und bei den Betroffenen eine Verbesserung der Lebensqualität zu gewährleisten.7
Dieser Artikel wurde fachlich geprüft von Prof. Dr. med. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung.