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Dehnen und Krafttraining – für wen es wann sinnvoll ist

Fitnessprofessor erklärt's

Dehnen beim Krafttraining – für wen es wann sinnvoll ist

Muskulöser Mann dehnt sich am Arm
Dehnen oder nicht? Vor und/oder nach dem Training? Gar nicht so einfach! Der Fitnessprof hilft weiterFoto: Getty Images

Ist Dehnung fürs Krafttraining sinnvoll oder eher kontraproduktiv? Diese und ähnliche Fragen höre ich mir seit vielen Jahren nicht nur von meinen Studierenden an. Um diese zu beantworten, muss man allerdings etwas tiefer in die Materie eintauchen. Und wer nach einer allgemein gültigen Antwort sucht, ist in diesem Artikel leider falsch ...

Was passiert beim Dehnen im Muskel?

Zunächst muss man sich biomechanisch bewusstmachen, was beim Krafttraining und was beim Dehnen überhaupt im Muskel passiert. Ich spreche hier gezielt von biomechanisch, da es jeden Rahmen sprengen würde, auch auf die physiologischen und molekularbiologischen Vorgänge einzugehen.

  • Wenn man Krafttraining macht, ziehen sich bei jeder einzelnen Kontraktion die kleinsten Einheiten im Muskel, die sogenannten Sarkomere, zusammen.
  • Beim Dehnen hingegen zieht man diese Einheiten wieder etwas auseinander und verringert damit die Muskelspannung – den sogenannten Muskeltonus – wieder ein wenig.

Im ersten Moment mag sich das etwas gegenläufig anhören. Allerdings muss man hier sagen, dass bei jeder negativen (exzentrischen) Kontraktion, also wenn der Muskel unter Belastung wieder in die Länge gezogen wird, ebenfalls ein „Auseinanderziehen“ dieser Filamente geschieht. Daher würde man beide Vorgänge als absolut natürlich und physiologisch beschreiben.

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Das Trainingsziel ist entscheidend

Als Nächstes muss man hinterfragen, welches Ziel man beim Krafttraining verfolgt. Geht es um die sportliche Leistung (Maximalkraft) oder eher um ein gezieltes Muskelwachstum (Hypertrophie)? Oder vielleicht beides?

Eine letzte und entscheidende Frage wäre, ob man die Dehnung für eine bestimmte Übung (zum Beispiel zur besseren Ausführung einer tiefen Kniebeuge) braucht oder damit eine sogenannte Muskelverkürzung (fragen Sie mich bitte nicht, was das genau ist, da könnte man ebenfalls eine Dissertation drüber verfassen) verhindern oder generell beweglicher werden möchte.

Erst wenn man all diese Fragen für sich beantwortet hat, kann man genau entscheiden, ob man, wie man (also welche Methode) und wann man (also vor oder nach dem Training) dehnen sollte.

Auch interessant: Schnellerer Muskelaufbau mit Split-Training

Wer sich wann dehnen sollte

Wenn Sie nur Muskeln aufbauen wollen und Ihre natürliche Beweglichkeit für die entsprechende Übungsausführung ausreicht, müssten Sie sich vor dem Training nicht zwingend dehnen. Wenn Sie darüber hinaus beim Krafttraining über den vollen ROM (Range Of Motion) gehen, ist die Wahrscheinlichkeit, eine „Verkürzung“ davonzutragen, sehr gering. Sie müssten sich also auch danach nicht zwingend dehnen.

Auch interessant: Kann man mithilfe des richtigen Krafttrainings aufs Dehnen verzichten?

Sollten Sie aber zum Beispiel beim Training eher in kleineren Amplituden (Bewegungsradien) arbeiten, wäre eine Dehnung danach durchaus sinnvoll.

Sollten Sie Kraftsportler sein und es Ihnen an Beweglichkeit in den Extremitäten mangeln, um beispielsweise eine saubere, tiefe Kniebeuge oder sogar ein „Overhead-Squat“ zu machen, würde Ihnen eine gezielte Dehnung VOR dem Training durchaus guttun.

Dies untermauert auch eine Studie aus dem Jahre 2017, welche im „European Journal of Applied Physiology“ erschien.1 Hier wurde untersucht, ob ein Dehnen vor dem Krafttraining einen Einfluss auf den Muskel und Kraftaufbau hatte. Die Ergebnisse zeigen, dass die Maximalkraft davon unbeeinflusst war und die gedehnten Muskeln natürlich beweglicher wurden. Allerdings hatten die gedehnten Strukturen einen etwas (aber dennoch nicht unbedeutenden) kleineren Zuwachs an Muskelmasse.

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Fazit zum Dehnen beim Krafttraining

Wenn Sie mein persönliches Fazit zu dem Thema Dehnung und Kraft wissen wollen: Meiner Beobachtung nach sollten die meisten Menschen (und vor allem Kraftsportler) sich etwas mehr dehnen, um sich und vor allem Ihrer Gesundheit etwas Gutes zu tun. Also ab auf die Matte und dehnen!

Quelle

Zur Person: Prof. Dr. Stephan Geisler ist Professor für Fitness und Gesundheit an der IST-Hochschule in Düsseldorf und Dozent für Olympisches Gewichtheben an der Deutschen Sporthochschule Köln. Dort promovierte er auch im Bereich der molekularen Sportmedizin. Sein Schwerpunkt in Forschung und Lehre liegt im Krafttraining. Er bildet seit über 15 Jahren Studenten und Fitnesstrainer aus und ist Autor verschiedener internationaler Fachpublikationen. Auf seinem YouTube-Kanal Fitnessprofessor und bei Facebook gibt er Tipps und Tricks für Sportler und Trainer. Mehr vom Fitnessprof finden Sie hier!

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