8. Mai 2025, 18:10 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Sie trainieren regelmäßig, achten auf Ihre Ernährung und schlafen ausreichend, doch die gewünschten Erfolge beim Muskelaufbau bleiben aus? Ein möglicher Grund könnte in Ihrem Hormonhaushalt liegen, beim sog. Stresshormon Cortisol. Wie ein dauerhaft hoher Cortisolspiegel auf die Muskeln wirkt und was man tun kann, um den Muskelaufbau wieder in Gang zu bekommen, hat FITBOOK-Autorin Julia Kuntz mit Prof. Dr. Hartmut Göbel, Chefarzt in der Schmerzklinik, besprochen.
Wenn es mit dem Muskelaufbau einfach nicht klappen möchte, kann ein möglicher Grund ein Überschuss des Stresshormons Cortisol sein. Was viele unterschätzen: Ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel kann Ihre hart erarbeiteten Erfolge beim Muskelaufbau nicht nur bremsen, sondern im schlimmsten Fall sogar den Muskelabbau begünstigen. Wenn Sie verstehen, wie Cortisol wirkt und was Ihr Körper im Hinblick auf Muskelaufbau wirklich braucht, können Sie aber gezielt gegensteuern.
Übersicht
- Was brauchen Muskeln überhaupt, um wachsen zu können?
- Was hat Cortisol mit dem Muskelaufbau zu tun?
- Warum der Muskelaufbau unter einem erhöhten Cortisolspiegel leidet
- Das ideale Training für Cortisolregulation und Muskelaufbau
- Ernährung zur Cortisolregulation und für den Muskelaufbau
- Wie lässt sich Muskelaufbau noch gezielt unterstützen?
- Fazit
- Quellen
Was brauchen Muskeln überhaupt, um wachsen zu können?
Muskelaufbau ist ein komplexer, hormonell gesteuerter Prozess und passiert nicht allein durch Hanteltraining. Damit Muskeln wachsen können, benötigen sie als Anreiz gezielte Trainingsreize, die kleine Mikroverletzungen in den Muskelfasern verursachen. Außerdem braucht der Körper ausreichend Proteine und Nährstoffe, um neue Muskelmasse aufzubauen. Ebenso wichtig wie das Training ist die Regeneration, denn in dieser Phase findet der eigentliche Muskelaufbau statt. Unterstützt wird dieser Prozess von anabolen Hormonen wie Testosteron, dem Wachstumshormon (HGH) oder Insulin. Auch ein ausbalanciertes Nervensystem spielt eine entscheidende Rolle, denn chronischer Stress wirkt sich negativ auf den Muskelaufbau aus.
Was hat Cortisol mit dem Muskelaufbau zu tun?
Cortisol ist ein lebenswichtiges Hormon, das in der Nebennierenrinde produziert wird, und dem Körper hilft, in stressigen Situationen zu reagieren. Besonders in Zeiten von körperlicher oder emotionaler Belastung steigt der Cortisolspiegel an. Auch beim Training wird kurzfristig Cortisol ausgeschüttet, um die benötigte Energie bereitzustellen. Problematisch wird es nur, wenn der Cortisolspiegel dauerhaft erhöht bleibt, etwa durch chronischen Stress, zu intensives Training ohne ausreichende Regeneration, schlechten Schlaf oder falsche Ernährung. Denn genau dann beginnt Cortisol, Ihre Muskelaufbauprozesse zu stören.
Auch interessant: Wie Frauen ihre Muskeln richtig trainieren
Warum der Muskelaufbau unter einem erhöhten Cortisolspiegel leidet
Muskelabbau
Ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel (Hypercortisolismus) kann den Muskelaufbau erheblich behindern. Cortisol signalisiert dem Körper, dass er unter Stress steht und dringend Energie benötigt. Um diese schnell bereitzustellen, fördert das Hormon den Abbau von Proteinen, unter anderem aus der Muskulatur. Das bedeutet, der Körper nutzt die Eiweißstrukturen der Muskeln als Energiequelle. Gleichzeitig hemmt Cortisol die Wirkung anaboler Hormone wie Testosteron oder dem Wachstumshormon, was den Muskelaufbau stark verlangsamt. So kann es passieren, dass trotz regelmäßigem Krafttraining kaum sichtbare Fortschritte entstehen oder sogar Muskelmasse verloren geht.
Erhöhte Verletzungsanfälligkeit
Cortisol schwächt das Binde- und Muskelgewebe. Die Folgen sind eine höhere Anfälligkeit für Zerrungen, Muskelfaserrisse und andere Verletzungen, besonders bei intensiver Belastung.
Reduzierte Proteinsynthese
Der Körper stellt weniger neue Eiweißbausteine her, die für Reparatur und Wachstum der Muskeln nötig wären. Das verlangsamt auch die so wichtige Erholung nach dem Training deutlich.
Verschlechterte Regeneration
Die Muskeln benötigen nach dem Training mehr Zeit zur Erholung. Das hemmt nicht nur den Aufbau neuer Muskelmasse, sondern erhöht auch das Risiko für Übertraining, einem Zustand, in dem der Körper durch zu viel Training und zu wenig Regeneration aus dem Gleichgewicht gerät.
Schlechtere Schlafqualität
Ein hoher Cortisolspiegel stört vor allem den Tiefschlaf, in dem der Körper am aktivsten regeneriert und Muskelwachstum besonders stark gefördert wird.
Mehr Bauchfett
Cortisol begünstigt die Einlagerung von Fett, besonders im Bereich der Körpermitte. Dadurch wird nicht nur der Muskelaufbau behindert, sondern auch die Körperzusammensetzung negativ beeinflusst.
Machen Sie mit bei unserer FITBOOK-Umfrage!
Das ideale Training für Cortisolregulation und Muskelaufbau
Intensiv, aber nicht dauerhaft überfordernd
Setzen Sie auf effektive, gut strukturierte Trainingseinheiten mit sauberer Technik und bewusst gewählten Gewichten. Lieber fokussiert und mit hoher Qualität trainieren als möglichst lange oder häufig, denn das schützt vor Übertraining und unnötigem Stress.
Ausreichend Regeneration
Muskeln wachsen nicht während, sondern nach dem Training in der Regenerationsphase. Planen Sie daher mindestens ein bis zwei Ruhetage pro Woche ein, an denen der Körper sich erholen und Muskelmasse aufbauen kann.
Cardio sinnvoll dosieren
Dauerhaft intensives Ausdauertraining, wie tägliches HIIT, kann den Cortisolspiegel unnötig in die Höhe treiben. Besser ist sog. LISS (Low Intensity Steady State), lockeres Ausdauertraining wie Spaziergänge, leichtes Radfahren oder entspanntes Schwimmen.
Trainingszeit
Trainieren Sie idealerweise am Vormittag, wenn der Cortisolspiegel natürlicherweise am höchsten ist. Intensives Training am späten Abend kann den natürlichen Hormonrhythmus stören und den Schlaf beeinträchtigen.
Mindful Strength Training
Tauschen Sie einmal pro Woche Ihr reguläres Workout gegen eine Einheit des sog. Mindful Strength Trainings, bei der Kraftübungen bewusst, langsam und mit voller mentaler Präsenz ausgeführt werden. Führen Sie Ihre Übungen konzentriert, langsam und mit Fokus auf Atmung und Muskelgefühl aus. Dieses achtsame Training reduziert akute Cortisolspitzen, fördert die Muskelansteuerung und kann die Leistung langfristig verbessern, ganz ohne zusätzlichen Stress.
Ernährung zur Cortisolregulation und für den Muskelaufbau
Vor dem Training
Eine kleine Mahlzeit mit langsamen Kohlenhydraten (z. B. Haferflocken, Banane) und etwas Protein (z. B. griechischer Joghurt) gibt Energie, verhindert Blutzuckerschwankungen und puffert Cortisolspitzen ab.
Während des Trainings
Bei längeren oder intensiveren Einheiten kann ein Getränk mit Kohlenhydraten und Elektrolyten (z. B. isotonische Getränke oder verdünnter Fruchtsaft mit Salz) helfen, den Cortisolanstieg zu mildern.
Nach dem Training
Direkt nach dem Training ist eine Kombination aus schnellen Kohlenhydraten (z. B. Banane, Trockenfrüchte) und hochwertigem Eiweiß (z. B. Protein-Shake, Hüttenkäse) ideal, um den Muskelaufbau zu unterstützen und die Cortisolausschüttung schnell wieder zu senken.
Wie lässt sich Muskelaufbau noch gezielt unterstützen?
- Nahrungsergänzungsmittel: Studien zeigen, dass die Supplemente Kollagen und Kreatin in Kombination mit Training den Muskelaufbau fördern können.1,2
- Kalt-Warm-Wechsel: z. B. Wechselduschen und Sauna unterstützen die Regeneration und senken Entzündungen.
- Sonnenlicht: Sorgen für ausreichend Vitamin D, Testosteron und Muskelkraft.
- Progressive Muskelreize: Auf Abwechslung im Trainingsplan setzen, um immer neue Wachstumsimpulse zu geben.
- Mentaltraining und Achtsamkeit: Visualisierungs- und Atemtechniken verbessern nicht nur die Motivation, sondern auch die Muskelaussteuerung.

Darum ist Cortisol wichtig für den Körper – auch für Fettverbrennung und Muskelaufbau

Warum zu viel Cortisol im Körper die Fettverbrennung hindert – und was hilft

Muskelaufbau ohne Training – geht das überhaupt?
Fazit
Cortisol braucht das richtige Maß. In einem gesunden Rhythmus hilft es dem Körper, leistungsfähig zu bleiben. Wird es jedoch durch Dauerstress, falsches Training oder Schlafmangel zu stark aktiviert, kann es den Muskelaufbau blockieren oder sogar umkehren. Der Schlüssel liegt also im Gleichgewicht: gezieltes Krafttraining, clevere Regeneration, stressarme Routinen und eine nährstoffreiche Ernährung. Wer sein Cortisol im Blick hat, wird nicht nur entspannter, sondern auch stärker.
Mit fachlicher Beratung von Prof. Dr. Hartmut Göbel, Chefarzt in der Schmerzklinik Kiel.