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Insulinresistenz durch „More Nutrition“ – was ist dran an den Vorwürfen?

Nachgefragt beim Ernährungsmediziner

Insulinresistent durch „More Nutrition“ – was ist dran an den Vorwürfen?

More Nutrition Kritik
Ein Löffel Pulver mit Geschmack soll 50 Gramm Zucker ersetzen – würden Sie so viel Zucker in Ihren Joghurt geben?Foto: Getty Images

Die Firma „More Nutrition“ ist einer der bekanntesten Hersteller für Fitness-Supplements auf dem deutschen Markt. Geworben wird damit, „nur sinnvolle Nahrungsergänzungsmittel“ zu produzieren. Doch auf Instagram berichten Kunden, sie hätten durch den regelmäßigen Konsum der Produkte eine Insulinresistenz entwickelt. Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl überrascht das nicht.

Es läuft gerade nicht gut bei „More Nutrition“: Angefangen hat es mit Kritik zu schlechter Organisation und Abzocke auf den „More Days“ – einem Event, das der Sports-Nutrition-Hersteller Mitte August in Halle (Saale) veranstaltet hatte. Jetzt kommen schwerwiegende Vorwürfe in Sachen Gesundheit dazu: Auf Instagram haben sich einige User gemeldet, die behaupten, dass sie der regelmäßige Konsum der viel Süßstoff enthaltenden Produkte der Supplement-Marke krank gemacht habe, indem sie eine Insulinresistenz erlitten hätten. Und das ausgerechnet bei einer Firma, die behauptet, „nur sinnvolle Nahrungsergänzungsmittel“ anzubieten, deren Wirkung wissenschaftlich fundiert sei. Wie gesundheitsschädlich sind derartige Produkte? FITBOOK hat sich gemeinsam mit Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl die Inhaltsstoffe angeschaut.

Mit „Chunky Flavour“ und „Zerups“ sollen Kunden Kalorien einsparen

Die beiden Gründer Christian Wolf und Michael Weigl brachten „More Nutrition“ 2017 mit dem Slogan „#changetheindustry“ auf den Markt. Startete der Onlineshop noch mit einem übersichtlichen Produktangebot, ist die Auswahl heute groß. Man bekommt den Eindruck, die Marke habe ihren ursprünglichen Fokus darauf, ausgesuchte und hochwertige Nahrungsergänzungsmittel zu verkaufen, verloren. Stattdessen baut ihr Erfolg insbesondere auf Produkten, mit denen die Kunden Kalorien einsparen können, aber nicht auf Geschmack verzichten müssen. Dazu zählen zum einen die „Zerups“ für Wasser und zum anderen das Pulver „Chunky Flavour“, welches man sich in Milchprodukte, Kaffee oder Pancakes rühren kann.

Auch YouTube-Größe Rezo trug zum Erfolg von „More Nutrition“ bei

Die Produkte, die Speisen und Getränken mit Pulver und Sirup Geschmack geben, erwirtschaften inzwischen einen Jahresumsatz von 250 Millionen Euro.1 Enthalten sind allerlei Aromen und Süßstoffe. Insbesondere die Produktreihe „Chunky Flavour“, für die auch YouTube-Star Rezo eine eigene Geschmacksrichtung kreiert hat, machte die Marke bekannt. Diese enthalten laut Hersteller-Website vier Prozent Süßstoff.

Klagen über gestörtes Essverhalten und Insulinresistenz in der „More“-Community

Nun aber kommt Unmut bei den Kunden auf. Auf Instagram wurde nach einem angeblich katastrophal organisierten Marketing-Event der Firma sogar ein Account erstellt, der „More Nutrition“ dazu auffordert, den Gästen der „More Days“ ihr Geld zurückzugeben. Schwerer wiegen allerdings die Vorwürfe, bei denen es um die Gesundheit geht.

Die Influencerin Milena Reszka veröffentlichte auf ihrem Instagram-Account Direct Messages ihrer Follower, die über ihr gestörtes Essverhalten berichten. Viele von ihnen gaben an, (ehemalige) Kunden von „More Nutrition“ zu sein und beschreiben, wie sie unter der „künstlich erzeugten Angst vor Kalorien“ leiden und wie sie durch die Produkte „Mehr Drang nach Süßem haben wie vorher“.

Bei der Influencerin Milena Reszka melden sich viele Betroffene in den DM’s zu Wort. Den Markennamen hat sie zensiert.

Glaubt man „More Nutrition“, sind ihre Produkte hervorragend geeignet für Diabetiker. Auf TikTok postete die Firma dazu ein Statement.

Die User-Perspektive ist eine andere: So reagierten viele Kundinnen und Kunden auf eine Instagram-Story von Julian Zietlow, dem ehemaligen Geschäftsführer von „Rocka Nutrition“, Konkurrenz von „More Nutrition“, der im Dauer-Clinch mit Christian Wolf liegt. Eine Userin schreibt: „Ich bin mittlerweile schwer Darm krank inkl. Insulinresistenz von dem ganzen Süßstoff“. Eine weitere Userin spricht davon, durch die süßen Produkte in ihre Binge-Eating-Disorder zurückgefallen zu sein und dass sie erneut prädiabetisch sei.

Viele User führen ihre Insulinresistenz auf den Konsum von Produkten zurück, die viel Süßstoff enthalten

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Kalorienrechner von „More Nutrition“ zeigt „Zielkalorien“ an

In Anbetracht der weltweiten Adipositas-Epidemie spricht sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für eine Reduzierung des Zuckerkonsums aus.2 Supplement-Hersteller wie „More Nutrition“ haben diese Problematik clever aufgegriffen und bieten mit ihren Produkten eine Lösung: Sie werben bspw. damit, dass man mit einem Löffel „Chunk Flavour“ 50 Gramm Zucker einsparen würde.4 Das entspricht 200 Kilokalorien. Ein Kalorienrechner auf der Website berechnet die persönlichen „Zielkalorien“ – also die Menge der Kalorien pro Tag, die man nicht überschreiten sollte, um sein Ziel zu erreichen – samt Verteilung der Makronährstoffe.

Können Süßstoffe für eine Insulinresistenz verantwortlich sein? Das sagt ein Ernährungsmediziner

FITBOOK kann den Wahrheitsgehalt der Aussagen der „More Nutrition“-Konsumenten nicht zweifelsfrei überprüfen. Deshalb gehen wir der Frage nach, ob es generell möglich, dass der regelmäßige Konsum von Süßstoff-Produkten wie „More Nutrition“ zu den genannten gesundheitlichen Problemen führen kann.

„Eindeutig ja“, sagt der Diabetologe und Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl zu FITBOOK. „Es hängt von der persönlichen Empfindlichkeit und der Menge ab. Aber die aktuelle Datenlage bestätigt das klar.“

In der Tat zeigt eine Studie aus 2020, dass Personen, die Sucralose (der Süßstoff steckt auch in „Chunky Flavour“) und vermehrt Kohlenhydrate zu sich nehmen, Zucker anders verstoffwechselten und ihre Empfindlichkeit gegenüber Insulin reduziert war. Das kann eine Vorstufe zu Typ-2-Diabetes sein.5 Sucralose ist ein Süßstoff, der etwa 600-mal süßer schmeckt als Kristallzucker. Auch Personen, die bereits an Diabetes erkrankt sind und Süßstoffe zu sich nehmen, haben nachweislich eine verminderte Insulinresistenz im Vergleich zu Diabetikern, die keine Süßstoffe zu sich nehmen.6

FITBOOK hat „More Nutrition“ mit den Vorwürfen aus der Community konfrontiert. Unsere Anfrage blieb bislang unbeantwortet.

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Ernährungsmediziner über „Chunky Flavour“: „Nährnutzen nahezu null, Schadpotenzial maximal“

Das „Chunky Flavour“ besteht zu vier Prozent aus Süßstoff, vorwiegend Sucralose. Eine Portion ist mit drei Gramm angegeben – ist das bereits zu viel? „Unbedingt“, meint der Ernährungsmediziner. „Ich finde, dieses Produkt ist der Gipfel der schamlosen Verbraucherausnutzung, Täuschung und Schädigung. Hier wurde eine rote Linie überschritten. Nährnutzen nahezu null, Schadpotenzial maximal. Preis exorbitant. Was soll ich dazu sagen? Das ist ein Ergebnis aus der Marketingabteilung in Zusammenarbeit mit der Lebensmitteltechnik. Der falsche Weg. Das schadet dem Ruf der Lebensmittelindustrie. Wir brauchen bessere Fertigprodukte, nicht mehr schlechte“, sagt Riedl zu FITBOOK.

Ist der Konsum von Süßstoff generell bedenklich?

Auch hierzu bezieht der Ernährungsmediziner Stellung: „Nein, wir nehmen durch viele Fertigprodukte Süßstoffe zu uns. Es geht darum, die Menge so stark zu begrenzen, wie es geht, wo wir es noch in der Hand haben. Es (Süßstoff, Anm. d. Red.) ist ja auch in Gewürzgurken und Krautsalat.“

Laut einer nationalen US-Querschnittsstudie hat sich der Süßstoffkonsum von Erwachsenen von 2000 bis 2012 um das Anderthalbfache erhöht. Bei Kindern ist er sogar um das Dreifache angestiegen.3

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Ist Zucker die bessere Alternative?

Nein, denn auch ein erhöhter Zuckerkonsum kann eine Insulinresistenz begünstigen. Dr. Riedl erklärt, dass dieser Weg bei Zucker jedoch langsamer vonstattengeht. Denn die Entwicklung des Diabetes entstehe über eine Fetteinlagerung in der Leber und Übergewicht. Im Vergleich zu Süßstoff erklärt er: „Schon ein Glas Softdrink mit Süßstoff kann die Darmflora verändern und den Weg ebnen für die Entwicklung einer Insulinresistenz.“

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Quellen

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