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Erholung nach Schlafdefizit

Kann man Schlaf nachholen? Studie gibt Antwort 

Frau mit Schlafstörungen
Verpassten Schlaf würde man wohl gern nachholen – aber geht das überhaupt? Foto: Getty Images
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Laura Pomer
Olivia Dittrich, Laura Pomer

17.08.2023, 14:58 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Unter der Woche kann bei Berufstätigen der Schlaf häufig zu kurz kommen. Aber generell sind Schlafstörungen ein verbreitetes Problem. Einige Betroffene trösten sich damit, die verpasste Erholung am Wochenende nachholen zu können – andere wiederum bezweifeln, dass das überhaupt geht. Die Frage beschäftigt auch die Wissenschaft. Nun liefert eine aktuelle Studie eine (leider ernüchternde) Antwort.

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Schlafstörungen sind längst eine Volkskrankheit. In Deutschland haben laut Statista rund 43 Prozent der Erwachsenen Probleme beim Ein- oder Durchschlafen.1 In den USA ist es laut der Gesundheitsdatenbank der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) rund ein Drittel der Bevölkerung.2 Eine enorme Zahl an Menschen also, die Erholung nötig hätten. Doch tatsächlich lässt sich im Nachgang zwar wieder länger schlafen – den Schlaf qualitativ nachholen kann man so aber offenbar nicht. Das zeigt ein Mal mehr eine Studie.3

Nachgeholter Schlaf bringt laut Studie keine Erholung

In der Untersuchung haben Forscher der Pennsylvania State University (Penn State) sich damit auseinandergesetzt, ob und gegebenenfalls wie rasch sich bestimmte körperliche Auswirkungen durch Schlafmangel wieder ausgleichen lassen. Würden zwei ausgiebige Erholungsnächte ausreichen, um ungünstige Werte zurück auf Normalniveau zu bringen? Konkret ging es um eine veränderte Herzfrequenz und damit verbundene Folgen auf den systolischen Blutdruck. Dieser Wert gibt den Druck an, mit dem Blut vom Herz in den Körper gepumpt wird.

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Details der Untersuchung

Hauptautor David Reichenberger hat früher gewonnene Daten einer Untersuchung ausgewertet, die eine Kollegin von der Penn State durchgeführt hatte. Bei den Teilnehmern handelte es sich um 15 gesunde Männer im Alter zwischen 20 und 35 Jahren. Sie wurden im Vorfeld ausgiebig befragt und einer Reihe von Gesundheits- und psychologischen Tests unterzogen, um Risikofaktoren auszuschließen, die sie für ein derartiges forderndes Experiment disqualifizieren würden.

In den ersten drei Tagen der Studie sollten die Probanden bis zu zehn Stunden pro Nacht schlafen. Die Untersuchung fand in einem kontrollierten Rahmen statt; die Männer wurden in schallgeschützten Räumen untergebracht und von 22 Uhr abends bis acht Uhr morgens ihrer Nachtruhe überlassen. Sollten sie zwischendurch wachgelegen haben oder andere Probleme, z.B. mit dem Ein- und Durchschlafen gehabt haben, galt es, dies zu dokumentieren. Ab Nacht Nummer vier durften die Probanden nur noch fünf Stunden lang schlafen, von 0.30 Uhr bis 5.30 Uhr. So wurde versucht, die Routinen des durchschnittlichen amerikanischen Arbeitnehmers zu simulieren, erklärt Reichenberger dazu dem Fachblatt „Medical News Today“. In den zwei Abschlussnächten sollten sich die Teilnehmer dann erholen und wieder bis zu zehn Stunden schlafen. In den Tagesstunden der Studienperiode maßen die Forscher etwa alle zwei Stunden die Herzfrequenz der Probanden – der Faktor, der Reichenberger bei seiner Auswertung besonders interessierte.

„Wir waren nicht überrascht, als wir herausfanden, dass der Schlafmangel die kardialen Werte wie Blutdruck und Herzfrequenz beeinflusst hat“, erklärt Co-Autorin Anne-Marie Chang dem Magazin. Erstaunlicher dagegen: „dass die Beeinträchtigungen (…) nach dem Erholungsschlaf nicht auf ihr Ausgangsniveau zurückgingen.“ Dabei will David Reichenberg jedoch nicht ausschließen, dass sich nach einer weiteren Nacht mit ausreichend Schlaf die Werte womöglich hätten normalisieren können.

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Einschränkungen der Ergebnisse

Das Experiment unterlag strengen Kontrollen durch Fachpersonal und einer zeitlichen Limitation. Wie sich ein „echter“ Schlafmangel auf die untersuchten Werte Betroffener auswirken würde, geschweige denn über einen längeren Zeitraum, lässt sich anhand der Studie kaum beantworten. Zudem haben nur erwachsene, junge Männer teilgenommen. Schlafprobleme betreffen jedoch Personen sämtlicher Altersniveaus – darunter natürlich auch solche mit gesundheitlichen Vorbelastungen, bei denen die Auswirkungen noch gravierender ausfallen dürften.

Und doch deuten Erkenntnisse zumindest in eine Richtung; wie bereits eine frühere Untersuchung.

Frühere Studie zeigt: Erholung nach Schlafmangel fällt schwer

Schlafentzug belastet Menschen länger als oft angenommen. Dies zeigt auch eine dreiwöchige polnische Studie aus dem Jahr 2021.4 An den ersten vier Tagen durften die zunächst 23 Probanden wie gewohnt schlafen. Das bedeutete bei ihnen im Schnitt sieben Stunden und 37 Minuten. Daraufhin verbrachten sie zehn Tage im Schlafdefizit – hier mussten sie mit rund 30 Prozent weniger Schlaf auskommen als gewohnt, im Mittel also mit etwa fünf Stunden und 18 Minuten. Die anschließende Erholungsphase dauerte sieben Tage lang. Die meisten von ihnen kamen dabei auf Schlafwerte wie am Anfang der Studie.

Während des gesamten Studienverlaufs trugen die Probanden zwecks Messungen Sensoren am Handgelenk. Darüber hinaus wurden bei ihnen täglich eine Elektroenzephalografie (EEG-Messung) sowie ein Gedächtnis- und Reaktionstest (der sogenannte „Stroop Test“) durchgeführt, um die Hirnaktivität und die Funktion des Arbeitsgedächtnisses bewerten zu können. Etwaige Unterschiede z. B. neurophysiologische Reaktionen beobachteten die Forscher sowohl während des Schlafentzugs als auch in der Erholungszeit.

Obwohl die Studienteilnehmer sich selbst nach den sieben Tagen Ausschlafen als „erholt“ einschätzten, waren sie es hinsichtlich ihrer Gehirnaktivität und lokomotorischen Fähigkeiten nicht. Den Messungen zufolge hat die Erholungsphase nicht ausgereicht, damit die Werte wieder auf den gleichen Stand ankommen wie vor dem Schlafentzug. Lediglich die Reaktionsgeschwindigkeit der Probanden war halbwegs wiederhergestellt. Die verhaltensbezogenen, lokomotorischen und neurophysiologischen Messungen kehrten nur teilweise oder gar nicht auf Ursprungsniveau zurück.

Einschränkend ist auch hier dazu zu sagen, dass letztendlich nur von 13 Probanden Daten in die Analyse einbezogen werden konnten.

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Fazit

Sich nach einer schlafarmen Arbeitswoche ein Wochenende zum „Schlafnachholen“ zu gönnen, ergibt aus gesundheitlicher Sicht wenig Sinn. Vielmehr braucht es regelmäßig ausreichend Schlaf. Selbst ein vermeintlich geringfügiger Schlafmangel kann erhebliche Auswirkungen auf unsere kognitiven Fähigkeiten und die neuronalen Aktivitäten haben, von denen man sich offensichtlich nur schwer erholt.

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Quellen

  1. Statista: „43% der Deutschen haben Schlafprobleme“ (aufgerufen am 17.8.2023)
  2. CDC: „Sleep and Sleep Disorders“ (aufgerufen am 17.8.2023)
  3. Reichenberger, D., Ness, K., Strayer, S. et al). (2023). Recovery sleep following sleep restriction is insufficient to return elevated daytime heart rate and systolic blood pressure to baseline levels. Psychosomatic Medicine.
  4. Ochab, J.K., Szwed, J., Olés, K. et al. (2021). Observing changes in human functioning during induced sleep deficiency and recovery periods. (2021)
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