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Chronobiologe im FITBOOK-Interview

Dr. Satchin Panda: Die Effekte von täglichem Fasten auf die Fitness

Die positiven Effekte von täglichem Fasten
Das Beschränken der Nahrungsaufnahme auf ein Zeitfenster von acht bis zwölf Stunden soll laut Dr. Satchin Panda viele positive Effekte auf die Gesundheit haben Foto: Getty Images
Nuno Alves
Chefredakteur

22.04.2021, 06:18 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten

Dr. Satchin Panda zählt zu den führenden Experten bei der Erforschung des zirkadianen Rhythmus. Dieser diktiert unserem Körper, wann wir gewisse Dinge tun sollten, beispielsweise essen oder schlafen. Eine Vielzahl an Prozessen unterliegt dabei dem Takt dieser inneren Uhr. Im zweiten Teil der Interview-Reihe mit Panda erklärt der Chronobiologe, wie sich tägliches Fasten auf die Gesundheit im Allgemeinen und die Fitness auswirkt und warum auch Licht eine wichtige Rolle für unser Wohlbefinden spielt.

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FITBOOK: Sie konnten in Studien an Mäusen einige positive Effekte beobachten, wenn Sie die Tiere in Zeitfenstern von acht bis zwölf Stunden fütterten und zwölf bis 16 Stunden fasten ließen.
Dr. Satchin Panda:
„In Mäusen sehen wir viele gesundheitliche Vorteile. Sie wiegen weniger, und dieser Gewichtsverlust ist auf eine Reduzierung der Fettmasse zurückzuführen, nicht auf weniger Muskelmasse. Außerdem haben wir festgestellt, dass Time-restricted eating (die zeitliche Begrenzung der Nahrungsaufnahme, Anmerk. d. Red.) einer Fettleber vorbeugt oder sie sich, wenn sie bereits entstanden ist, sogar zurückbildet. Das ist insofern spannend, als es zurzeit kein Medikament gibt, um eine Fettleber zu behandeln. Das Essen in begrenzten Zeitfenstern reduziert zudem schlechtes Cholesterin und den Blutdruck. Es verbessert die Herzgesundheit und verringert Herzrhythmusstörungen, unter denen viele Menschen weltweit leiden.“

Welchen Effekt hat das Fasten auf die Fitness?
„Viele glauben, dass sich die körperliche Leistungsfähigkeit verringert, wenn man nicht ausreichend oder über mehrere Stunden gar nichts isst. Doch das Gegenteil ist der Fall: In Studien an Mäusen beobachten wir eine Verbesserung der Ausdauer.“

Das Konzept des Time-restricted eating (TRE)
Beim Time-restricted eating, z. Dt.: zeitlich begrenzte Nahrungsaufnahme, zu dem Dr. Satchin Panda ebenfalls Forschungen betreibt, handelt es sich um eine Form des Intervallfastens oder intermittierenden Fastens. Während jedoch das weitläufig bekannte Intervallfasten auch das Einlegen von ganztägigen Essenspausen ermöglicht, liegt der Fokus beim Time-restricted eating auf der Einhaltung von begrenzten Zeitfenstern – in der Regel zwischen acht und zwölf Stunden –, in denen man die gesamten Kalorien des Tages zu sich nimmt.

Kann Fasten die negativen Effekte von ungesundem Essen reduzieren?

Bei Ihren Studien an Mäusen zeigte sich sogar, dass Tiere, die ungesunde Nahrung bekamen, aber in einem zeitlich begrenzten Zeitfenster fraßen, in puncto Ausdauer besser abschnitten als Artgenossen, die gesundes Futter erhielten, allerdings die ganze Zeit fressen durften…
„Bei den Mäusen mit einer ungesunden Ernährung bestanden die Kalorien zu 60 Prozent aus Fett, 20 Prozent aus Zucker und 20 Prozent aus Protein. Wir vermuten, dass die Mäuse, die in zeitlich begrenzten Fenstern fressen, schneller ihren Zucker verbrauchen und beginnen, Fett zu nutzen. Sie kommen in den Zustand der Ketose (auch als Hungerstoffwechsel bezeichnet; ein Stoffwechselzustand, bei dem der Körper auf Ketone statt auf Glukose zurückgreift, Anmerk. d. Red.).

Tatsächlich beobachten wir, dass diese Mäuse ein leicht höheres Level an Ketonkörpern aufweisen. Bei der Ausdauer handelt es sich um ein komplexes Phänomen, weil dafür die langfaserigen Muskeln, das Herz-Kreislaufsystem für den Blutfluss sowie die motorische Endplatte Spitzenleistungen erbringen müssen. Ich glaube, dass eine zeitlich begrenzte Nahrungsaufnahme das Zusammenspiel von all dem verbessert und bei der Ausdauer einen Vorteil verschafft. Zudem kann der Zustand der Ketose dem Herz und Gehirn helfen, besser mit Situationen zurechtzukommen, die Ausdauer erfordern.“

Ist es also okay, sich ungesund zu ernähren, solange dies in begrenzten Zeitfenstern geschieht?
„Ich sage nicht, dass es okay ist, ungesundes Essen zu konsumieren, aber wenn man mit Time-restricted eating beginnt, ist es in Ordnung, seine Ernährung erst einmal nicht umzustellen. Die meisten Ernährungsempfehlungen zielen darauf ab, etwas zu verändern, beispielsweise die Kalorien oder Kohlenhydrate zu reduzieren und die Ballaststoffzufuhr zu erhöhen. Das kann allerdings sehr schwierig sein, weil ich Ihnen beispielsweise nicht sagen kann, wie viele Kalorien, wie viel Gramm Ballaststoffe oder Proteine ich gestern zu mir genommen habe.

Zudem sind Kalorienangaben nie 100-prozentig genau. Es gibt immer eine Fehlerspanne von zehn bis 15 Prozent – selbst dann, wenn ich alles notiere. Und wir wissen, dass wenn wir Mäusen oder Menschen täglich zehn bis 15 Prozent mehr Kalorien geben, sie an Gewicht zunehmen werden. Daher ist jeder Ernährungsplan, der darauf basiert, die Menge und/oder Qualität der Nahrung zu messen, für viele sehr schwer zu befolgen.“

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Über die Vorteile eines üppigen Frühstücks

Bedeutet Time-restricted eating, dass wir nie wieder Kalorien zählen zu müssen?
„In Studien mit Menschen haben wir bemerkt, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sobald sie an einem Essensfenster von acht bis zehn Stunden festhalten, unwissentlich die Qualität ihrer Ernährung verbessern. Und manche nehmen sogar weniger Kalorien zu sich, weil sie spätabendliche Snacks und den Alkohol reduzieren. Und weniger Alkohol zu trinken, trägt entscheidend dazu bei, die Qualität der Ernährung zu verbessern.“

Aber neigen Menschen nach einem langen Fasten-Zeitfenster nicht dazu, mehr zu essen?
„Die Menschen sind in der Tat hungriger. Entsprechend fällt ihr Frühstück etwas üppiger aus. Aber das ist gut so, denn für die meisten ist das Frühstück die einzige Mahlzeit, über die sie wirkliche Kontrolle haben. Sobald wir erst mal aus dem Haus sind, wissen wir häufig nicht, was wir zu essen bekommen.“

Hat ein üppigeres Frühstück sonst noch Vorteile?
„Am Morgen ist der Körper bereit, eine größere Mahlzeit zu verdauen, selbst wenn sie reich an Kohlenhydraten ist. Wer zudem ein großes Frühstück zu sich genommen hat, snackt auch weniger. Auf diese Weise kommt es zu einer Veränderung bei der Menge und Qualität der Ernährung. Und einige, die ihre Nahrungsaufnahme auf begrenzte Zeitfenster beschränken, bemerken, dass etwa Desserts und Schokoriegel zu süß schmecken.“

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»Mehr Muskel- und weniger Fettmasse durch ausgewogene Ernährung und Time-restricted eating

Gibt es eine Ernährungsweise, mit der man die positiven Effekte des täglichen Fastens bzw. des Time-restricted eating noch verstärken kann?
„Schaut man sich die Studien und wissenschaftlichen Veröffentlichungen an, so lässt sich sagen, dass die Mittelmeer-Diät mehr Vorteile bietet als andere Ernährungsweisen. Das Schöne an der mediterranen Ernährung ist, dass sie nicht vorschreibt, man solle von einer bestimmten Sache mehr essen. Es handelt sich um eine ausgewogene Ernährung mit einem guten Gleichgewicht vieler wichtiger Nährstoffe.

Obwohl wir Mäuse nicht auf eine echte Mittelmeer-Diät setzen können, beobachten wir, dass eine ausgewogene Ernährung kombiniert mit einer zeitlich begrenzten Nahrungsaufnahme substanziell die Gesundheit der Tiere verbessert und besonders ihre Muskelmasse erhöht sowie die Fettmasse reduziert. Das ist wichtig, weil unser Körper zu etwa 80 Prozent aus Muskeln bestehen kann und wir mit zunehmendem Alter Muskelmasse abbauen. Eine ausgewogene Ernährung in Kombination mit Time-restricted eating und etwas Krafttraining kann dabei helfen, Muskelmasse aufrechtzuerhalten – und einen Beitrag dazu leisten, dass man im Alter gesund bleibt.“

Beim Intervallfasten, wie es viele praktizieren, wird häufig das Frühstück weggelassen. Ist das gesund?
„Wir können nicht sagen, ob es ungesund ist, das Frühstück auszulassen, weil es keine ausreichende Datenlage dazu gibt. Interessant wäre zu schauen, welche gesundheitlichen Vorteile man dadurch hat – oder eben nicht hat.“

Berücksichtigt man den zirkadianen Faktor, so ist es ratsamer, das Frühstück nicht wegzulassen und stattdessen am Vortag früher mit der Essenspause zu beginnen.
„Besonders Menschen mit hohem Blutdruck profitieren von einem frühen Time-restricted eating, indem sie das Abendessen weglassen.“

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Über Sport auf nüchternem Magen und längere Fastenzeiten

Wie sieht es mit Sport und täglichem Fasten aus? Ist es okay, auf nüchternem Magen zu trainieren?
„Sport ist ein weiter Begriff. Manche machen nur einen flotten Spaziergang, andere eine Stunde Spinning und wieder andere Krafttraining. Es kommt also darauf an, welche Art von körperlicher Betätigung man nachgeht und ob man im Alltag ausreichend Ausgleich hat. Obwohl es dazu noch keine Studie gibt, denke ich, dass moderater bis mittelschwerer Sport auf nüchternem Magen okay ist. Unsere Vorfahren mussten nach dem Aufstehen erst mal nach den Tieren sehen, Essen besorgen oder jagen. Das alles taten sie auf nüchternem Magen.“

Ihr Ansatz sieht vor, mindestens zwölf Stunden am Tag nichts zu essen. Sind die gesundheitlichen Effekte größer, wenn man das Fasten noch weiter ausdehnt?
„Wir sehen, dass die Leber- und Cholesterinwerte wesentlich besser sind, wenn das Ess-Zeitfenster kürzer ist. Lassen Sie es uns mit dem Zähneputzen vergleichen. In einem Zeitfenster von zwölf Stunden zu essen ist so, als würden wir unsere Zähne einmal am Morgen putzen. Das kann okay sein, aber hin und wieder müssen wir für eine professionelle Zahnreinigung oder wegen eines Problems zum Zahnarzt. Ein Essens-Zeitfenster von neun oder zehn Stunden ist wie zweimal am Tag Zähneputzen. Das reduziert das Risiko, zum Zahnarzt zu müssen.“

Sind tägliche Fastenzeiten auch etwas, das für Kinder geeignet ist?
„Da Kinder noch wachsen, hat ihr Körper einen anderen Bedarf. Sie haben einen hohen Melatoninspiegel, und ihre Bauchspeicheldrüse funktioniert besser. Ich denke, für Kinder ist es in Ordnung, wenn sie ihre Nahrungsaufnahme nicht ganz so strikt zeitlich begrenzen. Ab zehn Jahren können sie vielleicht mit einem Zwölf-Stunden-Protokoll (zwölf Stunden Fastenfenster täglich, Anmerk. d. Red.) anfangen.“

»Ich mache manchmal bis zu acht Tage lang Wasserfasten

Was halten Sie von langem Fasten, das über mehrere Tage geht?
„Ich persönlich mache vier bis fünf und manchmal sogar acht Tage lang nur Wasserfasten, wenn ich das Gefühl habe, dass meine Gelenke etwas steif sind.“

Sie nehmen nur Wasser zu sich?
„Das ist sehr extrem. Und empfehle niemandem, es ohne ärztliche Aufsicht zu machen.“

Welche Effekte hat das mehrtägige Fasten bei Ihnen?
„Für gewöhnlich verbessert sich mein Schlaf. Und die Effekte dauern zwischen sechs Monaten und einem Jahr an. Das hilft mir. Aber in der Regel mache ich das nur einmal im Jahr, vielleicht auch zweimal.“

Worauf sollten sich Menschen einstellen, die erstmals über mehrere Tage hinweg fasten?
„Die ersten Tage können sehr schmerzvoll sein, weil sie wahrscheinlich Schwierigkeiten haben werden zu schlafen oder Kopfschmerzen entwickeln, wenn sie normalerweise Kaffee oder Tee trinken und dann Entzugssymptome haben. Aber bereits am zweiten Tag beginnen sie, sich anzupassen. Und dann ist es einfach.“

Über Dr. Satchin Pandas Forschungsarbeit
Der Chronobiologe ist gemeinsam mit seinem Team am Salk Institute in Kalifornien für einige bahnbrechende Ergebnisse auf dem Gebiet der Erforschung zirkadianer Rhythmen verantwortlich. Dazu zählen u. a. die Entdeckung der Rolle des lichtempfindlichen Proteins Melanopsin in der Netzhaut bei der Regulierung des Schlaf-Wach-Zyklus sowie die möglichen positiven gesundheitlichen Effekte einer zeitlichen Begrenzung der Nahrungsaufnahme (Time-restricted eating) auf acht bis zwölf Stunden am Tag – eine Art des Intervallfastens. Panda ist zudem Autor des Buches „Der Zirkadian-Code: Erholsam schlafen, Gewicht reduzieren, gesund sein. So leben Sie im Einklang mit Ihrer inneren Uhr“.

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Das richtige Licht-Management für unsere innere Uhr

Ein weiterer wichtiger Faktor für den zirkadianen Rhythmus ist Licht. Zu viel davon am Abend – etwa grelle Lampen, Handys oder TV-Geräte – kann unsere innere Uhr durcheinanderbringen. Was raten Sie?
„Die Frage ist: Wie managen wir unser Licht? Zu Hause können wir Dimmer nutzen. Auch können wir 40- bis 60-Wattlampen verwenden oder sogar Gasleuchten. Man sollte in jedem Fall darauf achten, dass man nur die Oberfläche anleuchtet, auf der man arbeitet, und nicht das Gesicht. Auf Smartphone und anderen Geräten kann man zudem den Night-Shift-Modus aktivieren. Man wird nicht gleich müde, sobald sich der Bildschirm orange einfärbt. Aber es wirkt wie eine Art Alarmsignal, um sich fertig fürs Bett zu machen. Bei mir beispielsweise sind alle Geräte miteinander synchronisiert und verdunkeln sich um 21 Uhr. Dann weiß ich, es ist Zeit, schlafen zu gehen. Ich benötige dann noch etwa eine Stunde, um runterzukommen und das zu beenden, womit ich beschäftigt war.“

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Am Tag wiederum kann zu wenig Licht ein Problem darstellen…
„Viele Menschen bekommen tagsüber zu wenig Licht. Frauen beispielsweise, die gerade erst ein Kind bekommen haben, gehen selten raus. Wenn sie für längere Zeit drinnen sind, ohne ausreichend Licht ausgesetzt zu sein, kann das zu einer depressiven Verstimmung führen. Wir glauben, dass manche Fälle postnataler Depressionen damit zusammenhängen, dass die Frauen zu wenig Licht bekommen.“

Können Tageslichtlampen helfen, das fehlendes Licht zu kompensieren?
„Es ist schwierig Tageslicht mit künstlichem Licht auszugleichen. Aber wenn jemand nicht nach draußen kann, können sie eine Alternative darstellen.“

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Kann es nicht langweilig werden, wenn man immer dem zirkadianen Rhythmus folgt? Lange Partynächte sind damit quasi ausgeschlossen…
„In unserer Mäuse-Studie haben wir die Tiere tatsächlich ‚Party machen‘ lassen am Wochenende. Und wir haben dennoch gesundheitliche Vorteile gesehen.“

Lesen Sie in Teil 3 der Interview-Reihe mit Dr. Satchin Panda, wie der ideale Tagesplan für mehr Gesundheit aussieht.

Themen: Fasten
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