
14. Juli 2025, 11:04 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Die 35-jährige Thüringerin Josefine Rutkowski hat ein extremes Ziel: Sie will als erste Frau 60 Ironman-Distanzen in 60 Tagen absolvieren. Ihren Zyklus betrachtet sie als wichtigen Teil des Ganzen – und hat ihr Training und den Ablauf des Projekts darauf abgestimmt. Wie hat sie für Tage geplant, an denen sich PMS, niedrige Energie oder massive Unlust bemerkbar machen?
Der weibliche Zyklus im Leistungssport ist immer noch ein Tabuthema. Sportlerinnen sprechen selten offen über Menstruation, PMS oder Zyklusschwankungen, aus Angst, als „schwach“ oder „nicht belastbar“ abgestempelt zu werden. Eine der wenigen Extremsportlerinnen, die öffentlich über die Rolle des Zyklus sprechen, ist Josefine Rutkowski (35). Die Triathletin aus Thüringen hat kürzlich ihren Beamtenjob gekündigt und startete am 13. Juli in einen extremen Weltrekordversuch: An 60 aufeinanderfolgenden Tagen will sie 60 Ironman-Langdistanzen absolvieren. Kurz vor dem Start sprach sie mit FITBOOK über den Zyklus als Trainingsfaktor und mentale Komponente und was es für sie bedeutet, bei der „Challenge60“ ihren Partner – den Extremsportler Jonas Deichmann – an ihrer Seite zu haben.
Extremsportlerin Josefine Rutkowski: „Bei Jonas‘ Projekt wurde mir bewusst, dass mir diese Belastung liegt“
FITBOOK: Was hat Sie zur #challenge60 motiviert?
Josefine Rutkowski: „Meine Neugier. Ich wollte herausfinden, wozu mein Körper fähig ist. Ich möchte meine physischen und mentalen Grenzen verschieben und herausfinden, welche Emotionen auftreten und wie sich das Ganze über einen so langen Zeitraum im Team anfühlt. Im Ironman liefern wir an einem Tag Höchstleistung – diesmal darf ich 60 Tage lang performen. Diese Herausforderung reizt mich sehr.“
Gab es einen konkreten Auslöser für die Entscheidung?
„Nein, es war ein schleichender Prozess. Letztes Jahr, beim Projekt mit Jonas (Deichmann, d. Red.), wurde mir bewusst, dass mir diese Belastung liegt. Ich habe mit ihm 18 Langdistanzen gemacht, bin oft 180 Kilometer Rad gefahren oder Marathon gelaufen. Ich war ständig präsent – und es ging mir gut. Dann kam langsam der Gedanke: Der Rekord liegt bei 30, das schaffst du auch. Im September oder Oktober haben wir uns dann entschieden: Wir ziehen das gemeinsam durch. Ich mache den Weltrekord.“
„Nur weil etwas die Grenze eines anderen ist, muss es nicht meine sein“
Was bedeutet Erfolg für Sie im Projekt #challenge60?
„Erfolg heißt für mich, durchzuhalten, Erfahrungen zu sammeln und andere zu inspirieren. Wenn ich mit meiner Leidenschaft Menschen dazu bringe, mutig ihren eigenen Weg zu gehen, wäre das das größte Geschenk. Ich habe oft gehört, das sei Blödsinn – aber es ist mein Leben. Nur weil etwas die Grenze eines anderen ist, muss es nicht meine sein. Erfolg beschränkt sich nicht auf 60 Tage – er zeigt sich in vielen kleinen Teilerfolgen.“
Gibt es eine Botschaft oder ein Anliegen hinter dem Projekt?
„Ja, ich unterstütze ein Spendenprojekt für sehbehinderte Kinder im Triathlon. Aber meine eigentliche Botschaft ist: Hört auf eure innere Stimme. Wir alle haben eine Begabung – und wenn wir dieser folgen, wird die Welt ein Stück friedlicher. Mut ist der Schlüssel. Probiert euch aus, auch wenn es nicht sofort klappt – wie Kinder, die so lange üben, bis sie laufen können.“
„Wenn es deine Aufgabe ist, wird es leichter, als du denkst“
Was möchten Sie anderen mitgeben, die ihre Grenzen ausloten wollen?
„Grenzen zu verschieben, ist gut – aber nur, wenn man auf seinen Körper hört. Es bringt nichts, über Grenzen zu gehen und danach krank zu sein. Unsere Gesellschaft glorifiziert Überforderung. Gesundes Grenzverschieben heißt, achtsam mit sich zu sein. Wenn es deine Aufgabe ist, wird es leichter, als du denkst.“
Wie haben Sie sich körperlich vorbereitet?
„Im Grunde bereite ich mich mein Leben lang darauf vor, da ich schon so lange Ausdauersport betreibe. Die intensive Projektvorbereitung begann im Januar – sechs Monate auf Mallorca, dann in Roth, wo Jonas letztes Jahr war, und schließlich in Speyer. Ich habe täglich zwischen sechs und acht Stunden trainiert – nicht nur Schwimmen, Radfahren und Laufen, sondern auch Yoga und Krafttraining. Es ging um das Gesamtpaket.“
Wie werden Sie mit der Gefahr von Überlastung umgehen?
„Prävention ist der Schlüssel – durch Yoga, Physiotherapie und bewusste Ernährung. Ich steigere mich langsam und höre auf meinen Körper. Die Fähigkeit zur Anpassung, die sogenannte Neuroplastizität, ist entscheidend.“
Extremsportlerin über Rolle des Zyklus: „Es wird auch so sein, dass jeder hier weiß, welcher Zyklustag gerade ist. Das wird ganz offen kommuniziert“
Viele Frauen erleben in bestimmten Zyklusphasen weniger körperliche Kraft oder auch eine geringere Motivation. Wie werden Sie damit umgehen?
„Der Zyklus beeinflusst vieles – Energielevel, Verletzungsanfälligkeit, Nährstoffbedarf. All das ist in mein Training eingeflossen. Ich bin sehr gespannt, was passiert, wenn ich zwei vollständige Zyklen durchhalte. Mein Zyklus ist nicht planbar, da er sich von Monat zu Monat verändert. Aber ich weiß, in der ersten Zyklushälfte esse ich viel weniger, bin kraftvoller und kommunikativer – das lässt sich einplanen. Es wird auch so sein, dass jeder hier weiß, welcher Zyklustag gerade ist. Darüber wird ganz offen kommuniziert, weil das ein Teil von uns Frauen ist. Wir sind nun mal anders. Ab dem Eisprung brauche ich mehr Ruhe, nicht körperlich, sondern mental. Dann ziehe ich mich zurück, höre eher zu, mache vielleicht eine Meditation. Wichtig ist, diese Phasen bewusst wahrzunehmen. Ich arbeite auch mit einer auf Hormone spezialisierten Heilpraktikerin, die meine Versorgung mit B-Vitaminen und Progesteron unterstützt.“
Wie werden Sie damit umgehen, wenn Bauchkrämpfe oder Müdigkeit ein Problem werden?
„Ich habe das Glück, keine Krämpfe zu haben. Müdigkeit gibt es, aber ich weiß damit umzugehen. Ich kommuniziere offen mit meinem Team, wenn ich Rückzug brauche. Kopfhörer, kleine Pausen, klare Worte – das hilft. Wichtig ist, die Signale des Körpers ernst zu nehmen und offen damit umzugehen.“
Wie hoch ist Ihr täglicher Kalorienbedarf?
„Ein smarter Ring misst meinen Verbrauch. So sehe ich, ob ich bei 8000 oder 9000 Kalorien pro Tag liege. Ich nehme viele kleine Portionen zu mir, um den Verdauungstrakt nicht zu überlasten – vor allem bei der Hitze in Speyer.“
„Vor dem Start esse ich Porridge, dann kommt Flüssignahrung“
Wie werden Sie sich ernähren in den 60 Tagen?
„Vor dem Start esse ich Porridge, dann kommt Flüssignahrung. Mittags gibt es kleine Kohlenhydratportionen, abends viele Sprossen und Kräuter – wegen ihrer Energie für die Mitochondrien. Während der Belastung nutze ich Sportnahrung wie Gels.“
Worauf kommt es bei der Regeneration zwischen den Langdistanzen am meisten an?
„Ich achte auf ausreichend Proteine – trotz veganer Ernährung. Ich gehe früh schlafen, verzichte bewusst auf das Handy und beginne den Tag mit Meditation. Elisabeth, meine Life-Coachin, ist ebenfalls eine wichtige Stütze. Regeneration ist für mich ein ganzheitlicher Prozess.“
„Natürlich will ich alle Gefühle zulassen, aber Angst wäre kein guter Begleiter“
Wovor haben Sie im Hinblick auf das Projekt am meisten Angst?
„Vor gar nichts. Angst wäre bei dieser Dauer kontraproduktiv. Sie raubt Kraft – und die brauche ich. Ich muss fokussiert bleiben. Natürlich will ich alle Gefühle zulassen, aber Angst wäre kein guter Begleiter. Ich arbeite seit anderthalb Jahren mit meiner Stiefmutter, einer erfahrenen Life-Coachin. Mentale Stärke ist für mich essenziell – ich reflektiere oft mein Verhalten, hinterfrage, was mich hemmt oder stärkt. Körperlich weiß ich, dass ich durchhalte. Deshalb ist die mentale Ebene für mich besonders wertvoll: zu lernen, mit Zweifeln umzugehen und zu wissen, dass jede emotionale Achterbahn auch wieder vorbeigeht.“
Falls es nicht klappt: Wie würden Sie damit umgehen?
„Ich sehe es nicht als Scheitern. Allein der Versuch ist schon ein Erfolg. Ich habe das Projekt aufgebaut, ein Team zusammengestellt – das zählt. Misserfolge sind oft nur Perspektivfragen. Kinder scheitern nie – sie probieren einfach weiter.“
Was denken Sie, wie sich diese Erfahrung auf Ihr Leben auswirken wird?
„Ich werde viel über mich lernen – über Teamkommunikation, Stressbewältigung, Ausdauer. Ich weiß noch nicht, wie tief die Wirkung sein wird. Aber mutige Entscheidungen haben mir immer neue Wege eröffnet.“
Challege60: Was Rutkowski über Situationen hinweghilft, in denen sie nicht mehr kann
Haben Sie wie Jan Frodeno ein Mantra, um über Situationen hinwegzukommen, in denen Sie nicht mehr können?
„Kein klassisches. Ich arbeite mit verschiedenen Bildern, Sanskrit-Wörtern aus dem Yoga, zähle manchmal Störche – alles, was meinen Fokus umlenkt. Ich habe mir einen Werkzeugkasten gebaut, aus dem ich je nach Bedarf schöpfen kann.“
Gibt es noch eine Routine, die beim Durchhalten helfen wird?
„Ich mache morgens Body-Scan-Übungen und höre genau in mich hinein. Ohne diese Verbindung zu meinem Körper könnte ich das Projekt gar nicht machen.“
Wie hat Ihr Umfeld auf das Projekt reagiert?
„Meine Freunde waren begeistert – sie kennen mich. Meine Oma konnte das Ausmaß kaum begreifen, aber sie war trotzdem zauberhaft. Kolleginnen habe ich keine mehr – ich habe meinen Beruf aufgegeben. Ich war schon vorher ein Freigeist.“

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Extremsportler Jonas Deichmann: „Ich bin alleine die Treppe nicht hochgekommen“
„Jonas versteht, was ich tue, weil er es selbst erlebt hat. Er bestärkt mich, statt mich zu bremsen“
Was bedeutet es für Sie, den Extremsportler Jonas Deichmann als Partner an Ihrer Seite zu haben, der letztes Jahr 120 Langdistanzen absolviert hat?
„Es ist unbezahlbar. Er versteht, was ich tue, weil er es selbst erlebt hat. Er bestärkt mich, statt mich zu bremsen. Er hat mich ermutigt, dieses Projekt zu starten – und ich bin sehr dankbar, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen.“
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Wie genau unterstützt Sie Ihr Partner?
„Emotional, organisatorisch, mental. Er hat viel vernetzt, war immer da. Wir gleichen uns mental aus – gemeinsam sind wir noch stärker.“
Jonas Deichmann hält bereits den Weltrekord bei den Ironman-Distanzen – was sagen Sie Menschen, die behaupten, Sie wollten ihm nur nacheifern?
„Das ist eine Meinung – aber ich muss sie nicht annehmen. Buddha sagte sinngemäß: Menschen dürfen alles sagen, aber ich entscheide, ob ich das Geschenk annehme. Und dieses Geschenk lehne ich ab – es hat keinen Mehrwert für mich.“
Was kommt nach den 60 Tagen?
„Regeneration – körperlich und mental. Ich werde wieder mehr Yoga machen, Atemübungen integrieren, meine Atmung verbessern. Ich werde viele Motivationsvorträge halten, in denen es um Wachstum durch Bewegung und Mut zur Veränderung geht. Reisen wird ebenfalls wieder Platz haben.“
„Challenge60“ in und um Trier – mitlaufen oder mitschwimmen erwünscht
Wer möchte, kann Josefine Rutkowski bei ihrer #challenge60 per Live-Tracker verfolgen – hier ist der Link. Wer sie nicht nur digital, sondern hautnah unterstützen will: Beim Schwimmen und Laufen in Trier besteht die Möglichkeit, sie ein Stück des Weges zu begleiten.