
10. Mai 2025, 8:37 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Genau vor einem Jahr startete Jonas Deichmann (38) in Roth eine unglaubliche Challenge: 120 Triathlon-Langdistanzen in 120 Tagen. Er schaffte es – und stellte damit einen weiteren Weltrekord auf. Doch Deichmann ist nicht nur Ausdauerathlet – er ist auch Abenteurer und umrundete die Welt im Triathlon. Auf der OMR 2025 sprach er mit FITBOOK-Chefredakteur Nuno Alves am Stand von BILD über mentale Stärke, Regeneration und darüber, warum das Leben außerhalb der Komfortzone beginnt. Hier fasst Nuno Alves die spannendsten Zitate des Gesprächs zusammen – und beschreibt auch das Gefühl, als Deichmann ihn plötzlich selbst aus der Komfortzone holt.
„Weil ich es kann“ – so heißt das Buch, das Jonas Deichmann über seine „Challenge 120“ geschrieben hat. Man müsste eigentlich fast sagen: Weil nur er es kann. Manche schaffen es nicht einmal, zehn Kilometer am Stück zu rennen, geschweige denn einen ganzen Marathon. Jonas vollbrachte diese Leistung 120 Tage lang täglich – nach jeweils 3,8 Kilometer Schwimmen und 180 Kilometer Radfahren. Es ist eine Meisterleistung, die ihn nicht nur zu einem Ausdauerathleten, sondern Ausdauerkünstler macht. 120 Tage lang war Jonas Deichmann außerhalb der Komfortzone. Wahnsinn!
Vor meinem Talk mit Jonas habe ich mich intensiv mit seinen Challenges beschäftigt und war, offen gestanden, überwältigt von seiner Resilienz. Bei seiner Triathlon-Weltumrundung schwamm er 460 Kilometer unbegleitet durch die Adria (Weltrekord), radelte dann bis an die russische Pazifikküste mitten durch den sibirischen Winter – und joggte anschließend von Tijuana durch ganz Mexiko bis nach Cancún. Ob ihn nicht manche für verrückt halten, frage ich ihn: „Das Leben wäre langweilig, wenn es keine Verrückten gäbe. Irgendeiner muss es machen. Und das macht Bock. Für mich sind es Erlebnisse.“ Er fühle sich nicht einsam, wenn er allein in der Sahara sein Zelt aufschlage oder auf dem Baikalsee. Da fehlt mir auch niemand. Es ist wunderschön.“
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Jonas Deichmann: »Am stolzesten bin ich darauf, Tausende Menschen zu mehr Sport bewegt zu haben
Bei seiner Challenge 120 im Triathlon-Hotspot Roth stand jedoch die rein sportliche Herausforderung im Fokus. Aber warum? „Ich wollte einfach wissen, was machbar ist“, erklärt mir Jonas. Und die Ironman-Distanz sei die Königsdisziplin im Ausdauersport. „Also kam ich schnell bei der Frage raus: Wie viele hintereinander kann ich machen? Und dafür gab es einen Weltrekord.“ Der habe bei 105 gestanden. „Ich wollte jetzt nicht einfach einen mehr machen, sondern ich wollte schon deutlich mehr machen.“
Und viele begleiteten Jonas dabei. Die Challenge wurde zum Event. „Am Tag 120 waren es so 3000 bis 4000 Leute, die da waren. Und ganz viele haben mit mir ihre erste lange Distanz gemacht, den ersten Marathon. Und das ist, worauf ich am stolzesten bin: nicht der Weltrekord, sondern einfach Tausende Menschen zu mehr Sport bewegt zu haben.“
Jonas‘ Geheimnis: „Bedingungsloser Optimismus“
Dennoch: An eine derartige Belastung musste sich auch Jonas‘ Körper gewöhnen. Er kämpfte mit Knie- und Achillesfersenentzündungen, hatte einen Hexenschuss, zweimal eine Erkältung und lief – unter strenger ärztlicher Überwachung – weiter. Dafür bedarf es einer unfassbaren mentalen Stärke. Ein Schlüsselfaktor: „Bedingungsloser Optimismus“, so Jonas, und die feste Überzeugung, er könne das. Trotz Rückschlägen habe er nie Zweifel gehabt.
Jonas Deichmann bricht schier unüberwindbare Distanzen in kleine Etappen herunter. „Ich laufe von Verpflegungsstation zu Verpflegungsstation oder von Schokoriegel zu Schokoriegel“, sagte er mir im Talk. Er konzentriere sich auf das Jetzt und auf das Tagesgeschäft.
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Acht Monate nach der Challenge 120: „Der Körper hat sich stabilisiert“
Ob 120 Triathlon-Langdistanzen am Stück noch gesund seien, möchte ich wissen. Er sei aktuell Versuchskaninchen für die Wissenschaft, antwortet Jonas. An der Uniklinik Nürnberg schreibe jemand eine Doktorarbeit über sein Projekt. Er sei umfassend untersucht worden – vor, während und nach der Challenge. Erst kürzlich war er zur Nachuntersuchung im Klinikum. Ergebnis: „Nach jetzigem Stand geht es mir bestens. Keinerlei Verschleißerscheinung und nichts. Der Körper hat sich stabilisiert.“
Er führt das auf mehrere Faktoren zurück: gute genetische Voraussetzungen, keine Vorerkrankungen, keine Verletzungen – und konsequentes Ausgleichstraining. „Ich mache auch Yoga und Stabilitätstraining – das, was viele Radfahrer oder Triathleten vernachlässigen.“
Ein Wert macht die unfassbare Anpassung von Jonas‘ Körper deutlich: der CK-Wert. Er misst, wie stark geschädigt die Muskulatur ist. Nach starken Belastungen sind die Werte in der Regel sehr hoch. Nicht jedoch bei Jonas. Ein Laborwert macht das Ausmaß deutlich: Die meisten hätten nach einem Ironman einen CK-Wert von etwa 10.000 und nach einem Marathon etwa 5000 bis 8000. „Ich habe nach Langdistanz 50 oder 80 einen Wert von unter 200 gehabt.“ Ob es genetisch oder Adaptation sei? „Wahrscheinlich ein bisschen von beidem.“
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Jonas Deichmanns Routine für einen besseren Schlaf
Regeneration spielte bei der Challenge natürlich eine entscheidende Rolle – dazu gehörte nach rund 14 bis 15 Stunden Sport am Tag auch Schlaf. „Und da kommt es nicht auf die Stunden an“, so Jonas, „sondern es kommt auf die Schlafqualität an!“ Dafür achtete er auf einige Details: Wichtige Gespräche wurden in der Mittagspause gemacht, „damit ich einfach abends beim Einschlafen nichts im Kopf hab, was mich irgendwie beschäftigt“. Zudem habe er vor dem Schlafengehen natürlich jegliche Art von Bildschirm vermieden. Und Jonas nutzt für einen besseren Schlaf ein Lebensmittel, das auch ich zuvor schon für mich entdeckt hatte: Kiwis. „45 Minuten vor dem Einschlafen“ esse er sie. „Es gibt mehrere Studien, die das nachweislich belegen. Es hilft sowohl beim Einschlafen als auch beim Durchschlafen“, erklärt Jonas. Dem kann ich nur zustimmen!
Nach der Challenge begann für Jonas eine neue Phase. „Am Tag 122 bin ich dann am See bei Salzburg gefahren für drei Tage Urlaub.“ Als er im Hotel ankam, kam die Müdigkeit „mit voller Wucht“, erzählt Jonas im Talk. „Ich habe an dem Tag über 15 Stunden geschlafen. Ich bin alleine die Treppe nicht hochgekommen und war so müde wie noch nie zuvor in meinem Leben.“ Das sei ein Tag gewesen, an dem es „so richtig heftig war“. Und dann musste er mit dem Abtrainieren beginnen. „Du möchtest keine Vollbremsung machen, sondern auch da sanfte Landung“, erklärt Jonas.
„Das Leben beginnt außerhalb der Komfortzone“
Wer Jonas‘ Netflix-Doku „Das Limit bin nur ich“ sieht oder das gleichnamige Buch liest, spürt, welche mentale Stärke er besitzt. Er setzt sich absichtlich unglaublichen Strapazen aus. „Also ich sage immer, das Leben beginnt außerhalb der Komfortzone“, erklärt Jonas im Talk. „Auf dem Sofa hat noch nie jemand mentale Stärke entwickelt.“ Die entwickle man, indem man sich Herausforderungen stelle, Rückschläge habe und sich durchkämpfen müsse. „Das, was man da lernt, das kann man auf alles im Leben anwenden.“
Was er Menschen rate, die es nicht schaffen, den ersten Schritt zu machen? „Mal drüber nachdenken, was einen denn davon abhält?“ Es müsse ja nicht eine Weltumrundung sein. „Jeder gesunde Mensch kann einen Marathon laufen, wenn er das will. Vielleicht nicht in drei Stunden, aber das ist ja auch nicht die Frage.“ Es gehe darum, seine eigenen Grenzen zu verschieben.
»Es ist schön, eine Partnerin zu haben, die bei jeglichem Sport und Abenteuerdisziplinen auch gut mithalten kann
Natürlich wollte ich wissen, wie es bei Jonas in einer Beziehung läuft. Seine Freundin Josefine ist selbst Ultraathletin. Ob seine Freundin grundsätzlich lange Distanzen bewältigen müsse. „In der Praxis schon“, antwortet Jonas. „Das ist ja mein Leben.“ Er trainiere selbst 37 Stunden die Woche. „Wenn man das nicht teilt, die Leidenschaft dafür – na ja, dann sehen wir uns halt nicht. Also es ist schon schön, dass ich auch eine Partnerin habe, die bei jeglichem Sport und Abenteuerdisziplinen auch gut mithalten kann.“

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Und dann holte Jonas mich aus meiner Komfortzone …
Kommendes Jahr Ende April steht bei Jonas Deichmann das nächste große Projekt an, das viereinhalb Monate dauern soll. „Es ist natürlich noch streng geheim.“ Bis dahin macht er 2025 jeden Monat eine Triathlon-Langdistanz mit Freunden. Und dann fragt er mich: „Hast du schon mal eine lange Distanz gemacht?“ Tatsächlich hatte ich, von Jonas Deichmann inspiriert, am Samstag zuvor meinen ersten Marathon gemacht – allein, an der Spree in Berlin entlang. Es war eine Erfahrung – und keine einfache. Und dann streckte mir Jonas die Faust hin und überzeugte mich davon, einmal mit ihm 3,8 Kilometer zu schwimmen, 180 Kilometer Rad zu fahren und 42,195 Kilometer zu laufen – an einem Tag.

„Du kannst dir das Datum aussuchen und du kannst im Windschatten fahren. Du musst dich nur hinten dranhängen.“ Besiegelt. Faust auf Faust. Jetzt habe ich ein Ziel außerhalb meiner Komfortzone. Danke, Jonas.