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Orthorexie – ein Experte erklärt, wie gesunde Ernährung zur Sucht werden kann

Die Beschäftigung mit gesunder Ernährung kann zum Zwang werden (Orthorexie).
Insbesondere Sportler sind für eine Orthorexie empfänglich. Um ihr Training zu unterstützen, beschäftigen sie sich oft zwanghaft mit der passenden, gesunden Ernährung. Foto: Getty Images
Thorben Grünewälder Freier Autor

03.11.2023, 14:47 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Der Antrieb, sich gesund zu ernähren, ist an sich sehr wünschenswert und bringt viele Vorteile für das eigene Wohlbefinden. Dieser Antrieb kann aber auch in eine Sucht umschlagen, die den gesamten Tagesablauf bestimmt und am Ende sogar Lebensfreude raubt. Ein Experte erklärt bei FITBOOK, wie es dazu kommen kann und wie man es verhindert.

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Essen ist heute weit mehr als nur Nahrungsaufnahme. Ob Steinzeiternährung, Veganismus oder Superfoods: Oft steckt auch ein Lifestyle dahinter, mit dem sich die einen von den anderen abgrenzen – mit teilweise extremen Folgen. „Wenn Menschen ihr Essen nicht mehr genießen und gesunde Nahrung zum Zwang wird, ist das ein Problem“, erklärt Dr. Nicolai Worm. Der Ernährungswissenschaftler von der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHPG) in Saarbrücken plädiert für einen entspannteren Umgang mit der eigenen Ernährung. Denn die permanente Beschäftigung mit gesundem Essen und Trinken kann zur Sucht werden, auch Orthorexie genannt.

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Was ist eine Orthorexie?

Sich gesund zu ernähren, ist natürlich sinnvoll. Doch für manche Menschen wird die Beschäftigung mit gesunden Lebensmitteln zur Obsession. Auch der US-Amerikaner Steven Bratman litt unter diesem Zwang. Als Arzt erkannte er sein Verhalten als Sucht und sprach 1997 als Erster von Orthorexie. Wörtlich aus dem Griechischen übersetzt bedeutet Orthorexie übrigens „korrekter Appetit“.

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Wie beginnt die Orthorexie?

Wie viele andere Süchte beginnt auch Orthorexie schleichend. Auslöser sind häufig Lebensmittelskandale oder Ermahnungen des Hausarztes bei schlechten Blutwerten und Übergewicht. Auch Lebensmittelallergien, neu entwickelter sportlicher Ehrgeiz oder der Traum von einem vermeintlich perfekten Körper, wie er ihn uns Influencer oder die Werbung gerne suggerieren, können die Entwicklung einer Orthorexie begünstigen. „Hinzu kommt das Versprechen von ewiger Jugend, dem viele Menschen hinterherlaufen“, sagt Dr. Worm zu FITBOOK.

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Zu viel Vitamine und Mineralstoffe können krank machen

Besonders Athleten wie Leistungssportler oder Bodybuilder müssen sich intensiv mit ihrer Ernährung beschäftigen. Die Suche nach dem einzig wahren Proteinshake oder immer neuen Superfoods könne aber leicht zum Boomerang werden, warnt Worm: „Mittlerweile gibt es zahlreiche gute Studien, die belegen, dass Nahrungsergänzungsmittel schaden können. Besonders die Einnahme isolierter Vitamine sollte nur bei einem erwiesenen Mangel erfolgen.“ Der Grund dafür sei, dass natürliche Lebensmittel Tausende Mikro- und Makronährstoffe enthalten, die kombiniert eine ganz andere Wirkung auf den Körper haben. „Natürlich gibt es Ausnahmen. Mit unserer westlichen Ernährungsweise nehmen wir häufig zu wenig Omega-3-Fettsäuren auf und auch ein Vitamin-D-Mangel oder eine -Unterversorgung betrifft die Mehrheit. Dann ist eine gezielte Supplementierung sinnvoll.“

Wer ist von Orthorexie betroffen?

Während Essstörungen wie Bulimie oder Magersucht gut untersucht sind, ist die Orthorexie bisher noch ein weißer Fleck auf der medizinischen Landkarte. Eine erste Studie der Universität Göttingen zeigt aber, dass vor allem junge Frauen unter Orthorexie leiden. Insgesamt sind rund 2,5 Prozent der deutschen Bevölkerung betroffen. Besonders Menschen, die sich überdurchschnittlich sportlich betätigen, haben den Drang, ihre Ernährung genauestens zu kontrollieren.

Aber was ist gesunde Ernährung überhaupt? Wer auf diese Frage eine Antwort sucht, findet gerade im Internet zahlreiche selbsternannte Ernährungspropheten, die meinen, den Stein der Weisen gefunden zu haben. „Da stehen oft finanzielle Interessen im Vordergrund“, sagt Dr. Nicolai Worm. Fest stehe aber, dass jeder Mensch eine individuelle Genetik habe. Worms Fazit: „Eine gesunde Ernährungsweise, die für alle Menschen gleichermaßen gilt, gibt es nicht.“

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Orthorexie nimmt Lebensfreude

Ein ängstlicher und tabuisierender Umgang mit der eigenen Ernährungsweise würde durch – oft unbewiesene – Behauptungen befeuert: Milchprodukte lösen Allergien aus, Brot verursacht Diabetes und Fleisch fördert Darmkrebs, und so weiter. Dr. Nicolai Worm betont: „Was viele Menschen mit Orthorexie vergessen: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu unserer Ernährung sind nicht in Stein gemeißelt. Hier machen sich gerade Sportler völlig umsonst verrückt und rennen jedem Trend hinterher.“ Das verursache Stress und verhindere, dass wir unser Essen bewusst genießen. Weitaus besser sei eine ausgewogene und naturbelassene Ernährung mit viel Gemüse. „Wer sich so ernährt, braucht keine künstlichen Multivitamine, kann sich gedanklich mit anderen Dingen beschäftigen und das Leben genießen.“

Themen: Sucht
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