18.05.2024, 19:12 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
„Use it or lose it“, also „benutze es, oder es verschwindet“ – diese Regel gilt unter anderem für Muskeln. Und im übertragenen Sinne auch für Geschlechtsteile? FITBOOK-Autorin Laura Pomer hat bei einer Expertin nachgefragt, ob und gegebenenfalls wie sich der weibliche Körper verändert, wenn er lange nicht mehr sexuell aktiv war.
Wenn Frauen länger keinen Sex hatten, kann er dann etwas holprig werden, wenn es wieder so weit ist. Das bestätigt Dr. med. univ. Doris Maria Gruber. Nicht nur die emotionale Ebene, auch die körperlichen Reaktionen müssen sich wieder neu auf einen sexuellen Partner einstellen. Bei Stimulation kann es womöglich länger dauern und es kann auch sein, dass die Frau nicht mehr so schnell feucht wird. Wenn es körperlich „eng“ wird, kann es beim Sex logischerweise etwas wehtun. Dieser verlorene „Appetit“ lasse sich aber wieder anregen. „Er kommt mit dem Verliebtsein und mit einem interessierten und interessanten Gegenüber“, erklärt die Gynäkologin. Auch ein vorhandener Kinderwunsch könne – vor allem bei Frauen – könne die Lust steigern.
Übersicht
Was bedeutet es überhaupt als Frau, „lange“ keinen Sex zu haben?
Das ist zum Glück absolut individuell. Für die eine fühlt sich eine sexfreie Woche schon endlos an. Andere hingegen können Monate oder gar Jahre ohne „Körperlichkeit“ problemlos vergehen lassen. Immerhin gibt es auch Lebensmodelle, die ganz auf sexuelle Körperlichkeit verzichten.
Kann man sich Sex abgewöhnen?
So sollte man es vielleicht besser nicht formulieren. Tatsächlich aber reduziert sich die Lust, wenn Frauen (und Männer!) lange abstinent waren – nach dem Motto „aus dem Auge, aus dem Sinn“. Das erinnert an den Magen, der irgendwann kleiner wird, wenn er über einen längeren Zeitraum nur sehr wenig Nahrung zugeführt bekommen hat. Manche Menschen leiden darunter – für manche fühlt es sich sogar gesund an (siehe: Magen).
Und dass die Libido zurückgeht, ist eine normale körperliche Reaktion auf eine „Dürrephase“ und im Grunde etwas Gutes. Wäre es anders, würde das für die Betroffenen schließlich einen ziemlichen Leidensdruck bedeuten. Die Libido kommt aber meist schlagartig wieder zurück, wenn Amors Pfeile getroffen haben.
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Kann es zu einer „Vagina-Depression“ kommen, wenn eine Frau lange keinen Sex hatte?
Verschiedene Medien warnen vor einer „Vagina-Depression“ – auch „Vaginale Atrophie“ genannt. Das weibliche Geschlechtsteil soll atrophieren (= sich zurückbilden), wenn man es lange nicht zu sexuellen Zwecken einsetzt. Durch die fehlende Stimulation sollen die Scheidenwände schlechter durchblutet werden, wodurch ihre Elastizität dauerhaft leiden soll. Klingt dramatisch – und kann tatsächlich passieren, bestätigt Prof. Gruber – bei jungen Frauen allerdings sehr selten. In den Wechseljahren ist dies aber ein ernst zu nehmendes Thema und hängt mit den Hormonen zusammen.
Die Erklärung hat wenig mit Sex zu tun: In der Menopause wird immer weniger vom weiblichen Sexualhormon Östrogen produziert und in der Folge (unter anderem) weniger Scheidensekret gebildet, das für die Kollagenfasern und somit das Bindegewebe der Scheidenwand wichtig wäre. Scheidenschleimhaut-Atrophie sei ab einem gewissen Alter tatsächlich ein Problem, dem frau jedoch mit Cremes begegnen könne – und auch solle! Aber: „Die junge Vagina bildet Sekret“, sagt uns die Ärztin, „mit oder ohne Sex.“ Die Bildung des Scheidensekretes hänge nämlich auch vom Zyklusgeschehen ab. Wenn das Phänomen der Scheidenatrophie bereits früher auftrete, habe das ihrer Meinung nach krankhafte Ursachen und sollte untersucht werden.
Der erste Sex seit einer Weile – darauf sollten Frauen achten
Da die Schleimhäute beim ersten Akt nach längerer Pause schlechter durchfeuchtet sein können, kann es leicht zu kleineren Verletzungen kommen. Deshalb ist laut Prof. Gruber nach Abstinenz der Infektionsschutz besonders wichtig. „Sie sollten auch auf Ihren Bauch hören“, fügt die Ärztin hinzu, „sprich darauf, ob es sich richtig anfühlt, jede ‘Gelegenheit‘ auch sexuell auszuschöpfen“.
Warum Sex gesund ist
Es gibt also ein paar Gründe, die Sexpausen nicht zu groß werden zu lassen. Wobei – das wollen wir hier betonen – natürlich die Freude und Lust an der Intimität mit Partnerinnen, Partnern oder sich selbst die Hauptgründe sein sollten.
Darüber hinaus ist Sex erwiesenermaßen aber auch gut für die Gesundheit. So konnte eine Studie aus dem Jahr 2016 herausfinden, dass Sex Frauen vor kardiovaskulären Risiko im späteren Leben zu schützen scheint.1 Eine Studie von 2020 kam zu dem Ergebnis, dass bei sexuell aktiven die Menopause mit höherer Wahrscheinlichkeit erst später im Leben einsetzt als bei sexuell weniger aktiven Frauen. (FITBOOK berichtete).2 Außerdem profitieren u. a. die Libido, das Immunsystem, der Blutdruck und der Schlaf von einem sexuell aktiven Liebesleben. Genauso reduziert es das Empfinden von Stress – sowohl körperlich als auch mental. Darüber hinaus kann Sex das Selbstbewusstsein stärken, die Bindung zur Partnerin oder zum Partner verstärken, sowie Angststörungen und Depression reduzieren.3
Mindestens einmal die Woche Bei sexuell aktiven Frauen setzen die Wechseljahre später ein
Je mehr Sex, desto aktiver sind sie Forschende entdecken Hirnregionen, die direkt mit der Klitoris verbunden sind
Expertin im FITBOOK-Interview Warum es gut ist, im Alter Sex zu haben – und worauf man achten sollte
Fazit
Dass die Vagina komplett vertrocknet und sich „zurückbildet“, ist natürlich Quatsch. Im weitesten Sinn gilt „use it or lose it“ aber schon: Sex verliert an Wichtigkeit und Präsenz, man kommt aus der Übung und rostet ein wenig ein – das ist zwar nicht dramatisch ungesund, aber auf jeden Fall schade. Darüber hinaus kommen Körper und Geist nicht in den Genuss der zuvor erwähnten gesundheitlichen Vorteile von Sex.