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Was ist das Immunsystem und wieso ist es für uns so wichtig?

Unser Immunsystem produziert weiße Blutkörperchen, die uns bei Krankheiten schützen
Unser Immunsystem produziert weiße Blutkörperchen, die uns bei Krankheiten schützen Foto: Getty Images
Celina-Madelaine Bergunde, Janek Hennicke

28.05.2023, 18:05 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Nach der Pandemie kam der Mythos auf, unser Immunsystem sei geschwächt worden oder hätte sich gar zurückentwickelt. Ist das möglich? FITBOOK über die Funktionsweise dieses Wunder-Verteidigungssystems unseres Körpers.

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Unser Immunsystem vollzieht tagtäglich einen immensen Kraftakt und schafft es dadurch den Körper frei von Viren, Bakterien, Pilzen, Parasiten und weiteren ungebetenen Gästen zu halten. Der Körper verfügt dementsprechend über eine ganze Reihe komplexer Verteidigungssysteme, um spezifisch und effizient angreifen zu können. FITBOOK beschreibt verständlich die komplexe Funktionsweise des Immunsystems. Außerdem beantwortet der Immunologe Prof. Carsten Watzl, Leiter des Forschungsbereichs Immunologie an der TU Dortmund, spannende Fragen rund um das körpereigene Abwehrsystem.

Was ist das Immunsystem?

Das Immunsystem ist weder ein bestimmtes Organ noch eine spezielle Zellschicht oder ein Protein. Es ist viel eher ein komplexes Netzwerk, dass den Körper vor schädlichen Molekülen oder Stoffen zu schützen versucht, indem es Antikörper produziert. Aufgrund der schieren Menge an Infektionsmöglichkeiten ist das Immunsystem zu jeder Tages- und Nachtzeit aktiv um den Organismus zu verteidigen.

Verteidigungssysteme der körperlichen Abwehr

Angeborenes Immunsystem

Das angeborene Immunsystem sind die Bereiche des Körpers, die ihn nach außen hin vor Schädlingen schützen. Die Haut zum Beispiel überzieht den gesamten Körper und verhindert so, dass Keime oder andere Schadstoffe direkt in den Körper gelangen können. Zum angeborenen Immunsystem zählen:

  • Haut
  • Schleimhäute
  • Nasenhaare
  • Flimmerhärchen auf der Bronchialschleimhaut

Diese Bereiche sind also für die erste Abwehr zuständig und halten grobe Angriffe von außen ab.

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Unspezifisches Immunsystem

Das unspezifische Immunsystem umfasst Organe des Körpers, die aktiv werden, wenn Schädlinge bereits in den Organismus eingedrungen sind. Sie sind ebenfalls angeboren und wehren Viren und anderweitige Schadstoffe seit der Geburt ab. Die Organe produzieren hierbei Proteine und Zellen, die das gesundheitsgefährdende Objekt angreifen und unschädlich machen sollen. Zum unspezifischen Immunsystem gehören:

  • Knochenmark (produziert weiße Blutkörperchen, B-Zellen)
  • Thymus (Blutfilter und produziert weiße Blutkörperchen, T-Zellen)
  • Milz (Blutfilter)

Diese Organe sind essenziell für unser Immunsystem, eine Beeinträchtigung hat häufig schwerwiegende Folgen.

Spezifisches Immunsystem

Das spezifische Immunsystem (auch erworbenes Immunsystem genannt) entwickelt sich während unseres Lebens weiter, denn dieser Teil hat die besondere Eigenschaft, sich anzupassen und Schadstoffe, Viren oder Bakterien wiederzuerkennen. Dadurch gewährleistet es, dass unser Körper bestens gewappnet ist für jegliche wiederkehrende Krankheitserreger. Einen großen Anteil haben hier die weißen Blutkörperchen, also die B- und T-Zellen.

B-Zellen

Die B-Zellen werden wie erwähnt im Knochenmark hergestellt. Sie sind vor allem für die Wiedererkennung von Krankheiten, jedoch auch für deren Bekämpfung zuständig. Sie können Krankheiten jedoch bereits vor deren Ausbruch im Organismus erkennen und diese unschädlich machen.

T-Zellen

Unsere T-Zellen werden vorrangig im Kindesalter im Thymus hergestellt, die Herstellung dieser Zellen verlangsamt sich jedoch im zunehmenden Alter. T-Zellen können andere Zellen zerstören, sich jedoch auch mit B-Zellen zusammenschließen und so effektiv gegen Krankheitserreger vorgehen.

Neben diesen beiden Zellgruppen gibt es allerdings weitere Zellen, die wichtige Bausteine für das spezifische Immunsystem bilden. Dazu gehören Granulozyten, Mastzellen, Monozyten, dendritische Zellen und sogenannte Killerzellen. Ihre Aufgabenbereiche sind zwar unterschiedlich, zusammen bilden sie jedoch eine starke Abwehr gegen Krankheitserreger.

Symptomatiken während des Abwehrprozesses

Das Immunsystem kämpft völlig unsichtbar und die Leistung dieses Systems wird einem Menschen daher kaum bewusst. Manche Erreger können jedoch hartnäckiger sein und es braucht dadurch auch mehr Zeit, bis diese vernichtet werden. Ist dies der Fall, macht sich dieser Prozess meist auch im Körper bemerkbar und zeichnet sich durch unterschiedliche Symptomatiken wie Husten Schnupfen oder Halsweh aus. Auch eine übermäßig erhöhte Körpertemperatur (Fieber) kann dabei eine Rolle spielen. Denn all diese Symptome sind Teil des Immunsystems und damit der Abwehr, um den Körper von Erregern befreien zu können.

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Kann man das Immunsystem selbst stärken?

Kann man sein Immunsystem selbst stärken? FITBOOK hat diese Frage dem Immunologen Prof. Carsten Watzl gestellt. Er leitet den Forschungsbereich Immunologie am Leibniz-Forschungsinstitut an der Technischen Universität Dortmund (IfADo) und ist Generalsekretär der deutschen Gesellschaft für Immunologie.

„Zunächst muss man sagen, dass das Immunsystem nicht erst stimuliert werden muss, z.B. durch Infektionen oder Auseinandersetzung mit verschiedenen Erregern, damit es aktiv sein kann. Die meisten von uns werden mit einem normal funktionierenden Immunsystem geboren, und man muss nichts Spezielles tun, damit es richtig funktioniert. Das Immunsystem hat aber ein Gedächtnis und erinnert sich an Erreger, die es einmal bekämpft hat. Bei einer erneuten Infektion ist man im Idealfall durch dieses Gedächtnis dann immun und wird entweder gar nicht mehr krank oder hat deutlich geringere Symptome. Dieses Gedächtnis ist aber spezifisch. Durch eine Infektion verbessert man also nur die Immunreaktion gegen diesen speziellen Erreger. Man erreicht dadurch keine generelle ’Stärkung’ des Immunsystems.“

Prof. Dr. rer. nat. Carsten Watzl, Leiter des Forschungsbereichs Immunologie an der TU Dortmund

Gleicher Ansicht ist übrigens sein Fachkollege Thomas Kamradt, Professor für Immunologie an der Universität Jena und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGFI). „Unser Immunsystem läuft am besten, wenn man es in Ruhe lässt“, sagte er im Gespräch mit FITBOOK. Allerdings könne man einiges dazu beitragen, dass es nicht geschädigt wird. Was das genau ist, lesen Sie hier.

Hat die Pandemie unser Immunsystem geschwächt?

Aus oben beschriebenen Gründen werde das Immunsystem auch nicht geschwächt, wenn man mal eine Zeit lang weniger Infektionen hat – wie das bspw. während der Coronapandemie aufgrund der Hygienemaßnahmen der Fall war. Allerdings funktioniere das Immungedächtnis auch nicht immer dauerhaft. Bei einigen Erregern lässt die Immunität nach ein paar Jahren wieder nach, sodass man sich dann wieder infizieren kann und dann das Immunsystem sei Gedächtnis wieder „aufgefrischt“ hat. Laut Immunologe Carsten Watzl von der TU Dortmund könne man so erklären, dass nach Beendigung der Hygienemaßnahmen wieder vermehrt Infektionen aufgetreten sind.

„Häufig hört man auch das Argument der Hygienehypothese – dass also eine zu sterile Umgebung und das Fehlen von Erregern beim Immunsystem von heranwachsenden Kindern zu Problemen führen kann (z.B. mehr Allergien). Aber auch hier ist es nicht so, dass durch die fehlenden Infektionen aufgrund der Hygienemaßnahmen das Immunsystem geschwächt wird. Das hat vielmehr mit dem Mikrobiom zu tun, also den Mikroorganismen in unserem Darm und auf unserer Haut. Dieses kann durch sterile Bedingungen beim Heranwachsen verändert werden. Und es gibt Wechselwirkungen zwischen dem Immunsystem und dem Mikrobiom, die teilweise noch unverstanden sind, durch die aber die Effekte bei der Hygienehypothese wahrscheinlich zu erklären sind.“

Prof. Dr. rer. nat. Carsten Watzl, Leiter des Forschungsbereichs Immunologie an der TU Dortmund

Fehlfunktionen des Immunsystems

Autoimmunkrankheiten

Autoimmunkrankheiten sind äußerst tückisch, da das Immunsystem dabei eine dauerhafte Fehlfunktion entwickelt. Prinzipiell funktioniert es zwar, anstatt Antikörper sowie weißer Blutkörperchen produziert es jedoch selber die Viren oder Bakterien, die den Körper befallen. Dadurch werden gesunde Zellen, Gewebe oder Organe befallen und zerstört. Typische Vertreter dieser Krankheiten sind:

Immundefekte

Immundefekte sind Krankheiten, die entweder temporär oder auch dauerhaft die Arbeit des Immunsystems beeinträchtigen können. Bei Krankheiten, die so etwas verursachen, ist nicht direkt das Immunsystem daran beteiligt wie bei etwa Autoimmunkrankheiten. Stattdessen werden die einzelnen wichtigen Komponenten, die das Immunsystem ausmachen, angegriffen. Sollte man sich zum Beispiel mit HIV infizieren, greift der Virus spezifisch die produzierten T-Zellen unseres Immunsystems an. Dadurch wird das Netzwerk dauerhaft gestresst und nach und nach schwächer. Krankheiten, die Immundefekte hervorrufen, sind unter anderem:

  • HIV / AIDS
  • Leukozytenadhäsionsdefekte (LAD)
  • Autoimmun-Lymphoproliferatives Syndrom (ALPS)

Allergien

Auch Allergien sind Fehlfunktionen unseres Immunsystems. Man kann es als Überempfindlichkeit gegenüber eines Stoffes bezeichnen. In solchen Fällen überreagiert das System auf den Stoff und produziert B- oder T-Zellen. B-Zellen fangen dann an, chemische Stoffe auszustoßen, welche zu Entzündungen innerhalb des Körpers oder auch Haut führen können. Falls die T-Zellen aktiviert werden, greifen diese direkt die körpereigenen Zellen an und zerstören sie.

Sepsis (Blutvergiftung)

Bei einer Blutvergiftung wird durch eine Infektion des Blutflusses unkontrollierbar Zytokine ins Blut abgegeben. Dies aktiviert das Immunsystem und seine weißen Blutkörperchen, was wiederum eine Über- oder Unterreaktion des Immunsystems zur Folge haben kann. In beiden Fällen kann es zum Tod führen.

Krebs

Das Immunsystem ist in einigen Fällen Ursache von verschiedenen Krebsarten. Blutkrebs (Leukämie) bspw. ist nachweislich auf eine Fehlfunktion des Systems zurückzuführen. Hierbei werden zu viele weiße Blutkörperchen im Blut produziert. Die betroffene Person hat starke Krankheitssymptome, neigt zu Blutungen aus Mund und Nase und entwickelt schnell blaue Flecken sowie Blutergüsse. Weitere Krebsarten, die sich auf das Immunsystem zurückführen lassen sind:

  • Lymphome
  • Multiples Myleom (MM)

Das Immunsystem hat theoretisch, etwa durch T-Zellen, die Möglichkeit, Krebszellen zu zerstören. Forscher gehen jedoch immer stärker davon aus, dass Krebszellen teilweise nicht erkannt werden können.

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Quellen

Themen: #amazon Autoimmunerkrankungen Krankheiten
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