Zum Inhalt springen
logo Das Magazin für Fitness, Gesundheit und Ernährung
Meta-Analyse

Warum Darm-, Magen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs immer häufiger junge Erwachsene trifft

Zunehmend erkranken Menschen unter 50 Jahren an Krebs
Magenkrebs, Darmkrebs oder Bauchspeicheldrüsenkrebs – immer häufiger trifft es Menschen unter 50 Jahren Foto: Getty Images

10. Juli 2025, 12:57 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Lange galten die meisten Krebserkrankungen als Alterserkrankungen. Doch zunehmend sind auch jüngere Menschen (unter 50 Jahren) betroffen. Das ist insbesondere bei Darmkrebs und Magenkrebs der Fall. Aber auch bei Bauchspeicheldrüsenkrebs zeigt sich eine ähnliche Tendenz, wie eine aktuelle wissenschaftliche Übersichtsarbeit zeigt. Was über Ursachen und Risikofaktoren bekannt ist, erfahren Sie hier.

Artikel teilen

Warum trifft Krebs immer häufiger junge Erwachsene? Dass es diese Entwicklung gibt, zeigten schon diverse Studien und auch der Versuch, Erklärungen zu finden, war bereits häufig Gegenstand der Forschung (FITBOOK berichtete).1,2 Jetzt liefert eine große Übersichtsarbeit differenzierte neue Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen dem Alter von Patienten (unter 50 Jahren) und Krebs, genauer: verschiedenen Krebsarten des Magen-Darm-Traktes.

Jetzt dem FITBOOK-Kanal bei Whatsapp folgen!

Magen-Darm-Krebs nimmt bei Erwachsenen unter 50 Jahren zu

Die jetzt in der Fachzeitschrift „British Journal of Surgery“ veröffentlichte Studie analysiert das weltweite Phänomen der zunehmenden Fälle von Magen-Darm-Krebs (gastrointestinal; Abkürzung: GI) bei Erwachsenen unter 50 Jahren.3 Der Fokus lag dabei auf frühen Erkrankungen (Early-Onset, EO) des Dickdarms, Magens, der Bauchspeicheldrüse sowie selteneren Tumoren wie Appendix-, Gallenwegs- und neuroendokrinen Tumoren. Die Autoren untersuchten epidemiologische Trends, genetische Merkmale, Risikofaktoren, klinische Besonderheiten und Versorgungslücken. Die Ergebnisse machen deutlich: EO-GI-Krebs ist ein wachsendes Gesundheitsproblem mit gravierenden Folgen für Prävention, Behandlung und Nachsorge.

Häufigkeit, Genetik, Risikofaktoren – warum bekommen immer mehr Menschen unter 50 Krebs des Magen-Darm-Traktes?

Weltweit steigen die Zahlen gastrointestinaler Krebserkrankungen bei Menschen unter 50 Jahren alarmierend an. Diese Entwicklung sollten Forscher des Cancer Institute in Boston nun systematisch erfassen und versuchen, zu erklären. Frühe Krebserkrankungen betreffen heute nicht mehr nur den Darm, sondern zunehmend auch Magen und Bauchspeicheldrüse. Genau diese Erkrankungen rückten die Wissenschaftler in den Fokus ihrer Untersuchung. Zusätzlich waren für sie auch seltenere Tumore wie Appendix-, Gallenwegs- und neuroendokrine Tumore von Interesse.

Die Autoren betrachteten dabei nicht nur die Häufigkeit, sondern auch Unterschiede in Tumorbiologie, Genetik, Risikofaktoren und Therapieergebnisse im Vergleich zu älteren Patienten. Hintergrund ist der sogenannte Geburtskohorteneffekt: Jüngere Generationen sind einem höheren Erkrankungsrisiko ausgesetzt, was auf Umwelt- und Lebensstilfaktoren hindeutet. Vor allem Übergewicht, Bewegungsmangel und Ernährung könnten eine bedeutende Rolle spielen. Die Übersichtsarbeit hatte den Zweck, aus der Vielfalt vorhandener Daten ein klares Bild der Entwicklung zu zeichnen, Versorgungslücken zu benennen und die Notwendigkeit neuer Früherkennungsstrategien zu betonen.

Studiendesign und Methoden

Bei der Untersuchung handelt es sich um eine narrative Übersichtsstudie. Die Autoren sichteten und analysierten umfassend die wissenschaftliche Literatur zu EO-GI-Krebs – insbesondere zu Dickdarm-, Magen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs. Zusätzlich wurden auch Daten zu selteneren Krebsformen wie Appendix- und Gallenwegskarzinomen sowie neuroendokrinen Tumoren ausgewertet. Die Analyse umfasste epidemiologische Studien, molekulargenetische Untersuchungen, klinische Kohorten und Leitlinien. Es wurden sowohl bevölkerungsbasierte Registerdaten (z. B. SEER, NCDB) als auch prospektive und retrospektive klinische Studien berücksichtigt. Die Autoren verglichen Patienten, die bei ihrer Krebsdiagnose jünger als 50 Jahre waren, mit älteren Betroffenen hinsichtlich Erkrankungshäufigkeit, genetischer Prädisposition, Risikofaktoren, Tumoreigenschaften, Behandlung und Prognose.

Studie bestätigt: zunehmend unter 50-Jährige von gastrointestinalem Krebs betroffen

Die Studie arbeitete einen weltweit deutlichen Anstieg gastrointestinaler Krebsarten bei Erwachsenen unter 50 Jahren heraus. In den USA stieg die Inzidenz früher Darmkrebserkrankungen zwischen 2010 und 2019 um 14,8 Prozent. Auch bei Magen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs sind frühe Fälle stark zunehmend.

Bemerkenswert: Besonders betroffen sind laut der Analyse Frauen sowie schwarze, hispanische, indigene und asiatische Bevölkerungsgruppen. Obwohl genetische Veranlagungen (z. B. Lynch-Syndrom) bei Krebspatienten unter 50 Jahren häufiger als bei älteren Patienten vorkommen, sind die meisten früh auftretenden Krebsfälle sporadisch – also ohne familiäre Vorbelastung.

Modifizierbare Risikofaktoren wie Adipositas (BMI ≥30), westliche Ernährung, Bewegungsmangel, Rauchen und Alkoholkonsum zeigen teils hohe Risikoanstiege (z. B. deutet die Studie auf einen hohen Zusammenhang zwischen Adipositas und Darmkrebs hin). Früh erkrankte Patienten zeigen oft aggressivere Tumorbiologie, fortgeschrittene Stadien bei Diagnosestellung und erhalten häufiger intensive Therapien – allerdings meist ohne belegten Überlebensvorteil. Auch bei neuroendokrinen und gallengängigen Tumoren zeigen sich Tendenzen zunehmend junger Betroffener.

Die Ergebnisse im Detail

Darmkrebs

Die Analyse der US-Forscher deutet auf einen drastischen Anstieg von Darmkrebserkrankungen bei unter 50-Jährigen hin. In den USA etwa stiegen die Fälle in dieser Alterskohorte von 5,9 Fällen auf 8,4 Fällen pro 1000.000 Personen. Menschen, die 1990 geboren wurden, haben im Vergleich zum Jahrgang 1950 ein zweifach erhöhtes Risiko für Darmkrebs und ein vierfach erhöhtes Risiko für Rektumkarzinome.

Magenkrebs

In vielen Ländern, darunter den USA, erkranken zunehmend junge Erwachsene an Magenkrebs

Bauchspeicheldrüsenkrebs

Auch früher Pankreaskrebs zeigt eine starke Zunahme: z. B. +2,53 Prozent pro Jahr in den USA zwischen 2010 und 2019. In acht Ländern gab es sogar einen Anstieg von 8,75 Prozent (um welche es sich handelt, wurde leider nicht explizit erwähnt).

Appendixkrebs

Auch bei den selteneren gastrointestinalen Krebsarten deuten die analysierten weltweiten Daten auf einen Anstieg hin. Besonders stark betroffen ist der Appendixkrebs, etwa mit einem durchschnittlichen jährlichen Anstieg von +15,61 Prozent in den USA (zwischen 2010 und 2019).

Machen Sie mit bei unserer FITBOOK-Umfrage!

Erkenntnisse zu Ursachen und Risikofaktoren

Die Zahlen scheinen eine eindeutige Sprache zu sprechen: Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Krebs des Magen-Darm-Traktes längst nicht mehr nur alte Menschen betrifft. Doch was konnte die aktuelle Analyse zu möglichen Ursachen und Risikofaktoren ermitteln?

Eine Erkenntnis: Die Genetik spielt eine Rolle, aber eine eher kleinere. Die Meta-Analyse konnte z. B. bei Darmkrebs- und Bauchspeicheldrüsenkrebs im Fall jüngerer Patienten Hinweise auf erbliche Ursachen finden. Die Mehrheit der Krebserkrankungen trat bei unter 50-Jährigen, aber ohne familiäre Vorbelastung auf.

Was die Risikofaktoren angeht, bestätigt die vorliegende Übersichtsarbeit Erkenntnisse früherer Forschung. Die Studie zeigt, dass klassische Lebensstilfaktoren teils stark mit früh auftretendem gastrointestinalem Krebs korrelieren. Das bedeutet: Wenn junge Menschen an Magen-, Darm- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs erkranken, spielen nicht selten vermeidbare Faktoren eine Rolle, z. B. Ernährung, Übergewicht, Lebensstil.

So deuten die analysierten Daten auf einen hohen Zusammenhang zwischen Adipositas und frühem Darmkrebs, Magenkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs hin. Auch eine nicht-alkoholische Fettleber sowie Rauchen korrelieren mit den drei genannten Krebsarten. Alkohol steht vor allem in Verbindung mit Darm- und Magenkrebs bei 50-Jährigen.

Weitere Risikofaktoren sind laut der aktuellen Analyse Bewegungsmangel, westliche Ernährung sowie der Konsum zuckerhaltiger Getränke. Eine gute Vitamin-D-Versorgung scheint laut der Analyse eine schützende Wirkung zu haben.

Welche Bedeutung haben die Ergebnisse?

Die Ergebnisse bestätigen zum einen das zunehmende Auftreten von Krebs bei Menschen unter 50 Jahren. Zudem liefert sie spannende Erkenntnisse zu Ursachen und Risikofaktoren. So weist die Studienlage auf eine drastische Zunahme in Ländern mit westlichem Lebensstil hin, was Prävention über Ernährung, Bewegung und Gewichtskontrolle als dringend erforderlich erscheinen lässt. Screeningprogramme, wie z. B. die Senkung des Einstiegsalters für Darmkrebs auf 45 Jahre in den USA, sind ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch fehlt es weltweit an systematisierten Vorsorgestrategien für EO-GI-Krebserkrankungen. In Deutschland ist die Vorsorge ab 50 Jahren vorgesehen – und damit offenbar zu spät. Die Autoren fordern daher gezielte Früherkennung, genetisches Screening bei Risikogruppen sowie spezialisierte Versorgungsangebote für junge Betroffene.

Einordnung der Studie und mögliche Einschränkungen

Die Übersichtsstudie stützt sich auf eine breite, methodisch hochwertige Auswahl internationaler Forschungsarbeiten. Ihre große Stärke liegt in der interdisziplinären Zusammenschau von Epidemiologie, Genetik, klinischer Onkologie und Public Health. Allerdings handelt es sich nicht um eine systematische Meta-Analyse – die Auswahl und Bewertung der Studien folgen keinem standardisierten Protokoll. Zudem stammen viele Daten aus den USA, was die Übertragbarkeit auf andere Gesundheitssysteme einschränkt. Bei manchen Aussagen, etwa zu Überlebensvorteilen oder Behandlungsergebnissen, liegen teils widersprüchliche Daten vor. Die Definition von „early-onset“ (meist <50 Jahre) ist zudem historisch bedingt und nicht biologisch begründet. Studien unterscheiden sich teilweise erheblich in betrachteten Altersgrenzen und angewendeter Methodik, was direkte Vergleiche erschwert.

Trotz dieser Schwächen bildet die Studie eine solide Grundlage für zukünftige Forschung und klinische Weiterentwicklung im Umgang mit jungen Krebspatienten.

Mehr zum Thema

Fazit

Gastrointestinale Krebserkrankungen treten zunehmend bei Erwachsenen unter 50 Jahren auf – mit teils aggressivem Verlauf und unklaren Ursachen. Die Übersichtsstudie identifiziert Übergewicht, westliche Ernährung, Bewegungsmangel, Rauchen und Alkohol als wesentliche Risikofaktoren, betrachtete differenziert verschiedene Arten von Krebs des Magen-Darm-Traktes und fordert altersangepasste Screening- und Therapieansätze. Betroffene brauchen spezialisierte Angebote, etwa zu Fertilitätsfragen, psychosozialer Unterstützung und Nachsorge. Forschung und Versorgung müssen sich auf diese neue Patientengruppe einstellen – interdisziplinär, altersgerecht und chancengleich.

Themen Darmkrebs Krebs Magenkrebs

Quellen

  1. Ogino, S., Ugai, T., Sasamoto N. et al. (2022). Is early-onset cancer an emerging global epidemic? Current evidence and future implications. Nature reviews clinical oncology. ↩︎
  2. Tan N., Wu H., Cao M., et al. (2024). Global, regional, and national burden of early-onset gastric cancer. Cancer Biology & Medicine. ↩︎
  3. Char, S.K., O’Connor, C. A., Ng, K. (2025). Early-onset gastrointestinal cancers: comprehensive review and future directions. British Journal of Surgery. ↩︎

Sie haben erfolgreich Ihre Einwilligung in die Nutzung unseres Angebots mit Tracking und Cookies widerrufen. Damit entfallen alle Einwilligungen, die Sie zuvor über den (Cookie-) Einwilligungsbanner bzw. über den Privacy-Manager erteilt haben. Sie können sich jetzt erneut zwischen dem Pur-Abo und der Nutzung mit Tracking und Cookies entscheiden.

Bitte beachten Sie, dass dieser Widerruf aus technischen Gründen keine Wirksamkeit für sonstige Einwilligungen (z.B. in den Empfang von Newslettern) entfalten kann. Bitte wenden Sie sich diesbezüglich an datenschutz@axelspringer.de.