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Studien untersuchten Erythrit

Vermeintlich harmloses Süßungsmittel erhöht Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt

Erythrit soll schädlich sein
Erythrit hat eine kristalline Form und eignet sich daher besonders gut als Zuckerersatz beispielsweise beim Backen Foto: Getty Images
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17. Juli 2025, 13:21 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Ein hoher Konsum von Zucker ist erwiesenermaßen schlecht für die Gesundheit. Um Kalorien zu sparen, greifen deshalb viele Menschen zu Süßstoffen und Zuckeraustauschstoffen. Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Denn eine aktuelle Studie zeigt, wie schon wenig Erythrit (auch Erythritol genannt) auf das Gehirn wirkt – mit der Folge, dass sich das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen könnte. Das Forschungsergebnis untermauert die Erkenntnisse einer früheren Untersuchung, die ebenfalls ein erhöhtes Schlaganfallrisiko ermittelte – sowie ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt.

Viele glauben, Süßungsmittel seien gesünder als Zucker

Zu viel Zucker in der Ernährung führt nachweislich zu Übergewicht und Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes Typ 2. Doch auf Zucker zu verzichten, ist gar nicht so einfach. Die Kalorienbombe, die unseren Insulinspiegel ansteigen lässt und somit die Fettverbrennung des Körpers unterdrückt, ist Bestandteil unzähliger Lebensmitteln. Zucker steckt nicht nur ganz offensichtlich in Süßigkeiten wie Schokolade, Gebäck und Bonbons, sondern versteckt sich auch als Zusatzstoff in anderen industriell verarbeiteten Lebensmitteln wie Tomatensoßen, Wurstwaren, Suppen und Nudelgerichten (FITBOOK berichtete). Auf Zucker zu verzichten, ist also gar nicht leicht. Deswegen greifen viele Menschen zu Alternativen wie etwa Zuckeraustauschstoffen. Dazu zählt auch der Zuckerersatz Erythrit. Lange galt der Stoff als ungefährlich, etwa weil er sich kaum auf den Blutzuckerspiegel auswirkt. Erythrit ist einer von acht in der EU zugelassenen Zuckeraustauschstoffen.1 Doch die Forschung liefert zunehmend Hinweise dafür, dass der Konsum von Erythrit schädlich sein könnte – speziell für das Gehirn und das Herz.

Was ist Erythrit?

Erythrit gehört zu den sogenannten Zuckeraustauschstoffen. Sie haben eine geringere Süßkraft im Vergleich zu Süßstoffen wie beispielsweise Aspartam, Saccharin und Sucralose. Im Gegensatz zu den Süßstoffen wird Erythrit aus natürlichen, stärkehaltigen Rohstoffen wie Gemüse, Obst oder Holz gewonnen. Mithilfe von Hefen oder Pilzen wird durch Fermentation die enthaltene Glukose in Erythrit umgewandelt. Deswegen nennt man das Produkt auch Zuckeralkohol. Nach der Fermentation hat es einen wesentlich geringeren Brennwert als Zucker und keinen starken Einfluss auf den Blutzuckerspiegel. Das verhindert eine starke Insulinausschüttung, wie es bei Zucker der Fall ist. Durch die kristalline Struktur eignet sich Erythrit als Zuckerersatz auch zum Backen. Allerdings muss man beachten, dass es in zu hohen Dosen zu Verdauungsbeschwerden kommen kann und Zuckeralkohole dann abführend wirken.

Die in der EU zugelassenen Zuckeraustauschstoffe

  • Sorbit (E 420)
  • Mannit (E 421)
  • Isomalt (E 953)
  • Maltit (E 965)
  • Lactit (E 966)
  • Xylit (E967)
  • Erythrit (E 968)
  • Polyglycitolsirup (E 964)2

Wie Erythrit auf Hirngefäßzellen wirkt

Während frühere Beobachtungsstudien Zusammenhänge zwischen dem Erythrit-Konsum und den Risiken für Schlaganfälle und Herzerkrankungen aufzeigen konnten, fehlten bislang mechanische Nachweise.3 Was genau bewirkt Erythrit im Körper, das die Erkrankungsrisiken erhöht? Dieser Frage ging jetzt eine aktuelle Studie aus den USA auf den Grund. Die verantwortlichen Wissenschaftler wollten herausfinden, welche biologischen Veränderungen Erythrit in den Zellen des Gefäßsystems verursacht.4

Studiendesign und Methoden

Zu diesem Zweck machten die Forschenden eine Laboruntersuchung mit einem Zellkulturmodell. Für dieses verwendeten sie menschliche Gehirnkapillar-Endothelzellen (hCMECs) – Zellen, die die Blutgefäße im Gehirn auskleiden. Die Zellen wurden 24 Stunden lang mit sechs Millimol Erythrit behandelt – eine Konzentration, die etwa 30 Gramm entspricht, wie sie in einem handelsüblichen Light-Getränk enthalten sind.

Im Fokus standen Veränderungen zentraler Marker für die Gefäßgesundheit:

  • Oxidative Belastung (oxidativer Stress)
  • Stickstoffmonoxid-(NO)-Verfügbarkeit
  • Endothelin-1-(ET-1)-Produktion
  • Freisetzung von t-PA

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Erythrit führte zu schädlichen Veränderungen der Gehirnzellen

Die Untersuchung ergab, dass Erythrit tatsächlich negativ auf die in-vitro behandelten Zellen einwirkte.

So beobachteten die Forscher einen starken Anstieg des oxidativen Stresses. Dies zeigte sich durch einen Anstieg der Produktion freier Sauerstoffradikale (ROS) – und zwar um 75 Prozent. Dies wurde begleitet von einer erhöhten Bildung antioxidativer Enzyme, wahrscheinlich als ausgleichende körperliche „Antwort“ auf die erhöhte Menge von ROS.

Ein weiterer beobachteter Effekt war eine beeinträchtigte Verfügbarkeit von Stickstoffmonoxid (NO). Die NO-Produktion sank signifikant, nämlich um 20 Prozent. Gleichzeitig erhöhte sich die ET-1-Produktion. Warum das schädlich sein kann? Weil es sich dabei um ein Peptid (aus Aminosäuren gebildetes Molekül) handelt, das stark gefäßverengend wirken kann.

Schließlich bewirkte die Zellbehandlung mit Erythrit auch eine gestörte Fibrinolyse. Die Freisetzung von t-PA, das wichtig für Gefäßdurchlässigkeit und die Verhinderung thrombotischer Ereignisse ist, war deutlich gehemmt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Laboruntersuchung durch Erythrit ausgelöste biologische Veränderungen aufzeigte, die auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Gefäßfunktion hindeuten, wie sie für das Gehirn besonders kritisch ist.

Einordnung der Untersuchungsergebnisse

Erstmals lieferten Forscher in Form eines Laborexperiments Hinweise darauf, wie Erythrit die Funktion von Hirngefäßzellen direkt beeinträchtigen könnte. Langfristig könnten diese das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen. Die beobachteten Effekte gelten in der Medizin als klassische Frühzeichen einer gestörten Endothelfunktion. Gerade in den feinen Hirngefäßen kann dies fatale Folgen haben: verminderte Gefäßerweiterung, gesteigerte Gerinnungsneigung und Durchblutungsstörungen bis hin zu ischämischem Schlaganfall.

Einschränkend wollen wir aber noch betonen, dass es sich um eine In-vitro-Studie handelt und deshalb keine direkten Rückschlüsse auf den Menschen zulässig sind. Auch fand die Untersuchung der Zellen nur über einen Zeitraum von 24 Stunden statt. Ob die nachgewiesenen Effekte also auch langfristig Bestand hätten, ist unklar. Außerdem konnten im Experiment physiologische Faktoren wie Blutdruck, Immunzellen oder andere Zelltypen, die im Körper mitwirken, nicht berücksichtigt werden. Deshalb ist auch nicht sicher, welche Wechselwirkungen sie bei dem Experiment noch eingebracht hätten. Daher wären klinische Studien nötig, um die tatsächliche Relevanz der Ergebnisse zu bewerten.

Dennoch: Die Studie liefert einen biologisch plausiblen Mechanismus, der die Beobachtungen früherer Studien bekräftigt und ergänzt. Die in den Zellkulturen ermittelten biologischen Veränderungen sind durchaus alarmierend, besonders da schon eine kleine Menge Erythrit ausreichte – nämlich so viel, wie ein typisches Light-Getränk enthält.

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Studie von 2023: Verbindung zwischen Erythrit und Schlaganfall- sowie Herzinfarktrisiko

Eine der zuvor erwähnten Beobachtungsstudie stammt ebenfalls aus den USA, von der Cleveland Clinic. Sie gibt Hinweise darauf, dass Erythrit das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall bei älteren Erwachsenen, die zur Risikogruppe gehören, erhöht.5

Ablauf der Studie

Im ersten Teil der Studie wurden die Daten einer älteren metabolischen Untersuchung von 1157 Probanden mit einem Durchschnittsalter von 65 Jahren ausgewertet. Darin zeigte sich bereits, dass eine hohe Konzentration von Zuckeraustauschstoffen im Blutplasma, insbesondere Erythrit, in Verbindung mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und vorzeitigen Tod zu stehen scheint.

Im zweiten Teil der Studie wurden 2149 Amerikaner (Durchschnittsalter 63) zum Vergleich herangezogen und ihre metabolischen Daten mit denen der ersten Gruppe verglichen. Im dritten Teil der Studie wurden zudem 833 Europäer (Durchschnittsalter 75) ebenfalls auf den Erythrit-Gehalt im Körper hin untersucht. Und auch in den beiden Vergleichsgruppen gab es einen beobachteten Zusammenhang zwischen erhöhten Erythrit-Werten im Blutplasma und Herzinfarkt, Schlaganfall und einem vorzeitigen Tod.

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Was passiert im Körper durch Zuckeraustauschstoffe?

Die Forscher erklärten die beobachteten Zusammenhänge damit, dass Erythrit offenbar dazu führt, dass Blutplättchen, die u. a. für die Wundheilung verantwortlich sind, verklumpen. So kann die Einnahme des Zuckeraustauschstoffs wahrscheinlich die Bildung von Blutgerinnseln fördern. Und diese könnten letztlich Hirnarterien oder Herzkranzgefäße verstopfen, was einen Schlaganfall oder Herzinfarkt verursachen kann.

Als besonders bedenklich befanden die Forscher, dass schon kleine Mengen (etwa ein Softdrink täglich) das Risiko erhöhen könnten. Und das, obwohl Erythrit meist über den Urin ausgeschieden wird, weil der Körper es nicht so einfach verstoffwechseln kann. Doch weil der Körper selbst Erythrit in kleinen Mengen produziert, kann es sich schnell in der Blutbahn anreichern.

Allerdings muss man dabei bedenken, dass die Untersuchung an Personen mit einem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen durchgeführt wurde. Ob Erythrit schädlich für gesunde Menschen ist, muss in weiteren Studien untersucht werden. „Es ist wichtig, dass weitere Studien durchgeführt werden, um die langfristigen Auswirkungen von künstlichen Süßungsmitteln im Allgemeinen und von Erythrit im Besonderen auf das Risiko von Herzinfarkt und Schlaganfall zu untersuchen“, sagt Stanley Hazen, einer der verantwortlichen Wissenschaftler. 

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Fazit

Erythrit kann schädlich wirken. Darauf weisen sowohl Beobachtungsstudien als auch das aktuelle Experiment an Zellkulturen hin. Viele Fragen – etwas zur Dosierung, zu Langzeiteffekten, Art der Aufnahme (sind Lebensmittel mit Erythrit womöglich auch auf Basis weiterer Inhaltsstoffe ungesund?) – bleiben offen.

Unsere Einschätzung: Wie so oft macht die Dosis das Gift. Wer ab und zu ein Light- oder Zero-Getränk mit Erythrit konsumiert, muss sicher nicht schon bald mit einem Schlaganfall oder Herzinfarkt rechnen. Aber: Die Forschung zeigt, dass Erythrit und andere Süßungsmittel nicht einen vollkommen unbedenklichen Ersatz für Zucker darstellen. Wer seiner Gesundheit langfristig möglichst viel Gutes tun möchte, sollte daher auf beides möglichst verzichten.

Themen Süßungsmittel

Quellen

  1. Verbraucherzentrale .Süßungsmittel - Was sind Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe? (aufgerufen am 17.7..2025) ↩︎
  2. Amtsblatt der Europäischen Union: Verordnung des Europäischen Parlaments undd es Rates über Lebensmittelzusatzstoffe (2008, aufgerufen am 17.07.2025) ↩︎
  3. Khafagy, R., Paterson, A.D., Dash, S. (2024). Erythritol as a Potential Causal Contributor to Cardiometabolic Disease: A Mendelian Randomization Study. Diabetes. ↩︎
  4. Berry, R. A., Ruzzene, S.T., Ostrander, E.I. et al. (2025). The non-nutritive sweetener erythritol adversely affects brain microvascular endothelial cell function. Journal of Applied Physiology ↩︎
  5. Witkowski M., Nemet I., Alamri H., et. al. (2023). The artificial sweetener erythritol and cardiovascular event risk. Nature Medicine. ↩︎

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