
14. Mai 2025, 20:07 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Alle drei Sekunden bricht auf der Welt ein Knochen aufgrund von Osteoporose. Frakturen führen oft zur Behinderung, Pflegebedürftigkeit und erhöhter Sterblichkeit. Während Risikofaktoren wie das Alter und das Geschlecht gut bekannt sind, ist ein weiterer Faktor vielleicht erst einmal überraschend: Bauchfett. Was soll das kleine „Wohlstandbäuchlein“ mit den Knochen zu tun haben? Offenbar eine Menge. Das viszerale Fett gewinnt in der Wissenschaft als Frühindikator poröser Knochen an Bedeutung: Forscher haben festgestellt, dass ein hoher Wert an innerem Bauchfett mit einer niedrigen Knochendichte einhergeht – die Vorstufe der Osteoporose. Diese Erkenntnis ist relevant, weil Osteoporose bis zum Auftreten erster Knochenbrüche normalerweise unbemerkt verläuft. Welchen sogenannten „LAP“-Wert man demnach nicht überschreiten sollte, lesen Sie hier.
Fett am Bauch kann nicht nur das Herz belasten, sondern auch die Knochendichte verringern. Eine neue Studie zeigt, dass der sogenannte LAP-Wert – ein Maß für innere Fettansammlung – bei Erwachsenen mit niedrigeren Werten der Knochendichte in der Lendenwirbelsäule verbunden ist. Vor allem bei höheren LAP-Werten zeigte sich ein deutlicher negativer Effekt. Das Ergebnis: LAP und damit das Bauchfett könnte ein neuer Frühindikator für Osteoporose sein. Das Osteoporose-Problem ist weltweit wie auch in Deutschland hochrelevant und wächst stetig – bedingt durch die alternde Bevölkerung und Lebensstilfaktoren. Vor diesem Hintergrund ist die vorliegende Studie enorm interessant.
Jetzt dem FITBOOK-Kanal bei Whatsapp folgen!
Übersicht
- Was ist Osteoporose?
- Jährlich 885.000 Brüche durch Osteoporose in Deutschland
- Alte, bekannte Hauptursachen und Risikofaktoren
- Zusammenhang zwischen niedrigem Körpergewicht und Osteoporose
- Zusammenhang zwischen Bauchfett und Osteoporose
- Studie: Oberhalb dieses LAP-Wertes sinkt die Knochendichte
- Wie komme ich zu meinem LAP-Wert?
- Welche Bedeutung haben die Ergebnisse?
- Einordnung der Studie und mögliche Einschränkungen
- Quellen
Was ist Osteoporose?
Bei Osteoporose, auch bekannt als „Knochenschwund“ ist der Knochenstoffwechsel gestört. Dabei gerät der Auf- und Abbau der Knochenstruktur aus dem Gleichgewicht und es kommt zum verstärkten Verlust an Kalzium und Kollagen aus der Knochensubstanz. Von Osteoporose spricht man, wenn deutlich mehr Knochenmasse verloren geht, als das beim natürlichen Alterungsprozess geschieht.
Jährlich 885.000 Brüche durch Osteoporose in Deutschland
Laut der International Osteoporosis Foundation (IOF) leiden 200 Millionen Menschen weltweit an Osteoporose. Eine von drei Frauen und einer von fünf Männern über 50 Jahre erleidet im Laufe des Lebens eine durch Osteoporose bedingte Fraktur. 2019 hatten demnach 158 Millionen Menschen über 50 Jahre ein erhöhtes Frakturrisiko. Laut Prognose wird sich diese Zahl bis 2040 verdoppeln. Weltweit kommt es pro Jahr zu neun Millionen durch Osteoporose bedingte Frakturen – was einer Fraktur alle drei Sekunden entspricht.1
In Deutschland sind 6,3 Millionen Menschen an Osteoporose erkrankt – die meisten davon sind Frauen über 50. Die häufigsten Brüche hierzulande: Wirbelkörper, Hüfte, Unterarm – insgesamt etwa 885.000 Frakturen. Laut dem Dachverband Osteologie e. V. gibt es große Behandlungslücken: Nur etwa 20 bis 30 Prozent der Betroffenen erhalten nach einer durch Osteoporose bedingten Fraktur eine adäquate Diagnose und Therapie, heißt es in der Leitlinie des Dachverbands der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften e.V.2
Alte, bekannte Hauptursachen und Risikofaktoren
Zu den Hauptursachen und Risikofaktoren der Osteoporose zählen die alternde Bevölkerung, der Bewegungsmangel, eine Ernährung, die zu einem Mangel an Kalium und Vitamin D führt, Alkohol und Rauchen sowie Medikamente (etwa Kortison, Antidepressiva) und Erkrankungen. Zu den Krankheiten, die Knochenschwund begünstigen, gehören Darm-, Leber-und Nierenerkrankungen, aber auch Hormon- und Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes mellitus Typ 1.
Auch interessant: Armfett soll auf Risiko für bestimmte Verletzung hindeuten können
Zusammenhang zwischen niedrigem Körpergewicht und Osteoporose
Neuere Studien führen einen bzw. zwei weitere Risikofaktor für Osteoporose hinzu. Die Forschung der letzten Jahre zeigte zunächst: Ein extrem niedriges Körpergewicht kann die Knochendichte senken, was Osteoporose zur Folge haben kann.
Dass ein niedriges Körpergewicht einer der stärksten Risikofaktoren für Hüftfrakturen bei postmenopausalen Frauen ist, zeigte eine Forschergruppe um Krisitine Ensrud bereits 1997.3 Eine groß angelegte Kohortenstudie aus Südkorea lieferte 2022 zudem Hinweise dafür, dass auch Männern mit niedrigem Körpwegewicht diese Gefahr droht, tatsächlich auch unabhängig von anderen Faktoren.4 Eine konkrete BMI-Schwelle, die das Osteoporose-Risiko offenbar massiv erhöhen kann, haben Forscher auch schon geliefert: So entwickelten 61 Prozent der Teilnehmer einer Studie, deren BMI unter 18,5 lag – per BMI-Definition ist das Untergewicht – innerhalb von 47 Monaten Osteoporose. Bei sämtlichen Teilnehmern mit höheren BMIs lag die Prozentzahl deutlich niedriger, schwankte zwischen 4,6 Prozent bei den Adipösen und 7,2 Prozent bei den Normalgewichtigen.5
Zusammenhang zwischen Bauchfett und Osteoporose
Untergewicht als Risikofaktor für Osteoporose ist also lange bekannt und offenbar unstrittig – doch die Forschung ging weiter. Die große Frage: Gibt es weitere, bisher unbekannte Risikofaktoren? Aiyong Cui und Yan Zhuang vom Department of Orthopaedics der Xi’an Jiao Tong University in Xi’an (China) knöpften sich einen Faktor vor, einen Dauerbrenner, wenn es darum geht, eine ganze Reihe an Krankheiten zu fördern: Das viszerale Fett ist bekanntermaßen hochaktiv darin, entzündungsfördernde Botenstoffe auszuschütten und damit mehrere chronische Krankheiten zu fördern, darunter Herz-Kreislauf-Krankheiten, Schlaganfälle, Bluthochdruck, Diabetes und verschiedene Krebsarten. Viel Bauchfett und Osteoporose: Könnte es auch hier einen Zusammenhang geben?
Untergewicht und viszerales Bauchfett schließen sich nicht aus. Menschen mit niedrigem BMI können trotzdem einen hohen Anteil an viszeralem Fettgewebe haben, weil sie wenig Muskelmasse haben. Man spricht auch von „skinny fat“.
Vorab: Cui und Zhuang wurden fündig. Und so gingen sie vor: Sie analysierten die Mengen an innerem Bauchfett von 3883 Erwachsenen ab 20 Jahren, deren Daten innerhalb der US-amerikanischen NHANES-Studie (2011 bis 2018) gesammelt worden waren. Der individuellen Menge an viszeralem Fett näherten sie sich mit dem sogenannten LAP-Wert. Das „Lipid Accumulation Product“ berechnet sich aus Taillenumfang als Maß für die zentrale abdominale Fettverteilung und dem Triglyzeridspiegel als Spiegel für metabolisch aktives Fett. Der LAP gilt als sensibler Indikator für viszerales Bauchfett, das, wie erwähnt, mit Entzündungen und anderen metabolischen Erkrankungen in Verbindung steht. Also: je höher der LAP, desto mehr viszerales (inneres) Fett im Verhältnis zum Gesamtkörper. Dann widmeten die Wissenschaftler sich ihrer Kernfrage: Beeinflusst ein hoher LAP auch die Knochendichte?
Auch interessant: 6 ½ Lebensmittel für starke und gesunde Knochen
Studie: Oberhalb dieses LAP-Wertes sinkt die Knochendichte
Die Studie zeigt: Es besteht ein signifikanter negativer Zusammenhang zwischen dem LAP und der Knochendichte in der Lendenwirbelsäule. Ein Anstieg des LAP war mit einem Rückgang der Knochendichte verbunden. Genauer: Wer den Schwellenwert von 17,25 cm × mmol/Liter überstieg, hatte mehr viszerales Fett als „gesund“ ist – zumindest aus Sicht des Knochenstoffwechsels. Je weiter darüber sich der Wert der untersuchten Personen befand, desto niedriger war die Knochendichte.
Warum ist das so? Die Autoren erläutern, dass Fettgewebe – insbesondere viszerales Fett – mehr sei als nur ein passiver Energiespeicher. Es wirke wie ein hormonell aktives Organ, das eine Reihe von entzündlichen, hormonellen und zellulären Veränderungen verursache, die knochenschädigend wirken könnten. Möglicherweise förderten Botenstoffe Zellen, die Knochen abbauten und hemmten solche, die Knochen aufbauen.
Auch interessant: Die Ernährung, mit der man viszerales Fett effektiv reduzieren kann
Wie komme ich zu meinem LAP-Wert?
Nehmen wir das Beispiel einer Frau mit 85 Zentimetern Taillenumfang und einem Triglyzeridspiegel von 0,7 mmol/Liter. Multipliziert man beide Werte, kommt man auf den LAP 18,9. Gemäß der Studie wäre das über dem kritischen Wert – und bedeutete ein wahrscheinlich erhöhtes Risiko für Osteoporose. Ein Mann mit 90 Zentimetern Taillenumfang und Triglyceridspiegel 0,5 mmol/l – hier beträgt der LAP 12,5 – hätte dagegen also einen unauffälligen Wert.
Ein LAP-Wert von 17,25 zeigt noch keine kranke Fettleibigkeit – aber bereits ein Maß an viszeralem Bauchfett, dass laut der Studie die Knochendichte negativ beeinflussen kann.
Und jetzt Sie: Der Taillenumfang ist schnell ermittelt. Woher bekommt man den Triglyceridwert? Leider enthält ihn weder das kleine noch das große Blutbild. Es handelt sich um einen Standardparameter im „großen Lipidprofil“, dort sind unter anderem auch Cholesterin, HDL und LDL enthalten. Oft ist das Triglycerid im Check-up 35 (alle drei Jahre ab 35 Jahren) enthalten, fragen Sie einfach mal Ihren Arzt. Sagen Sie etwa, dass Sie ihren Lipidstatus inkl. Triglyzeride und Cholesterinwerte bestimmen lassen möchten zur Einschätzung Ihres kardiometabolischen und osteoporotischen Risikos!
Bei familiärer Vorbelastung oder wenn ein medizinischer Grund vorliegt, übernimmt die Kasse ohnehin. Bei Privatversicherten sind Triglyzeride oft automatisch enthalten bei Vorsorge oder Blutuntersuchungen auf Stoffwechsel.
Welche Bedeutung haben die Ergebnisse?
Die Studie liefert Hinweise darauf, dass eine übermäßige viszerale Fettansammlung ein Risikofaktor für verminderten Knochenmineralgehalt sein kann. Die Tatsache, dass der Zusammenhang unabhängig vom BMI bestand, ist besonders bedeutsam, da der BMI keine Differenzierung zwischen Muskel- und Fettgewebe erlaubt. Für die klinische Praxis bedeutet das: LAP könnte als kostengünstiger Marker zur frühzeitigen Erkennung von Osteoporose eingesetzt werden – vor allem bei Patienten mit metabolischen Risikofaktoren. Darüber hinaus unterstreichen die Ergebnisse die Notwendigkeit, Adipositas nicht nur unter kosmetischen, sondern auch unter knochengesundheitlichen Aspekten zu behandeln.

Hoher Bauchfettanteil wirkt sich auf Alzheimer-Risiko aus

Methoden, um das viszerale Fett zu messen

Warum das Taille-Hüft-Verhältnis aussagekräftiger als der BMI sein könnte
Einordnung der Studie und mögliche Einschränkungen
Die Untersuchung profitiert von einer großen, repräsentativen Stichprobe und einer umfassenden Adjustierung möglicher Störfaktoren, einschließlich BMI, Ernährung, Lebensstil und Laborparametern. Kausale Zusammenhänge lassen sich aus den Ergebnissen jedoch nicht ableiten. Es bleibt unklar, ob ein hoher LAP tatsächlich zu einer geringeren Knochendichte führt oder ob umgekehrt eine niedrige Knochendichte mit metabolischen Veränderungen einhergeht, die den LAP beeinflussen. Medikamente oder hormonelle Faktoren könnten das Ergebnis beeinflusst haben. Kurzum: Es braucht weitere Studien. Nichtsdestotrotz könnte der LAP-Wert künftig als früher, einfach messbarer Risikomarker für Osteoporose dienen.