Allergien erleben seit vielen Jahren Hochkonjunktur. Juckende Augen oder heftige Niesanfälle sind dabei noch die harmlosesten Symptome. Schlimmer sind Asthma-Anfälle oder Kreislaufprobleme. Da kann die lang geplante Marathon-Teilnahme schon mal ins Wanken geraten. Aber wie gefährlich sind Allergien? Und wie können wir trotz Heuschnupfen und umherwehenden Birkenpollen Sport treiben? Wir haben einen renommierten Allergie-Experten gesucht und ihn mit Prof. Dr. Randolf Brehler gefunden.
Fast jeder dritte Deutsche leidet unter einer Allergie, Tendenz steigend. So hat sich die Anzahl der Allergiker seit 2008 nahezu verdoppelt. Über die Gründe wird spekuliert. auch der Klimawandel gilt als möglicher Faktor, denn der Pollenflug ist in heißeren Monaten deutlich stärker und beginnt auch immer früher. Einige Allergiker klagen bereits Ende Februar über erste Symptome, in Großstädten bleiben zudem Ruß- und Feinstaubpartikel auf den Pollen haften. So wird das Immunsystem zusätzlich gereizt. Sportliche Events wie Marathonläufe, aber auch alltägliches Training wie die Joggingrunde oder das Fußballspielen im Park werden dann schnell zur Qual.
Allergien sind keine Frage des Alters
Obwohl junge Erwachsene besonders häufig betroffen sind, können Allergien in jedem Lebensabschnitt entstehen – aber auch wieder verschwinden. „Aktuell beobachten wir, dass viele ältere Menschen plötzlich eine Allergie entwickeln. Möglicherweise hat das etwas mit unseren Ernährungsgewohnheiten oder übertriebener Hygiene zu tun. Welche Faktoren dabei genau eine Rolle spielen, ist aber noch nicht abschließend geklärt“, erklärt Prof. Dr. Brehler von der Uniklinik Münster gegenüber FITBOOK.
Was sind typische Symptome einer Allergie?
Natürlich zeigt jeder Mensch individuelle Symptome, die auch von der Intensität der Allergie abhängen. Häufige Anzeichen einer Allergie sind:
- eine laufende Nase
- starke Niesattacken
- Atembeschwerden
- Müdigkeit
- juckende Augen
Ist Sport mit einer Allergie gefährlich?
„Grundsätzlich ist Sport auch bei Allergien zu empfehlen“, so Prof. Brehler. Denn das Training beuge nicht nur Übergewicht, Bluthochdruck oder Diabetes vor. „Auch die Lunge profitiert. Und eine kräftige Lunge wird besser mit den Symptomen einer Allergie fertig.“ Aber: „Allergiker müssen ihre individuelle Belastungsgrenze kennen und das Training entsprechend anpassen.“
Beispiel Heuschnupfen: Birkenpollenallergiker, die im Frühjahr draußen Sport treiben, leiden häufig unter starken Beschwerden wie einer laufenden Nase oder sogar Atemnot. Werden diese Symptome nicht frühzeitig oder konsequent behandelt, können chronische Lungenbeschwerden entstehen. „Vor dem Sport sollten daher bronchialerweiternde Medikamente inhaliert werden“, sagt Prof. Brehler.
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Sport und Allergie: Bei welchen Symptomen zum Arzt?
Juckende Augen oder andauerndes Niesen sind zwar nervtötend, aber nicht gefährlich. Diese Symptome können gut mit freiverkäuflichen Arzneimitteln, sogenannten Antihistaminika, behandelt werden. „Bei sehr ausgeprägten Beschwerden wie Atemnot sollte aber immer ein Allergologe aufgesucht werden“, betont Prof. Brehler. „Der Arzt kann mit einem Hauttest oder einer Blutuntersuchung auslösende Allergene identifizieren und klären, ob eine spezifische Immuntherapie (früher auch Hyposensibilisierung genannt) Linderung verschaffen kann.“
Bei einer typischen Pollenallergie können Nasenduschen oder der Verzicht auf Nikotin schon eine Menge bewirken. Auch die Bettwäsche sollte während der Pollenflugzeit möglichst häufig gewechselt werden.
Hilft bei Allergien eine Spritze vom Arzt?
Und wenn all das nicht hilft? Besonders vor einem Sport-Event oder dem lang ersehnten Urlaub wünschen sich viele Allergie-Geplagte eine schnelle Lösung. Eine Spritze vom Arzt, die die Symptome zuverlässig lindert, ist dann eine mögliche Alternative. „Diese Kortison-Spritzen können allerdings erhebliche Nebenwirkungen haben“, warnt Prof. Brehler. Als Folge der Therapie könne es zu Abszessen kommen, bei Langzeitbehandlung unter anderem zu einem verstärkten Knochenabbau. „Von intramuskulären Injektionen mit Depot-Kortison-Präparaten muss deshalb strikt abgeraten werden.“ Vorzuziehen sind, wenn wirklich nötig, Kortikosteroid-Tabletten, die dann über einen kurzen Zeitraum eingenommen werden.
Welchen Einfluss hat die Ernährung auf meine Allergie?
Wer Walnüsse, Milchprodukte oder bestimmte Früchte nicht verträgt, hat häufig eine Lebensmittelallergie. Ein nervöser Magen, Übelkeit und Durchfall sind mögliche Folgen, die sportliches Training dann unmöglich machen. Besonders bei der sogenannten Wheat-Dependent Exercise-Induced Anaphylaxis (WDEIA) ist Vorsicht angebracht. Hierbei handelt es sich um eine Allergie gegen ein bestimmtes Weizenprotein. Sportler mit dieser Allergie, die innerhalb von rund zwei Stunden nach dem Verzehr weizenhaltiger Lebensmittel trainieren, müssen mit Quaddelbildung, Luftnot und Kreislaufproblemen rechnen.
Allergien frühzeitig verhindern
Doch nicht immer ist der Verzicht auf bestimmte Lebensmittel richtig. „Früher wurde angenommen, dass der Verzicht auf Fisch oder Erdnüsse Allergien verhindert“, so Prof. Brehler. „Heute wissen wir, dass sich das Immunsystem mit diesen Allergenen auseinandersetzen muss, um so eine Toleranz zu entwickeln.“
Damit sollte idealerweise nach dem vollendeten 4. Lebensmonat begonnen werden. „Säuglinge sollten die ersten vier Monate voll gestillt und dann über die Beikost möglichst viele verschiedene Lebensmittel zu sich nehmen. So kann der Entstehung von Allergien frühzeitig vorgebeugt werden.“ Und: „Wer seinen Körper kennt, Belastungsgrenzen realistisch einschätzen kann und sich von einem kompetenten Allergologen beraten lässt, kann seine Allergie gut in den Griff bekommen“, betont Prof. Dr. Brehler.
Im Zweifelsfall, rät der Experte, sollte man schnellwirkende Medikamente mitnehmen und sich so für einen Notfall absichern. Dann mache auch der Sport wieder Spaß.