2. Oktober 2024, 4:28 Uhr | Lesezeit: 12 Minuten
Am 29. September 2024 feierte der Berlin Marathon, einer „der Großen“, sein 50. Jubiläum. Und ich mein Debüt als Marathonläuferin – trotz Übergewicht. Neun Monate Training, viele neue Erkenntnisse und Anpassungen des Trainingsplans … Aber auch so manche Rückschläge. So sah die „zweite Halbzeit“ meiner Vorbereitung aus.
Nachdem ich in meinem ersten Bericht von den Anfängen meiner Marathon-Vorbereitung, der ersten Euphorie, aber auch einigen Dämpfern berichtete, gebe ich jetzt Einblicke auf die zweite Etappe meines Trainings – bis hin zum Endspurt, bei dem ich kurz vor dem Wettbewerb fast noch aufgegeben hätte.
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Marathon trotz Übergewicht: Auch die zweite Etappe meiner Vorbereitung hatte es in sich
„Ich will auf jeden Fall mindestens einen Marathon laufen, bevor ich 35 bin.“ Das habe ich jedes Jahr aufs Neue gesagt– seit ich Anfang 20 bin. Und jedes Jahr aufs Neue habe ich gefühlt eine Million Gründe gefunden, warum es dieses Jahr leider doch nicht klappt. Im vergangenen Jahr hatte ich die Nase voll von meiner Aufschieberitis. Und habe beschlossen: Ich setze alles auf eine Karte und nehme am Losverfahren für einen Startplatz beim Berlin Marathon teil.
Long story short: Im Dezember 2023 kam die Zusage. Jetzt war klar: Ab Januar 2024 heißt es: Training, Training, Training. Wie der erste Teil meines Trainings – inklusive einer ersten Halbmarathonstrecke bei den long runs – gelaufen ist, habe ich bereits geschildert. Jetzt möchte ich Ihnen zeigen, wie mein Training anschließend weiter verlaufen ist und inwiefern ich meine Vorbereitung angepasst habe, um trotz Übergewicht meinen ersten Marathon laufen zu können.
„Zweite Halbzeit“ und Lampenfieber: Mein Marathon-Training und die letzten Tage vorm Start
Bereits während der ersten Monate hat sich gezeigt: Gerade als Laufanfänger und/oder als Läufer mit (starkem) Übergewicht sollte man lieber mehr Zeit – und damit potenziell auch Puffer – einplanen als die zwölf bis 16 Wochen, die im Internet häufig als „ausreichend“ bezeichnet werden. Hier lohnt es sich nämlich, genauer hinzuschauen: Häufig richten sich diese Empfehlungen an erfahrene Läufer, die beispielsweise schon mindestens die Halbmarathondistanz (21 Kilometer) das ein oder andere Mal gelaufen sind.
Falls Sie also Ihren Trainingsplan selbst erstellen wollen, statt sich einen erfahrenen Coach an die Seite zu holen – ein ausführliches Gespräch zumindest mit dem Hausarzt würde ich dennoch empfehlen –, sollten Sie auf jeden Fall ausreichend Zeit einplanen. Denn gerade als Anfänger kann man gefühlt gar nicht genug trainieren.
Für mich lief die erste Hälfe der Trainingszeit recht gut, trotz kleinerer Rückschläge und Pausen in Form von Erkältung und Messebesuchen. Auch mein erster Lauf mit über 20 Kilometern, der ziemlich genau zur „Halbzeit“ meiner Vorbereitung angestanden hatte, war überraschend gut gelaufen: 23 Kilometer in ca. drei Stunden und 20 Minuten. Das ist keine schnelle Zeit. Zum Vergleich: 2023 war die schnellste Frau beim Berlin Marathon, Tigist Assefa aus Äthiopien, schon nach zwei Stunden und elf Minuten fertig mit den 42 Kilometern.1
Aber darum ging es ja für mich auch gar nicht. Für mich ging es in diesem Jahr einzig und allein um Folgendes: Überhaupt in der Lage zu sein, am 29. September trotz Übergewicht meinen ersten Marathon zu laufen. Und das verletzungsfrei und innerhalb der offiziellen Zeitzählung. Damit ich mich auch ganz offiziell „Finisher“ nennen darf.
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Aufgeben ist keine Option!
„Ich werde diesen Marathon erfolgreich beenden. Aufgeben ist keine Option!“ Das sollte mein Mantra werden. Nicht nur bei den immer länger werdenden Sonntagsläufen, sondern später auch während des Marathons. Das hatte ich mir fest vorgenommen. Und das war auch gut so.
Denn während die ersten Monate relativ gut über die Bühne gingen, waren die Monate – und vor allem Wochen und Tage – kurz vor dem Wettkampf echt heftig. Zwar habe ich viel gelernt. Aber ich musste auch mit einigen Rückschlägen kämpfen, die mir vor allem mental zu schaffen gemacht haben. Denn: Ja, ein Marathon ist verdammt anstrengend für den Körper – vor allem, wenn man ihn mit Übergewicht läuft. Aber es ist auch für den Kopf eine ziemliche Herausforderung. Vor allem, wenn man vorher schon weiß, dass man wahrscheinlich zwischen fünf und sechs Stunden unterwegs sein wird.
Trainingsanpassung und Meal-Timing – diesmal nahm ich die Änderungen frühzeitig vor
Es war also mal wieder Zeit für eine neue Etappe im Trainingsplan. Eigentlich hätten es vier Läufe pro Woche sein sollen:
- zwei eher lockere Läufe,
- ein Intervalllauf und natürlich
- der lange Sonntagslauf.
Da es mir immer noch schwerfiel, mehr als dreimal pro Woche laufen zu gehen – obwohl sich mein Körper schon wesentlich besser und schneller von den Läufen erholen konnte –, beschloss ich, stattdessen das Fußballtraining als Intervalllauf anzusehen. Und dafür den Fokus stärker auf die langsamen und die langen Läufe zu legen.
Ich band anderen Sport in die Vorbereitung mit ein
Das hatte folgenden Grund: Ich wollte nicht gänzlich auf Fußball verzichten, weil ein bisschen Sozialleben sollte schon noch da sein. Und so ließen sich Training und Sozialleben sehr gut kombinieren. Außerdem ist es schön, auch eine Art Ausgleichstraining zum reinen Laufen zu haben. Andere schwören da beispielsweise auf Schwimmen oder Radfahren, bei mir war es eben der Fußball. Außerdem sind die Intervallläufe vor allem dann relevant, wenn man seine Laufgeschwindigkeit (Pace) verbessern will, während die langsamen und die langen Läufe vor allem darauf abzielen, den Körper auf das kontinuierliche Laufen über längere Zeiträume und Distanzen vorzubereiten, ohne dass es gleich in den „Panikmodus“ verfällt.
Kurze Läufe auf nüchternem Magen, bei längeren Läufen kleine Happen essen
Auch in Sachen Meal-Timing habe ich einiges gelernt. Sowohl in Bezug auf das Essen vor dem Training als auch bezüglich der Verpflegung während des Trainings. Sich damit, am besten auch schon frühzeitig, zu befassen, ist ein oft unterschätzter Faktor in der Marathonvorbereitung. Hätte ich mich nicht mit verschiedenen Menschen aus meinem Umfeld unterhalten, die schon mal den ein oder anderen Marathon gelaufen sind, hätte ich das definitiv auch unterschätzt!
Stattdessen wusste ich nun, dass es wichtig ist, auf seinen Körper zu achten und herauszufinden, was am besten passt. Das kann tatsächlich sehr unterschiedlich sein, obwohl die grundsätzlichen Empfehlungen, die man auf eingängigen Blogs und in Ratgebern zu dem Thema finden, schon ganz gut passen. Ich habe für mich gelernt: Kürzere Läufe kann ich durchaus auch direkt morgens nach dem Aufstehen auf nüchternen Magen und ohne zusätzliche Verpflegung (außer ggfs. Wasser bei hohen Temperaturen) machen. Ob das unbedingt empfehlenswert ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Bei Läufen über zehn Kilometer habe ich mir angewöhnt, zumindest eine Kleinigkeit vor dem Lauf (idealerweise nicht direkt vorm Start, sondern mit ein bisschen Abstand) zu essen und auch während des Laufs immer mal wieder einen Happen zu mir zu nehmen – ab Kilometer sieben etwa alle fünf Kilometer, wahlweise spätestens alle 50 bis 60 Minuten.
Dafür habe ich mir unter anderem auch einen Laufrucksack mit Trinkblase zugelegt. Denn während es beim Marathon in regelmäßigen Abständen Verpflegungsstationen gibt (und somit jeder Läufer selbst entscheiden kann, ob er Eigenverpflegung mitnimmt oder sich an den Ständen bedient), ist man im Training eben auf das angewiesen, was man dabei hat.
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Marathon-Vorbereitung besteht auch Pleiten, Pech und Pannen
Das lernt man dann auch recht schnell „auf die harte Tour“, wenn man eben nicht daran denkt, sich entsprechend auszurüsten – vor allem im Hochsommer. Von allen Läufen, die ich aus irgendeinem Grund vorzeitig abbrechen musste, hingen die meisten mit zwei Dingen zusammen: Vorm Training zu viel bzw. während des Trainings zu wenig gegessen. Oder Blasen gelaufen. Ja, das waren tatsächlich Probleme, die in der zweiten Trainingshälfte überraschend häufig vorkamen.
Das war natürlich extrem frustrierend. Stellen Sie sich das mal vor: Sie trainieren seit mittlerweile fast acht Monaten, machen Fortschritte trotz Unterbrechungen in früheren Monaten … Und plötzlich laufen Sie sich immer mal wieder Blasen, wenn Sie Ihre langen Läufe absolvieren – während der Marathon immer näher rückt! Das hat mir mental ziemlich zu schaffen gemacht. Vor allem, weil ich vorher noch so stolz auf mich war, dass ich mit der Hitze im Sommer überraschend gut klargekommen war.
Denn: Sich Blasen zu laufen, hat zwei entscheidende Nachteile. Zum einen beim Lauf selbst – denn ab einem gewissen Punkt verschaffen auch die zwischenzeitlich angebrachten Blasenpflaster kaum noch Linderung und man muss den Lauf abbrechen. Und zum anderen auch nach dem Lauf. Denn die Blasen müssen natürlich erst vernünftig abheilen, bevor man wieder ins Training einsteigen kann. Auch hier hat mich letztlich gerettet, dass ich mir ganz bewusst sehr viel Zeit genommen habe, um mich trotz Übergewicht auf meinen ersten Marathon vorzubereiten.
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Während der zweiten Trainingshälfte habe ich viel für den Marathon gelernt
Alles in allem war die Zeit ab Mai also von einigen Höhen und Tiefen geprägt. Zu den Höhen zählt definitiv, dass ich an einem Punkt angekommen bin, an dem ich Distanzen bis 25 Kilometer mittlerweile relativ entspannt und ohne nennenswerten Muskelkater laufen kann. Außerdem habe ich sehr viel gelernt:
Die Lauf-Community hält zusammen
Wann immer ich beim Laufen auf andere Läufer traf, war klar: Man grüßt sich – sei es ein aufmunterndes/anerkennendes Lächeln, ein kurzes Nicken oder sogar ein „Daumen hoch“. In den wenigen Fällen, in denen mein Gegenüber nicht gegrüßt hat, konnte man meist schon von Weitem erkennen, dass die Person mit den Gedanken gerade ganz woanders ist.
Es gibt „das perfekte Wetter“
Für mich – und soweit ich das beurteilen kann auch für viele andere Läufer – sind es Temperaturen um die zehn Grad, kombiniert mit trockenem, gerne windstillem Wetter. Denn gerade bei langen Läufen ist Regen in Bezug auf das Wetter so ziemlich das Letzte, was ich gebrauchen kann. Wobei das ein enges Rennen mit „Hitze“ wird – denn die vertrage ich generell nicht so gut.
Immer genug Wasser und Verpflegung dabeihaben
Gerade bei den langen Läufen galt bei mir relativ schnell: lieber haben als brauchen. Denn wenn man erst mal den ein oder anderen eigentlich guten Lauf vorzeitig abbrechen musste, weil man keine Energie mehr hatte und keine Verpflegung dabei, trägt man lieber ein paar Gramm mehr mit sich rum, als dass das noch mal passieren könnte. Plus: Finden Sie für sich heraus, in welchen Abständen Sie einen kleinen Happen zu sich nehmen wollen oder müssen.
Blasenpflaster und ggfs. Sonnencreme dabeihaben
Sei für alle Fälle gerüstet. Denn gerade bei langen Läufen gilt: Vorsicht ist besser als Nachsicht.
Laufsocken sind ein echter Gamechanger
Hört sich total dämlich an, aber das habe ich auf die harte Tour gelernt. Nämlich, als ich mir im August – also wenige Wochen vorm Marathon – regelmäßig Blasen gelaufen habe, egal, in welchen Schuhen. Apropos Schuhe: Überprüfen Sie regelmäßig, ob Ihre Schuhe noch richtig geschnürt sind. Richtig heißt in dem Fall: nicht zu eng (weil sich der Fuß ja beim – langen – Laufen noch ausdehnt) und nicht zu locker (weil sich sonst die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Sie sich Blasen laufen).
Aus den Rückschlägen lernen
Es gab aber natürlich auch einige Tiefen, vor allem in den letzten Wochen vor dem Marathon. Dazu gehört, dass ich keinen einzigen Trainingslauf mit einer Distanz von mindestens 30 Kilometer absolviert habe. Und das nicht etwa, weil ich es nicht geschafft hätte. Sondern schlicht und ergreifend, weil ich mir – wie oben erwähnt – dauernd Blasen gelaufen hatte. Dass ich mir letztlich hochwertige Laufsocken gekauft habe, hat auf jeden Fall geholfen, dieses Problem künftig zu umgehen.
Trotzdem hätte ich kurz vor dem Marathon beinahe gekniffen
Dennoch haben gerade diese Tiefen dazu geführt, dass ich vor allem in den letzten zwei Wochen vor dem Marathon mehrmals überlegt hatte, einfach gar nicht erst anzutreten. Wie bereits erwähnt: Der Marathon ist nicht nur körperlich eine Herausforderung, sondern auch mental.
Und vor dem Hintergrund des „ich musste meine langen Läufe in letzter Zeit fast immer abbrechen und eigentlich heißt es immer, man sollte mindestens einmal mehr als 30 Kilometer gelaufen sein“, war ich nicht gerade zuversichtlich, dass ich den Marathon auch wirklich schaffen würde.
Das hat mich nicht nur runtergezogen, sondern auch extrem nervös gemacht. Was natürlich auch dazu geführt hat, dass plötzlich auch ständig Fragen aufploppten wie: „Was ist, wenn ich ausgerechnet jetzt krank werde?“, „Was ist, wenn ich mich ausgerechnet in einem der letzten Trainings verletze oder mir furchtbare Blasen laufe?“ oder „Was ist, wenn ich am Tag X schon nach wenigen Metern aufgeben muss?“
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Ich habe nicht aufgegeben – der Marathon konnte nach neun Monaten Vorbereitung endlich kommen
Doch dann habe ich mich immer wieder an mein Mantra erinnert: „Ich werde diesen Marathon erfolgreich beenden. Aufgeben ist keine Option!“ Und mir vorgestellt, wie es wohl sein würde, wenn ich dann endlich die Ziellinie überquere. Wie es sein würde, die Medaille umgehängt zu bekommen und voller Stolz sagen zu können: „Ich hab’s geschafft. Trotz Übergewicht habe ich meinen ersten Marathon gerockt!“ Das das wäre etwas, was mir definitiv niemand mehr würde nehmen können.
Also habe ich mir auch meinen Weg noch mal angesehen: Wie sehr ich mich gefreut habe, als die Startplatz-Bestätigung kam. Wie viel ich trainiert und gelernt habt. Wie mich auch Rückschläge nicht daran gehindert haben, weiterzumachen. Wer würde denn jetzt noch kneifen?
Long story short: Das Training mit all seinen Höhen und Tiefen sollte nicht umsonst gewesen sein. Jetzt gab es nur noch zwei Dinge, die mich von meinem Marathon-Traum trennten: Die Startnummer abholen gehen und am Wettkampftag die 42 Kilometer durch Berlin genießen, damit ich dann wirklich ganz offiziell ein Marathon-Finisher bin!
Wie mein erster Marathon am Ende gelaufen ist, erfahren Sie im nächsten Teil meines Erfahrungsberichts als übergewichtige Marathonläuferin.
Disclaimer: Wenn Sie Laufanfänger, (stark) übergewichtig und/oder chronisch krank sind und dennoch ebenfalls gerne einen Marathon laufen wollen – das können Sie! Allerdings sollten Sie unbedingt mit Ihrem Arzt darüber sprechen. Er kann Ihnen genau sagen, was Sie beim Training beachten sollten.