
4. Juli 2025, 11:08 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wie viel mentale Stärke braucht der Profifußball? Nationalspielerin Laura Freigang spricht im Interview mit FITBOOK-Redakteurin Sophie Brünke offen über Drucksituationen, Diäterfahrungen und die Herausforderungen im Trainingslager vor der EM 2025. Dabei zeigt sie: Rückschläge gehören dazu – doch sie definieren nicht, wer man ist. Ein ehrliches Gespräch über Körperbilder, Teamgeist und die Kraft, sich selbst treu zu bleiben.
Laura Freigang gehört zu den prägenden Gesichtern des deutschen Frauenfußballs. Die gebürtige Kielerin steht seit 2020 bei Eintracht Frankfurt unter Vertrag und hat sich in der Bundesliga als torgefährliche Offensivspielerin etabliert. Auch im Nationalteam ist sie seit ihrem Einstand 2020 eine feste Größe im Sturm: Freigang erzielte in ihren ersten zehn Länderspielen neun Tore – ein beeindruckendes Debüt. Im Interview mit FITBOOK gibt die 27-Jährige Einblicke in die Anforderungen im Trainingslager, ihren Umgang mit Rückschlägen im Profifußball und teilt offen ihre Erfahrungen mit Diäten. Das Gespräch fand im Rahmen eines Events von Lidl statt – dem offiziellen Partner der UEFA Women’s EURO 2025.
Übersicht
FITBOOK: Frau Freigang, Sie stehen im Kader für die diesjährige Fußball-Europameisterschaft. Was ist das für ein Gefühl?
Laura Freigang: „Ich hatte bereits die Gelegenheit, an einigen Turnieren teilzunehmen, und das sind einfach die absoluten Highlights eines Jahres – abgesehen vom Vereinsfußball. Solche Turniere sind das Größte, was man in einer Karriere erleben kann. Es ist etwas Besonderes, weil nicht nur die Spielerinnen zusammenkommen, sondern auch die Fans, die dieses Event gemeinsam feiern. Nach jedem dieser Turniere hat sich mein Leben verändert – man weiß vorher, dass etwas passieren wird, aber nicht, was genau.“
Sie waren 2022 bereits dabei und wurden Vize-Europameisterin. Was muss sich ändern, damit es diesmal zum Titel reicht?
„Für einen Titel muss alles passen. Oft entscheiden Kleinigkeiten. Für deutsche Teams war Teamgeist schon immer essenziell – der Zusammenhalt, die Bereitschaft, gemeinsam über Grenzen zu gehen. Diese Basis haben wir. Entscheidend ist, das im Turnier auch auf den Platz zu bringen und ein Selbstverständnis zu entwickeln. Damals in England (EM 2022, A. d. R.) haben wir uns in einen Rausch gespielt und so das Finale erreicht – obwohl man uns das vorher nicht unbedingt zugetraut hatte. Bei der Weltmeisterschaft hingegen haben viele mit uns gerechnet, aber wir konnten es nicht umsetzen. Es geht also darum, im richtigen Moment die Leistung abzurufen.“
„Die härtesten Einheiten sind keine fußballspezifischen“
Wie hart ist das Training unter Bundestrainer Christian Wück? Gibt es Einheiten, auf die Sie gerne verzichten würden?
„Christian ist in der Luxusposition, dass wir alle fit aus unseren Vereinen zur Nationalmannschaft kommen. Die härtesten Einheiten sind deshalb keine fußballspezifischen, sondern Ausdauerläufe, bei denen man einfach 50 Minuten lang geradeaus rennen muss, oder Krafttraining. Viele waren zwölf Tage im Urlaub und haben sich in dieser Zeit individuell vorbereitet. Die ersten Tage im Trainingslager sind sicherlich anstrengend, aber das kennen wir. Der Fokus liegt dann auf Taktik und Teambuilding.“
Sie erwähnten 50 Minuten Laufen – gibt es konkrete Vorgaben, wie Sie im Urlaub trainieren sollen?
„Ja, ich bekomme einen individuell abgestimmten Trainingsplan mit klaren Vorgaben. Das können Sprints, Bergsprints oder Intervallläufe sein. Oft sind Geschwindigkeiten in Kilometern pro Stunde oder Pulsbereiche angegeben. Das Krafttraining hängt von den Möglichkeiten vor Ort ab, deckt aber Schnellkraft, Sprints, Ausdauer und allgemeine Kraft ab.“
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„Alles, was ich im Kraftraum mache, soll mir auf dem Platz helfen“
Wie sieht Ihr Krafttraining konkret aus?
„Ich mache aktuell viel Schnellkrafttraining, das ich dann auf dem Platz umsetzen kann. Klassische Übungen wie Kreuzheben, Kniebeugen, Sprünge, aber auch Oberkörpertraining – es ist alles dabei. Alles, was ich im Kraftraum mache, soll mir auf dem Platz helfen. Es geht mir nicht um Muskelmasse, sondern um funktionale Kraft.“
Was unterscheidet das Training mit der Nationalmannschaft vom Klubtraining?
„Wir sind aktuell noch nicht im Trainingslager, daher kenne ich den genauen Plan nicht. Aber ich erwarte viele taktische Einheiten und eine professionelle Steuerung der Belastung – über Puls, GPS, Geschwindigkeit und Sprintanzahl. Selbst während einer Einheit wird je nach Intensität flexibel angepasst. Es ist wirklich sehr professionell.“
„Ich verbiete mir nichts“
Wie sieht Ihre Ernährung im Alltag aus?
„Ich achte darauf, so bunt wie möglich zu essen – viel Obst, Gemüse, Kohlenhydrate und Proteine. Bei der Nationalmannschaft haben wir eigene Köche, im Verein gibt es mittlerweile auch ein Catering. Ich verbiete mir nichts, das funktioniert für mich nicht – ich achte einfach auf eine ausgewogene Ernährung.“
Und was landet an Spieltagen auf Ihrem Teller?
„Vor dem Spiel achte ich auf leicht verdauliche Kost. Ich habe keine feste Routine, sondern esse, womit ich mich gut fühle. Die eigentliche Energieladung passiert schon zwei Tage vorher – wir sagen immer ‚Matchday minus zwei’. Die ist klassisch, mit vielen Kohlenhydraten.“
Und in der Halbzeit?
„Meist trinke ich nur Wasser. Wenn es besonders anstrengend oder heiß ist, nehme ich auch mal ein Energiegel – mit einfachem Zucker zur schnellen Energiezufuhr.“
„Strikte Diäten bringen auf Dauer nichts“
Gab es in Ihrer Karriere Phasen, in denen Sie Diäten ausprobiert haben?
„Ich habe so gut wie alles ausprobiert – besonders als junge Frau. Man vergleicht sich viel, will seinen Körper optimieren. Gerade im Leistungssport wird man ja auch an seinem Körper gemessen. Ich habe aus meinen Erfahrungen gelernt: Strikte Diäten bringen auf Dauer nichts. Für mich funktioniert eine bewusste, ausgewogene Ernährung ohne Verbote am besten. Der Körper sendet Signale, und auf die versuche ich, zu hören.“
Zwischen den Gruppenspielen sind nur wenige Tage zum Regenerieren. Steigen Sie wie Per Mertesacker in die Eistonne oder haben Sie ein eigenes Ritual?
„Bei uns ist Klara Bühl (Mittelfeldspielerin von Bayern München, A. d. R.) für die Eistonne zuständig – da steige ich aber auch ab und zu rein. Mir hilft es, mich nach großen Belastungen zu bewegen – etwa auf dem Fahrrad oder durch leichtes Ausschütteln. Manche gehen lieber in die heiße Badewanne. Wir werden zudem gut von unseren Physiotherapeuten betreut – alles, was man zur Regeneration braucht, ist vorhanden.“

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»Rückschläge gehören dazu – sie bestimmen nicht, wer ich bin
Im Olympia-Halbfinale 2024 verpassten Sie kurz vor Ende eine Kopfballchance, die der Mannschaft noch den Einzug ins Finale ermöglicht hätte. Wie gehen Sie mit solchen Rückschlägen um?
„Ich möchte in dem, was ich tue, erfolgreich sein. Natürlich gibt es frustrierende Momente, aber ich erinnere mich daran, dass mich das nicht definiert. Am Ende des Tages war das eine Kopfballsituation, die halt nicht geklappt hat. Es gab nach schwierigen Phasen auch viele schöne Erlebnisse in meiner Karriere. Solche Rückschläge gehören dazu – sie bestimmen nicht, wer ich bin.“
Das sind starke Worte. Möchten Sie jungen Frauen im Sport eine Botschaft mitgeben?
„Hört auf euch selbst! In einer Welt voller äußerer Einflüsse, besonders über Social Media, ist es schwer, bei sich zu bleiben. Aber genau das ist wichtig. Vertraut euren eigenen Empfindungen. Es ist ein Prozess, den ich auch immer wieder durchlaufe.“