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10km in unter 45 Minuten

Lauf-Challenge, Teil 2 – ein höllischer Funktionstest

Seilspringen für die Fußarbeit, Regenläufe für die mentale Härte: Lauftraining ist abwechslungsreich! Und anstrengend…
Seilspringen für die Fußarbeit, Regenläufe für das richtige Mindset: Auf FITBOOK-Redakteurin Anna wartet jede Menge Arbeit. Foto: Instagram @annikri
Anna Echtermeyer
Redakteurin

13.03.2020, 19:43 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Unsere Redakteurin will im Oktober 10 Kilometer in unter 45 Minuten laufen. Und weil der beste Moment, um mit etwas Neuem zu beginnen, immer jetzt ist, fällt Annas erstes Lauftraining mit dem Profi-Coach nicht aus, sondern ins Wasser, aber so richtig. Außerdem erwartet euch in dieser Folge ein höllischer Funktionstest – und wir erfahren, warum man beim Laufen erst die Langsamkeit entdecken muss, damit man schneller wird.

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Es ist kalt und regnet und ist eklig, als ich um kurz vor halb eins am vereinbarten Treffpunkt bin. Der Platzwärter in seinem muckeligen Glaskasten, von dem aus er das Laufstadion des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks überblickt, packt sich ein dickes Schinkenbrot aus. Das wird ein ruhiger Tag – wer macht bei dem Wetter schon Lauftraining? Als er gerade zum ersten beherzten Biss ansetzt, nicke ich ihm zu. Nun… eventuell ich?! 

Heute lerne ich meinen Coach Egidijus Pranckus (39) kennen. Um beim ersten Lauftraining nicht den Eindruck zu vermitteln, schon bei Widrigkeiten durch das Wetter einzuknicken, habe ich stillgehalten, insgeheim aber auf eine Absage gehofft. Vergebens. Denn schon tritt ein großer Mann in sonnengelber Regenjacke schwungvoll durch die Tür. Es ist Egidijus – und die Stoppuhr in seiner Hand verrät mir, dass hier und heute nicht gekniffen wird.

Heftigen Regen beim Training findet der Coach „super“

„Das Wetter ist ein super Omen“, erklärt er mir. Leute, die unter diesen Umständen anfangen, würden ihr Ziel meistens erreichen. Ich freue mich über diese Wertschätzung und laufe motiviert los. Wohlfühltempo, keine Zeitvorgabe. 

Nach einer Runde sind meine Haare nass, nach der zweiten suppt es durch mein Fließoberteil auf die Haut. Nach 15 Minuten muss ich an die Merci-Werbung denken, in der jemand im strömenden Regen hinter einem Auto herrennt, um eine Kleinigkeit durch den Fensterschlitz zu schieben. Das Laufen im Stadion hat den Nachteil, dass man sich gedanklich ganz schön was einfallen lassen muss, um nicht genervt zu sein. In einer der Kurven hat sich eine tiefe Pfütze gebildet, die ich Runde für Runde mit einem großen Sprung nehmen muss. Auf den folgenden 20 Stadionrunden habe ich jede Menge Gelegenheiten, an diesem Hindernis meinen Erschöpfungszustand abzulesen. Die Sprünge zirkeln sich immer knapper um die Pfütze und am Ende hopse ich voll ins Nass. Das ist das Resultat eines Anfängerfehlers, denn natürlich bin ich viel zu schnell losgelaufen um zu zeigen, was in mir steckt. 

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Mein Laufstil? Kraftsparend, aber etwas trampelig

Auch Egidijus arbeitet gründlich: Er lässt mich satte 45 Minuten laufen, in denen er mich nonstop beobachtet. „Ist es arg schlimm?“, will ich pudelnass nach dem Training wissen. Seine Notizen attestieren mir eine kraftsparende, ökonomische, dennoch ineffiziente – weil trampelige – Art zu laufen. Er spricht bewusst nicht von Laufstil, denn dieser müsse, wie übrigens bei fast allen erwachsenen Läufern, erst entwickelt werden. Ganz anders übrigens bei Kindern, die die natürliche Bewegung (Vorfußlauf oder Ballengang) beim Laufen noch haben, erklärt Egidijus. Später fallen die meisten von uns auf die gesellschaftlich antrainierte Fersengangart zurück.

Bei mir kommen weitere Baustellen dazu: eine zu starke Rotation im Oberkörper und schlackernde Arme (das verschleudert unnötig Kraft) – sowie eine leicht rotierende Hüfte. Das ist zurückzuführen auf eine leichte X-Bein-Stellung, die wiederum mit einem stark ausgeprägten Hallux Valgus am rechten Fuß zusammenhängt. „Viel zu tun“, sagt Egidijus. „Aber du hast Power. Wir kriegen das hin.“ Balsam auf meiner Giraffen-Seele… (die haarsträubende Story dazu könnt ihr im ersten Teil der Kolumne nachlesen). Bei diesem Coach bin ich ganz offenbar in besten Händen!

Meine Beine. Seine Regeln. Machen müssen, was ein Trainer sagt – ein komisches Gefühl

Und er ist jemand, an den ich Verantwortung für das Lauftraining abgeben kann – eine Erfahrung, die für mich (in der Konstellation als Athletin) ganz neu ist. Ich wurde nämlich eher zu Unabhängigkeit und Selbstständigkeit erzogen als zu Bindung und Verantwortung. Beim Laufen zeigt es sich beispielsweise darin, dass ich schon gemeinsames Joggen mit anderen (es gibt wenige Ausnahmen, diejenigen wissen, dass sie gemeint sind) als Einschränkung empfinde. Große Laufgruppen sind ein rotes Tuch für mich. Wie können ein Dutzend Läufer miteinander kompatibel sein, sodass jeder auf seine Kosten kommt? Mir ist das ein Rätsel. Also habe ich beim Laufen bislang immer mein eigenes Ding gemacht. Meine Beine. Meine Regeln.

Aber jetzt befinde ich mich in einer neuen Konstellation: Jemand anderes macht die Regeln, nach denen ich laufe. Mein Coach hat das Know-how, der Schüler führt aus. Weil das aber auch in Eigenverantwortung passiert, basiert das Verhältnis auf gegenseitigem Vertrauen: Bei den vielen Trainingsläufen, die ich in Zukunft alleine absolvieren werde, ist der Coach darauf angewiesen, dass ich seine Vorgaben sauber abarbeite. Mit anderen Worten: Egidijus muss sich sicher sein, dass ich mir bei Intervallläufen ordentlich einschenke, um Trainingsreize zu setzen. 

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Kraftausdauer-Check aus der Hölle

Diese Chance bietet sich ihm schon zwei Wochen später beim Funktionstest. Das Wort klingt deutlich harmloser als die Aufgaben, die sich dahinter verbergen. Egidijus möchte wissen, wie es um meine Kraftausdauer steht. Zunächst in den Beinen, um die geht es beim Laufen ja hauptsächlich: tiefe Kniebeugen halten, 6 x 30 Sekunden sowie tiefe Ausfallschritte halten, 6 x 30 Sekunden pro Bein.

Für 60 Hochstrecksprünge notiert Egidijus 2:43 Minuten. Und wer jetzt easy! denkt: Gezählt werden nur die Wiederholungen, die sauber, also tief genug aus der Hocke, ausgeführt werden. „Ist schon ganz ok. Aber gestern hat das ein Athlet in 1:42 Min. gemacht.“ Kawumm. Da versucht jemand meinen Ehrgeiz zu wecken. 

Als Nächstes soll ich Anfersen, das ist eine Übung aus dem Lauf-ABC, bei der man die Hacke im Rhythmus einer Nähmaschine zum Po bringt. Leider kommt es nicht dazu: Meine Füße kleben wie Pattex am Boden und die Muskulatur Po-abwärts hat nichts mehr entgegenzusetzen. So muss sich ein schön aufgegangener Hefeteig anfühlen, der kräftig auf die Arbeitsfläche geknallt wurde. Elastisch und luftleer. Egidijus schaut mich ungläubig an, dann notiert er „Null“ in sein Heft. Immerhin: In den Disziplinen Mobility und Rumpfstabilität (bestehend aus Übungen für Bauch und Rücken) bekomme ich ein „Gut“.

Am Anfang stehen Dauerläufe mittlerer Intensität

Und läuferisch? In dieser ersten Trainingsphase auf dem Weg zu meinem Ziel, die 10 Kilometer in unter 45 Minuten zu laufen, geht es noch nicht darum, schneller zu werden, erklärt mir Egidijus. Im Gegenteil: Ich müsse zunächst ein Gefühl für die Langsamkeit entwickeln und mit damit einhergehend einen guten Laufstil erarbeiten: die Koordination zwischen Armen und Beinen, die Fußgelenkarbeit, das richtige Heben der Knie und so weiter…

So stehen am Anfang lange Dauerläufe mittlerer Intensität. Die Distanzen liegen zwischen zwölf und 16 Kilometern und ich absolviere pro Woche drei davon. Die Laufgeschwindigkeit ist mehr oder weniger mir überlassen. Meine Erfahrung: Das Thema, zügig zu laufen, erübrigt sich, wenn man statt der gewohnten sechs bis sieben Kilometer auf einmal das doppelte läuft. Muss ich erwähnen, dass mir die Müdigkeit in den Knochen steckt? 

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Mini-Wettkampf am höchsten Berg von Berlin

Umso mehr wundere ich mich eine Woche nach dem Funktionstest über mich selbst: An einem Sonntagmorgen um 9 Uhr stehe ich schlotternd bei 100 Prozent Regenwahrscheinlichkeit am Start eines Mini-Wettkampfes. Beim Berliner Teufelsberg Run geht es in drei Runden rauf auf die höchste Erhebung der Stadt, insgesamt sind 10,7 Kilometer zu bewältigen und 150 Höhenmeter. Platz 16 bei den Frauen! Hoppla! Mein Tipp an alle Läufer da draußen: Schaut nicht nur nach den großen Volksläufen – sucht euch einen ganz kleinen! So eine Platzierung streichelt das Ego…

Werde ich im Kopf langsam zum Läufer? Darauf gibt es in der nächsten Folge dieser Kolumne eine Antwort. Und bis dahin lasst es bitte laufen! Und versucht erst gar nicht, zu kneifen (so wie ich). Eure Anna. 

Zu den Personen: Anna-Christina Kessler ist Redakteurin bei FITBOOK. Warum sie sich in den Kopf gesetzt hat, die 10 Kilometer in unter 45 Minuten zu laufen, könnt ihr hier nachlesen (Warum ich 10 Kilometer in unter 45 Minuten laufen will – Teil 1). Und wer mehr von ihrem Läuferinnen-Alltag mitbekommen möchte, kann ihr auf Instagram folgen.

Egidijus Pranckus
Athletik-Trainer Egidijus Pranckus wird Anna in den nächsten Monaten Beine machen Foto: Thomas Schermer

Egidijus Pranckus (39) ist Sportwissenschaftler und erfahrener Athletiktrainer. Er ist viermaliger Betreuer des deutschen Leichtathletik-Nationalteams, seine Athleten nehmen an Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften teil. Außerdem leitet er das Langstrecken-Training beim SCC Berlin (für den u.a. Gina Lückenkemper sprintet). 

Wie habt ihr die Liebe zum Laufen entdeckt? Oder seid ihr gerade dabei? Wie geht ihr mit Frust und Leistungstiefs im Training um? Was auch immer ihr zum Thema loswerden wollt, ab damit an info@fitbook.de.

Themen: Challenge Laufen
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