
24. Juni 2025, 19:01 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Krafttraining ist nicht gleich Krafttraining. Man kann mit viel Gewicht und weniger Wiederholungen sowie weniger Sätzen pro Übung arbeiten, oder im Gegenteil, mit weniger Gewicht, dafür mehr Wiederholungen und Sätzen. Besonders für Menschen, die mit Kraft- und Muskeltraining neu beginnen, stellt sich die Frage: Wie sieht das optimale Trainingsvolumen aus? Eine Studie liefert nun Hinweise auf die effektivste Menge an Trainingssätzen und kam u. a. zu dem Ergebnis, dass es dabei auch ein Zuviel gibt.
Mehr bringt mehr – aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Wer im Krafttraining möglichst viel Muskelmasse aufbauen oder stärker werden will, fragt sich oft: Welche Anzahl von Sätzen pro Trainingseinheit ist wirklich effektiv? Eine neue Meta-Analyse aus den USA hat genau diese Frage untersucht – und kommt zu einem überraschenden Ergebnis. Die Wissenschaftler fanden nämlich auch Hinweise auf einen abnehmenden Nutzen bei sehr hohem Satzvolumen pro Einheit. Doch der optimale Wert hängt davon ab, ob man Muskeln aufbauen oder Kraft steigern will.
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Übersicht
Wie beeinflusst das Trainingsvolumen Muskelwachstum und Kraftzuwachs?
Frühere Studien hatten bereits Hinweise dafür gefunden, dass ein höheres Trainingsvolumen mit mehr Muskelwachstum und Kraftzuwächsen einhergeht – allerdings mit abnehmendem Nutzen ab bestimmten Schwellenwerten. Diese Untersuchungen hatten sich bislang vor allem mit dem Volumen innerhalb einer Trainingswoche beschäftigt.1,2
Die Forscher der Florida Atlantic University nahmen nun das Trainingsvolumen, sprich die Anzahl an Sätzen, einer Einheit in den Fokus. Mit Einheit ist eine einzelne Trainingseinheit (bzw. ein Workout), die einen bestimmten Muskel trainiert, gemeint. Die Wissenschaftler suchten also eine Antwort auf die Fragen: Wie viele Sätze in dieser spezifischen Einheit sind optimal für Muskelwachstum oder Kraftzuwachs? Gibt es eine Obergrenze pro Einheit, ab der zusätzliche Sätze keinen messbaren Mehrwert liefern?
Dafür betrachteten die Forscher nicht nur die Anzahl von absolvierten Sätzen einer Übung, sondern auch differenziert, ob die beanspruchten Muskeln direkt (z. B. Bizeps bei Curls) oder indirekt, auch fraktional (z. B. Bizeps bei Klimmzügen), trainiert wurden. Diese Unterscheidung ist entscheidend für die Aussagekraft über die tatsächliche Belastung des Zielmuskels.
Direkter vs. fraktionaler Satz
Zum Verständnis hier ein kleiner Exkurs zu den verschiedenen Typen von Trainingssätzen:
Ein direkter Satz ist ein Trainingssatz, bei dem der trainierte – oder im Fall dieser Studie gemessene – Muskel (z. B. der Bizeps) eindeutig der Hauptakteur (Primärmotor) der Übung ist. Oder anders: Der Muskel wird gezielt isoliert und aktiv als Hauptkraftquelle belastet. Wenn das Ziel ist, den Bizeps zu vergrößern, dann ist ein Satz Bizeps-Curls ein direkter Satz – denn dabei arbeitet der Bizeps gezielt und hauptsächlich.
Bei einem fraktionalen bzw. indirekten Satz arbeitet ein Muskel mit, übernimmt aber nicht die Hauptrolle. Wenn wir beim Beispiel des Bizeps bleiben, wären Klimmzüge oder das Langhantelrudern fraktionale Übungen. Der Bizeps wird zwar beansprucht, er wirkt aber nur unterstützend mit. Der Hauptmotor ist der Rücken.
Studiendesign und Methoden
Die Untersuchung stellte eine systematische Zusammenfassung von Studien dar, bei der auch genaue statistische Vergleiche (sogenannte Meta-Regressionen) durchgeführt wurden. Dabei hielten sich die Forschenden an internationalen Richtlinien (PRISMA), die für solche Übersichtsarbeiten empfohlen werden.3
Für die Auswertung berücksichtigte man nur Studien, in denen das Training mindestens vier Wochen dauerte und zwei Gruppen mit unterschiedlichem Trainingsumfang oder -häufigkeit verglichen wurden. Außerdem mussten die Studien zufällig eingeteilte Teilnehmergruppen enthalten, was als besonders verlässlich gilt.
Teil der Analyse waren zudem nur Untersuchungen mit gesunden Erwachsenen unter 70 Jahren. Sie hatten den Muskelzuwachs (Hypertrophie) mithilfe direkter Messmethoden wie Ultraschall, Magnetresonanztomografie (MRT) oder Muskelgewebeproben ermittelt. Für die Bewertung der Kraftzuwächse wurden Krafttests mit maximal zehn Wiederholungen einbezogen. Zudem schätzten die Wissenschaftler die Qualität jeder Studie mit einer speziellen Bewertungsmethode (TESTEX-Skala) ein.4
Das Per-Satz-Volumen des Trainings wurde wie folgt bewertet:
- Direkte Belastung: Übungen, bei denen der untersuchte Muskel im Mittelpunkt stand, zählten voll (Wert = 1).
- Indirekte oder fraktionale Belastung: Wenn der Muskel nur unterstützend aktiv war, zählte der Trainingssatz zur Hälfte (Wert = 0,5).
Die Hauptauswertungen konzentrierten sich darauf, welcher Trainingsumfang für Muskelaufbau (Hypertrophie) und welcher für Kraftzuwachs am aussagekräftigsten war. Dabei nutzten die Forschenden erweiterte statistische Methoden, die unter anderem die Trainingsdauer und den Trainingszustand der Teilnehmer berücksichtigten.
Anzahl der Sätze für Muskeln und Kraft entscheidend – aber es gibt auch ein Zuviel
Die Analyse lieferte Hinweise auf positive Dosis-Wirkungs-Beziehungen zwischen Satzanzahl pro Einheit und beiden untersuchten Trainingszielen – Muskelwachstum und Kraftsteigerung. Mit steigender Satzanzahl verbesserten sich sowohl Hypertrophie als auch Maximalkraft.
Allerdings zeigten beide Parameter auch abnehmende Ertragszuwächse mit zunehmendem Satzvolumen – ein klassisches Beispiel für das Prinzip des „diminishing returns“. Dieses erklärt, warum ein Training stagnieren bzw. man ein Trainingsplateau erreichen kann. Die Forscher bestimmten dabei den sogenannten PUOS (Point of Undetectable Outcome Superiority) – ein in früheren Studien erarbeitetes Modell, um den Punkt zu bestimmen, ab dem zusätzliche Sätze keinen weiteren messbaren Nutzen mehr bringen.
- Für Kraftzuwächse lag der PUOS bei etwa zwei direkten Sätzen pro Einheit.
- Für Muskelaufbau lag der PUOS bei rund elf fraktionalen Sätzen pro Einheit.
Das bedeutet: Während für Muskelaufbau ein deutlich höheres Satzvolumen pro Einheit vorteilhaft erscheint, reichen für Kraftzuwächse bereits wenige gezielte Sätze aus. Wichtig ist: Diese Schwellenwerte markieren nicht das absolute Maximum, sondern lediglich den Punkt, ab dem ein zusätzlicher Satz mit weniger als 50 Prozent Wahrscheinlichkeit einen messbaren Mehrwert bringt.
Wie sieht es mit der optimalen Anzahl an Wiederholungen innerhalb eines Sets aus?
Das hat uns in einem früheren Artikel bereits Sportwissenschaftler Dr. Stephan Geisler erklärt: „Es lässt sich zusammenfassen, dass das klassische Hypertrophietraining (acht bis zwölf Wiederholungen) sicher eine effektive Methode für den Muskelaufbau darstellt. Da sich der Körper allerdings sehr schnell an gegebene Belastungen anpasst, und dann vielleicht auch in Bezug auf den Muskelaufbau stagniert, wäre es sinnvoll, öfter mal (spätestens alle zwölf Wochen) sein Trainingsregime zu ändern und beispielsweise mal ein paar Wochen Maximalkrafttraining (fünf Wiederholungen) oder Kraftausdauertraining (20 Wiederholungen) durchzuführen. Denn eins ist gewiss: Viele Wege führen nach Rom bzw. zur Muskelhypertrophie!“
Welche Bedeutung haben die Ergebnisse?
Für die Trainingspraxis bedeuten die Ergebnisse: Mehr Sätze pro Einheit führen zwar grundsätzlich zu besseren Ergebnissen – aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Besonders im Krafttraining reichen bereits wenige gezielte Sätze aus, um den Großteil des möglichen Fortschritts zu erzielen. Wer hingegen gezielt Muskeln aufbauen will, profitiert von einem höheren Volumen – jedoch nur bis etwa elf fraktionalen Sätzen pro Trainingseinheit.
Die Studie unterstreicht auch die Bedeutung der richtigen Zählweise von Trainingssätzen. Unterscheidet man nicht zwischen direkter und indirekter Belastung eines Muskels, können Trainingsvolumen und Effektivität deutlich überschätzt oder unterschätzt werden. Für Personal Trainer, Athleten oder gesundheitsbewusste Freizeitsportler bietet die Studie damit eine solide Orientierung, um Trainingseinheiten effizient zu planen.
Zudem legt die Analyse nahe, dass nicht das Training am Limit entscheidend ist, sondern die gezielte Reizsetzung in durchdachten Dosierungen – insbesondere in Abhängigkeit vom Trainingsziel (Muskelwachstum vs. Kraft).

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Einordnung der Studie und mögliche Einschränkungen
Diese Meta-Analyse stellt eine der bislang differenziertesten Untersuchungen zum Satzvolumen pro einzelner Trainingseinheit bzw. Übung dar. Besonders hervorzuheben ist die Methodik, die zwischen direkter und indirekter Beanspruchung unterscheidet und ausschließlich auf hochwertige, direkte Messverfahren (z. B. MRT, Ultraschall) zurückgreift.
Allerdings handelt es sich um eine Preprint-Veröffentlichung, die bisher nicht peer-reviewed ist. Auch wenn die Methodik solide erscheint, fehlt die abschließende Qualitätsprüfung durch unabhängige Fachkollegen. Zudem basiert der PUOS auf der aktuell verfügbaren Studienlage – und diese enthält nur wenige Studien mit extrem hohen Satzvolumina. Ob es bei sehr hohen Volumen (>elf Sätze pro Einheit) zu einer Umkehr des Nutzens oder gar negativen Effekten kommt, lässt sich derzeit nicht sagen.
Ein weiterer potenzieller Schwachpunkt ist die Heterogenität der eingeschlossenen Studien hinsichtlich Trainingsstatus, Übungen, verwendetem Trainingsgewicht und Population. Somit ist nicht auszuschließen, dass unterschiedliche Trainingslevel, leichtes oder schweres Trainingsgewicht sowie die Art der Übungen Einfluss auf die Studienergebnisse hatten. Außerdem kann aufgrund des heterogenen Designs die Übertragbarkeit der Analyse auf alle Zielgruppen trotz statistischer Anpassungen eingeschränkt sein. Interessenkonflikte wurden nicht angegeben, jedoch stammen die Daten teilweise aus einem Parallelprojekt derselben Arbeitsgruppe.