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Prof. Dr. Worm kritisiert „Super-Studie“

Warum Sie doch Vitamin D und Fischöl fürs Herz nehmen sollten

Fischöl-Kapseln
Fischöl-Schlucken heißt noch lange nicht gute Omega-3-Versorgung, erklärt Ernährungsprofessor Dr. Worm Foto: Getty Images
Markus Hofmann

25.01.2019, 12:49 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Eine neue – und viel gelobte – Harvard-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass man durch Einnahme von Vitamin D und Fischöl Herzkreislauf-Erkrankungen doch nicht vorbeugen kann. Wir wollten von einem renommierten Ernährungs-Prof wissen, was er von dieser Studie hält. Kleiner Spoiler: Er ist alles andere als beeindruckt – und das aus guten Gründen.

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Vor einigen Tagen sorgte eine neue Harvard-Studie für Aufsehen. Ihr Fazit, so konnte man auf verschiedenen Gesundheitsportalen nachlesen, war ein Schlag ins Gesicht für alle Befürworter von Vitamin-D-Präparaten und Fischöl. Denn die sollen rein gar nichts bringen, will man durch sie versuchen, sein Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen zu senken.

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Hört man dann auch noch, was der aus Talkrunden bekannte SPD-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitswissenschaftler Prof. Dr. Karl Lauterbach zu den Studienergebnissen zu sagen hat, ist man fast schon geneigt, seine Vitamin-D-Pillen gänzlich in die Tonne zu kloppen.

„Dies ist die mit Abstand beste und methodisch einzig saubere Studie zu Fischöl und Vitamin D“, twitterte Lauterbach, und schrieb weiter: „Die Harvard Uni zeigt ganz klar, dass weder Fischöl noch Vitamin D Herz- und Kreislauferkrankungen vorbeugen. Industrie verkauft unbegründete Hoffnung, falsche Sicherheit“, schreibt Lauterbach.

Das ist ziemlich harter Tobak, zumal es immer wieder auch Studien gab, die genau zu entgegengesetzten Ergebnissen kamen. Und auch Experten wie der renommierte Ernährungswissenschaftler und Diplom-Ökotrophologe Prof. Dr. Nicolai Worm betonen in Interviews (u.a. gegenüber FITBOOK) regelmäßig die wichtige Rolle von Vitamin D und Fischöl für die Physiologie des Körpers im Allgemeinen – und den Schutz vor diversen Zivilisationskrankeiten im Speziellen.

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Aus diesem Grund wollten wir von Prof. Worm wissen, wie er die aktuelle Studie bewertet – und ob sie ihn sogar zum Überdenken seiner Thesen bewegen könnte.

Das sagt der Ernährungsprof

Der Autor verschiedener Ernährungsbücher (darunter Flexi-Carb: Mediterran genießen, Lebensstil beachten) reagiert gelassen auf die hochgelobte Studie, ist aber gleichzeitig entsetzt, da aus seiner Sicht entscheidende Aspekte nicht berücksichtigt worden seien und „so viel inkompetentes Bashing in den Medien“ stattgefunden habe. Doch eins nach dem anderen.

Ein Kern-Fazit der Studie lautet: Vitamin D bringt nichts, um die Wahrscheinlichkeit kardiovaskulärer Ereignisse – sprich das Risiko für Herzinfarkt und Co. – zu verringern. Das Problem laut Prof. Worm: Man könne die Studie nicht so einfach auf Deutschland übertragen. Grund dafür sei die deutlich bessere Grundversorgung mit Vitamin D in den USA. Das liege einerseits daran, dass viele US-Nahrungsmittel mit Vitaminen angereichert sind, andererseits würden US-Amerikaner viel häufiger zu Supplements greifen. Außerdem muss man sich vergegenwärtigen, dass die USA südlicher liegen als Deutschland. Selbst Boston im Nordosten der USA – der Ort, an dem die Studie geleitet wurde – liegt auf der gleichen Höhe wie Rom! Das hat zur Folge, dass die Sonne in den USA länger und intensiver scheint als in München oder Berlin – und Sonne bekanntlich den Motor für die körpereigene Vitamin-D-Produktion darstellt.

Diese deutlich bessere Grundversorgung spiegelte sich Prof. Worm zufolge auch in den Ausgangswerten der Probanden wider. Denn wie man dem Anhang der Studie entnehmen kann, hatten die Teilnehmer bereits vor der Vitamin-D-Supplementierung einen durchschnittlichen Vitamin-D-Spiegel von etwa 30 ng/ml. Davon können wir hierzulande jedoch nur träumen. Prof. Worm erklärt, dass 80 Prozent der Deutschen im Winterhalbjahr einen Spiegel von unter 20 ng/ml hätten (alles unter 30 ng/ml entspricht schon einer nicht-optimalen Versorgung, unter 20 ng/ml einer klaren Unterversorgung). Und auch eine FITBOOK-eigene Mini-„Studie“ ergab kürzlich, dass nur einer von zehn Kollegen die 30 ng/ml-Grenze nicht unterschritt. Prof. Worm fasst die Ergebnisse der Studie darum so zusammen: „Die Probanden waren eh schon optimal mit Vitamin D versorgt, kein Wunder, dass man dann keinen weiteren positiven Effekt auf die (Herz-)Gesundheit feststellen konnte.“

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Fischöl-Schlucken heißt noch lange nicht gute Omega-3-Versorgung

Und wo sieht Prof. Worm die Kritikpunkte beim Fischöl-Teil? Vereinfacht könnte man sagen: Man hätte die Studie nicht auswerten sollen nach „Wie viele Tote gibt es in der Gruppe mit Fischöl vs. in der Placebo-Gruppe?“, sondern nach der Fragestellung: Wie viele Tote gibt es bei Leuten mit schlechter vs. guter Versorgung?

Der Knackpunkt: Das reine Schlucken von Fischöl sagt noch lange nichts über die tatsächliche Omega-3-Versorgung auf Zellebene aus. Damit Fischöl gut vom Körper aufgenommen werden kann, muss man es zusammen mit fettreicher Nahrung aufnehmen. Warum? Weil die nötige Fettverdauung (und damit die Aufnahme über die Darmschleimhaut) nur dann aktiviert wird, wenn eine Mindestmenge an Fett im Darm vorliegt. Nächste Hürde: Omega-3-Fettsäuren entfalten ihre Wirkung nicht schon im Darm, sondern erst in den Zellen, wo sie in den Membranen eingelagert werden. Und wie viel das am Ende ist, hängt nicht nur davon, wie viel Fischöl man geschluckt hat.

Der Trugschluss in zwei fiktiven Beispielfällen

Um die individuellen Unterschiede deutlich zu machen, stellen wir uns jetzt die folgenden zwei Fälle vor:

  • Proband X mit einem geringen Omega-3-Index nimmt an der Studie teil und wird der Fischöl-Gruppe zugeordnet. Weil er mal gelesen hat, dass Fett nicht gut fürs Herz sei, achtet er penibel auf eine fettarme Ernährung. Er verstirbt später an einem Herzinfarkt.
  • Proband Y ist ein leidenschaftlicher Fischesser. Er bekommt durch Zufall nur ein Placebo. Er verstirbt später nicht an einem Herzinfarkt.

Jetzt hat man (mindestens) zwei Möglichkeiten, diese Faktenlage zu analysieren. 1) Einmal kann man schlussfolgern, dass die Zufuhr von Fischöl den Herzinfarkt auch nicht „verhindern“ konnte, während den Placebo-Patienten nicht der Herztod ereilte. 2) Oder man berücksichtigt, dass Proband Y aufgrund seiner Lebensgewohnheiten wahrscheinlich einen hohen Omega-3-Ausgangswert hatte, während sich bei Proband X der Wert aufgrund seiner fettarmen Ernährung kaum erhöht hat – trotz regelmäßiger Fischöl-Zufuhr.

Der deutlich verlässlichere Hinweis ist natürlich nicht die bloße Unterscheidung „Fischöl vs. Placebo“, sondern die tatsächliche Omega-3-Konzentration in den Zellen.

In der Studie – wie bei vielen bisherigen auch – wurde nur zwischen Fischöl vs. Placebo unterschieden. So kam es, dass sich die Versorgung mit Omega-3 in der Fischöl-Gruppe bei vielen Teilnehmern nicht unterschied von der Versorgung in der Placebo-Gruppe. Mit der Folge, dass kein wirklicher Unterschied zwischen den Gruppen entstand. Ich will von Prof. Worm wissen, warum man sich gegen eine Berücksichtigung des individuellen Omega-3-Indexes entschieden hat. Der Experte antwortet: „Der Omega-3-Index hat sich erst in den letzten Jahren international als relevanter Parameter etabliert und Forscher sparten sich bislang gerne dessen Bestimmung, vielleicht weil sie das Prinzip noch nicht verstanden hatten oder es ihnen zu aufwändig und zu teuer war. Doch mit dem Abfragen von Ernährungsgewohnheiten oder mit einer bestimmten oralen Gabe kann man noch lange nicht zuverlässig auf die tatsächlich Omega-3-Versorgung in den Zellen schließen.“

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Doch damit nicht genug: Die Studie, erklärt mir Prof. Worm, würde sogar einen (indirekten) Beweis dafür liefern, dass Fischfette zur Prävention von Herzkreislauf-Erkrankungen beitragen. Denn im Zuge der Untersuchung wurde auch eine Ernährungserhebung vorgenommen. Dabei fand man heraus, dass Leute, die durchschnittlich wenig Fisch essen, bei der Supplement-Einnahme ein signifikant geringeres Risiko zeigten, an Herzinfarkt, Schlaganfall usw. zu versterben. Und wer wenig Fisch isst, hat für gewöhnlich auch einen niedrigen Omega-3-Index.

Letzterer stellt in vielen westlichen Ländern leider die Regel und nicht die Ausnahme dar. So kam eine brandneue Studie aus Frankreich zu dem Ergebnis, dass die dortige Versorgung mit (langkettigen) Omega-3-Fettsäuren genauso miserabel wie in Deutschland ist. Prof. Worm zeigt sich diesbezüglich mitnichten überrascht. „Wenn die Leute nicht mindestens dreimal die Woche fetten Fisch essen, haben sie aufgrund der modernen Lebensmittelproduktion (Stichwort: intensive Tierhaltung) keine Chance auf eine adäquate Zufuhr mit natürlichen Nahrungsmitteln.“

Fazit

Was bleibt, ist also eine Studie, die laut dem Experten zu Unrecht über den Klee gelobt worden ist. Einerseits hatten die US-Probanden einen ausgezeichneten Vitamin-D-Ausgangswert, der Rückschlüsse auf Deutschland – wo 80 Prozent der Menschen zu dieser Jahreszeit einen Mangel aufweisen – unmöglich macht. Andererseits wurde nicht berücksichtigt, dass die bloße Einnahme von Fischöl noch lange nichts darüber aussagt, wie gut die tatsächliche Versorgung auf Zellebene ist. Weil beide Verbindungen für unzählige Funktionen im Körper unerlässlich sind, sollten wir sinnvollerweise auch weiterhin auf eine gute bzw. bessere Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren und Vitamin D achten.

Themen: Herzgesundheit Nahrungsergänzungsmittel Vitamin D Vitamine
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