Wie viel Bewegung ist nötig, um einen Tag im Sitzen auszugleichen? Das haben internationale Studien untersucht. Die schlechte Nachricht für Stubenhocker: Die viel zitierten 30 Minuten Bewegung reichen meist leider nicht.
Bei einem Großteil der Jobs sitzen Menschen acht Stunden oder mehr. Kommt dann noch ein fauler Abend auf der Couch hinzu, werden es schnell elf Stunden. Nun heißt es nach der üblichen Formel, dass 30 Minuten Bewegung pro Tag – oder 150 Minuten die Woche – gesund seien und ausreichen würden, um den durch das viele Sitzen hervorgerufenen Bewegungsmangel wieder auszugleichen. Falsch, lauten die Erkenntnisse einer aktuellen Studie sowie einer Untersuchung aus dem Jahr 2021. Vielmehr kommt es auf das richtige Gleichgewicht zwischen sportlicher Betätigung und normaler Alltags-Aktivität an.
Übersicht
Aktuelle Studie zum Zusammenhang von Sitzen und Bewegung auf die Gesundheit
Das übergeordnete Ziel der Studienautoren war es, herauszufinden, wie sich das Verhältnis von inaktiver bzw. sitzender Zeit und aktiven Phasen der Bewegung mit der kardiometabolischen Gesundheit zusammenhängen. Mit anderen Worten: Wie viel Sitzen ist in Ordnung und wie viel Bewegung ist nötig für ein gesundes Herz-Kreislauf-System? Diese ermittelten sie anhand von Markern wie Blutzuckerspiegel, Insulinspiegel, Cholesterin und Körperfett.
Untersuchung mit 3702 Probanden
Teilnehmer der finnischen Studie waren 3702 Personen, die im Jahr 1966 geboren und zum Zeitpunkt der Untersuchung 46 Jahre alt waren. Diese wurden mit einem Beschleunigungsmesser ausgestattet, den sie durchgehend an sieben aufeinanderfolgenden Tagen trugen. So zeichneten die Wissenschaftler auf, wie viel Zeit die Probanden täglich saßen und wie viel sie sich bewegten. Die Phasen der Bewegung unterschieden sich dabei noch in leicht bis moderat und moderat bis intensiv. Darüber hinaus erfassten die Forscher die Herzfrequenz und fragten die Schlafdauer der Studienteilnehmer ab.1
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„Aktive Stubenhocker“ schnitten am schlechtesten ab
Anhand der Daten zum Sitzen und zur Bewegung teilten die Wissenschaftler die Probanden in vier Gruppen auf:
- Aktive Stubenhocker
- Probanden, die viel sitzen, sich aber auch leicht bis moderat bewegen
- Probanden, die viel sitzen und trainieren
- Personen, die sich viel bewegen
Bei den „aktiven Stubenhockern“ handelte es sich um die Gruppe, die sich ausreichend (30 Minuten pro Tag bzw. 150 Minuten pro Woche) bewegten, aber auch am meisten saßen (durchschnittlich zehn Stunden). Ihr Sport zeichnete sich zudem durch die geringste Intensität aus. Die anderen beiden sitzenden Gruppen bewegten bei leicht bis moderater Intensität und mehr. Die „Probanden, die viel sitzen, sich aber auch leicht bis moderat bewegen“ zeichneten sich durch 300 Minuten leichter Bewegung am Tag aus. Die „Probanden, die viel sitzen und trainieren“ bewegten sich täglich bis zu 60 Minuten bei höherer Intensität.
Ein Unterschied zeigte sich auch in den erwähnten Markern der kardiometabolischen Gesundheit. Sie waren bei den beiden zuletzt genannten Gruppen niedriger und damit gesünder als bei den „aktiven Stubenhockern“.
Mehr Bewegung, weniger sitzen, gesünder leben
Auch nach Berücksichtigung weiterer Faktoren, die auf die kardiometabolischen Gesundheit einwirken kann, sowie der Daten zum Schlaf zeigte sich: Wer täglich auf mehr Bewegung bei leichter bis mittlerer Intensität achtet und weniger Zeit im Sitzen verbringt, lebt gesünder.
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Studie von 2021 untersucht, ob und wann 30 Minuten Bewegung täglich ausreichen
Daten von 130.000 Erwachsenen zwischen 4 und14 Jahre analysiert
Auch eine Untersuchung von 2021 beschäftigte sich mit der Frage, wie viel Bewegung täglich ein hohes Maß an Sitzen ausgleichen und damit gesund halten kann.2 Dafür analysierten Forschende der Universität Glasgow Daten sechs verschiedener Studien. Diese beinhalteten Langzeitbeobachtungen mit einer Dauer zwischen 4 und 14 Jahren, welche von mehr 130.000 Erwachsenen aus Schweden, Großbritannien und den USA stammen. Bei allen Studien kam pro Teilnehmer ein Monitor zur Erfassung der körperlichen Arbeit zum Einsatz, um Bewegung und Sitzzeit im Verlauf des Tages zu messen. Ebenso erfassten die Forschenden sämtliche Todesfälle.
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Wann 30 Minuten Training ausreichen
Die Wissenschaftler stellten fest, dass 30 Minuten tägliches Training in den meisten Fällen nicht ausreicht, um das Sterberisiko maßgeblich zu senken (verglichen mit Menschen, die mehr als das tun). Es sei denn, die betroffene Person sitzt deutlich weniger als sieben Stunden pro Tag und ist auch sonst überdurchschnittlich aktiv (Treppen steigen, zu Fuß Einkaufen, mit Kindern spielen etc.). In diesem Fall reiche die Menge tatsächlich aus, um das Risiko eines frühen Todes um 80 Prozent zu senken. Für Menschen, die länger sitzen, sei weit mehr Bewegung erforderlich, um den gleichen Effekt zu erzielen.
Wie viel Bewegung gleicht einen Tag im Sitzen aus?
Um nachvollziehen zu können, wie viel Bewegung nötig ist, um langes Sitzen auszugleichen, stellen die Forschenden folgendes Beispiel auf: Eine Person, die zwar zehn Stunden am Tag sitzt, aber zusätzlich täglich 30 Minuten Sport treibt und weitere sechs Stunden mit Hausarbeit und Co. beschäftigt ist, habe das gleiche, geringe Todesrisiko wie jemand, der täglich 55 Minuten trainiert, sich vier Stunden leicht bewegt und elf Stunden sitzt. Man kann sich diese Mischung aus leichter Aktivität, Sport und Sitzen als „Cocktail“ vorstellen. Mit anderen Worten: Jede Art von Bewegung trägt dazu bei, die Schäden des Sitzens auszugleichen.
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Wie berechnet man den persönlichen Bewegungsbedarf?
Die Forschenden geben noch eine weitere Formel mit auf den Weg, welche helfen kann, den persönlichen Bewegungsbedarf auszurechnen: Sechs Minuten leichte Aktivität entsprechen einer Minute sportliches Training. Um also den Effekt eines 30-minütigen Fitnesstrainings zu erreichen, müsste man drei Stunden kleinere Alltagsarbeiten erledigen. Dies ist allerdings einfacher zu schaffen, als die meisten vermuten. Der „Trick“ ist nämlich schlicht und einfach, nicht zu sitzen.

Ein gesunder Lebensstil ist mehr als nur Sport
Letztendlich zeigen die aktuellen Ergebnisse, dass ein gesunder und aktiver Lebensstil mehr ist, als nur täglich 30 Minuten Sport zu treiben. Zum einen reichen diese 30 Minuten nicht aus, wenn man ansonsten nur sitzt. Zum anderen gibt es viele Möglichkeiten, die Gesundheit aufrechtzuerhalten und man braucht dafür weder Fitnessstudio noch teure Sportgeräte. Wichtig ist es, in Bewegung zu bleiben. Sei es durch Aufräumen, Kochen mit Freunden, ein Tänzchen zum Lieblingssong im Wohnzimmer oder Stöckchen werfen für den Hund. Dennoch sollte man bei aller Aktivität auf genügend Schlaf achten. So kam eine Studie, die erst kürzlich veröffentlicht wurde, zu dem Schluss, dass Schlafmangel bei intensivem Training auf Dauer schlecht fürs Herz sein kann (FITBOOK berichtete).3
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Quellen
- 1. Farrahi, V., Rostamani, M., Dumoid, D. et al. (2022). Joint Profiles of Sedentary Time and Physical Activity in Adults and their Associations with Cardiometabolic Health. Medicine & Science in Sports & Medicine.
- 2. Chastin, S., McGregor, D., Palarea-Albaladejo, J. et al. (2021). Joint association between accelerometry-measured daily combination of time spent in physical activity, sedentary behaviour and sleep and all-cause mortality: a pooled analysis of six prospective cohorts using compositional analysis. Britihs Journals of Medicine.
- 3. Martikainen, T., Siguradottier, F., Benedict, C. et al. (2022). Effects of curtailed sleep on cardiac stress biomarkers following high-intensity exercise. Molecular Metabolism.