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Spannende Studie

Kann man bald Schwarzen Hautkrebs mit Herpes-Viren behandeln?

Hautkrebs Herpes
Hautkrebs lässt sich womöglich mit Herpesviren behandeln. Foto: Getty Images
Julia Freiberger
Redakteurin

11. Juli 2025, 14:49 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Ein modifiziertes Herpes-Virus als Waffe gegen Hautkrebs? Eine neue Studie liefert Hinweise, dass genau das funktionieren könnte – selbst bei tief im Körper liegenden Metastasen, die bislang schwer zu erreichen waren. Besonders für Patienten mit fortgeschrittenem Melanom, bei denen herkömmliche Immuntherapien versagen, könnte diese Kombinationstherapie neue Perspektiven eröffnen.

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Allein in Deutschland stieg die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen mit Hautkrebs zwischen 2007 und 2015 von rund 144.000 auf etwa 224.000 Fälle. Vor allem beim malignen Melanom, der aggressivsten Form von Hautkrebs, ist der therapeutische Spielraum bei fortgeschrittener Erkrankung oft stark eingeschränkt.1 Besonders beim malignen Melanom (Schwarzer Hautkrebs) – der aggressivsten Form – stoßen bisherige Behandlungen im späten Krankheitsverlauf oft an Grenzen. Neue Ansätze wie virusbasierte Immuntherapien rücken deshalb zunehmend in den Fokus der Forschung. Eine dieser experimentellen Therapien wurde nun in einer internationalen Studie untersucht – mit überraschend positiven Ergebnissen.2

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Auf der Suche nach neuen Therapieformen

Im Mittelpunkt der Studie steht eine Kombinationstherapie für Patienten mit fortgeschrittenem malignem Melanom, bei denen frühere Behandlungen wie Anti-PD1 oder Anti-CTLA-4 keine Wirkung mehr zeigten. Die Therapie bestand aus einem gentechnisch veränderten Herpes-simplex-Virus Typ 1 (RP1) und dem Immun-Checkpoint-Inhibitor Nivolumab. RP1 gehört zur Klasse der onkolytischen Viren, die gezielt Tumorzellen zerstören und gleichzeitig eine Immunantwort gegen den Krebs im gesamten Körper auslösen können.

Untersucht wurde dabei ausschließlich eine Patientengruppe mit schwarzem Hautkrebs, bei der die bisherigen immuntherapeutischen Behandlungen versagt hatten. Es handelte sich also um eine besonders schwierige Ausgangslage – mit Tumoren, die auf klassische Therapien nicht mehr ansprachen.

In der multizentrischen Phase-1/2-Studie IGNYTE wurde untersucht, ob diese Kombination auch bei nicht direkt behandelten, tief im Körper liegenden Metastasen wirksam ist – etwa in der Leber oder Lunge. Zusätzlich analysierten die Forscher die Verträglichkeit und mögliche Unterschiede zwischen oberflächlichen und viszeralen Injektionen.

Studiendesign und Durchführung

Die IGNYTE-Studie ist eine offene, multizentrische Phase-1/2-Studie. In dem auf dem ASCO-Kongress 2025 präsentierten Teil der Studie wurden 140 Patienten mit fortgeschrittenem Melanom eingeschlossen, deren Erkrankung unter vorheriger Immuntherapie fortgeschritten war.

Die Behandlung erfolgte mit intratumoralen RP1-Injektionen: zuerst in niedriger Dosierung, danach im zweiwöchigen Rhythmus mit höherer Dosierung in bis zu acht Zyklen. Ab der zweiten RP1-Injektion erhielten die Patienten zusätzlich Nivolumab (240 Milligramm alle zwei Wochen), später in Erhaltungstherapie alle zwei bis vier Wochen – über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren.

Die Injektionen erfolgten entweder oberflächlich (Haut, subkutan) oder tief/viszeral (z. B. Leber, Lunge) unter bildgebender Kontrolle. Die Auswertung der Tumorentwicklung erfolgte standardisiert nach RECIST 1.1 durch ein zentrales, unabhängiges Gremium.

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Herpes-Virus verursachte Verkleinerung von Tumoren

Die neue Kombinationstherapie zeigte bei vielen Patienten eine überraschend gute Wirkung: Bei etwa einem Drittel der Teilnehmer schrumpften die Tumoren deutlich. Im Durchschnitt hielt dieser Effekt fast drei Jahre lang an.

Untersucht wurden insgesamt 197 Tumoren. Davon wurden 78 direkt mit dem Herpes-Virus RP1 behandelt, die übrigen 119 Tumoren nicht. Trotzdem zeigten fast alle Tumoren eine Verkleinerung – sowohl die behandelten als auch die unbehandelten.

Besonders auffällig:

  • Fast 99 Prozent der direkt behandelten Tumoren wurden kleiner.
  • Aber auch rund 97 Prozent der nicht behandelten Tumoren schrumpften.

Ein Rückgang um mehr als 30 Prozent – also ein spürbarer Rückgang – trat bei

  • rund 94 Prozent der behandelten und
  • etwa 79 Prozent der unbehandelten Tumoren auf.

Auch bei schwer zugänglichen Tumoren in inneren Organen wie der Leber oder der Lunge war die Wirkung sichtbar. Selbst dort schrumpften viele Tumoren, auch wenn sie nicht direkt gespritzt wurden.

Außerdem zeigte sich: Patienten, bei denen der Virus tief in den Körper gespritzt wurde (zum Beispiel in Organmetastasen), sprachen häufiger an als Patienten, die nur oberflächlich behandelt wurden.

Wie sicher war die Therapie?

Die neue Behandlung wurde insgesamt gut vertragen. Nur wenige Patienten entwickelten schwerere Nebenwirkungen – und bei denjenigen, die tief im Körper behandelt wurden, traten sie sogar seltener auf.

Konkret:

  • Bei etwa 14 von 100 Patienten, die oberflächlich behandelt wurden (z. B. an der Haut), kam es zu stärkeren Nebenwirkungen.
  • Bei den Patienten mit Injektionen in tiefere Organe wie Leber oder Lunge waren es nur rund acht von 100.

In sehr wenigen Fällen kam es zu einem sogenannten Pneumothorax – dabei gelangt Luft zwischen Lunge und Brustwand, was zu Atembeschwerden führen kann. Das trat bei drei von 52 Lungeninjektionen auf, also bei knapp sechs Prozent.
Wichtig: Bei Injektionen in die Leber gab es keine schweren Komplikationen, also weder innere Blutungen noch Probleme mit der Leberfunktion.

Was bedeuten diese Ergebnisse?

Die Forscher wiesen nach, dass die Therapie auch außerhalb der direkt behandelten Tumorstellen wirkt. Auch andere Krebsherde im Körper – selbst in tiefen Organen – gingen oft deutlich zurück. Das ist ein Hinweis darauf, dass der Virus das Immunsystem im ganzen Körper aktiviert, um gegen den Krebs zu kämpfen.

Gerade bei fortgeschrittenem Hautkrebs, bei dem viele Patienten auf die üblichen Medikamente nicht mehr ansprechen, könnte diese Methode eine neue Hoffnung sein. Denn bisher waren solche tief liegenden Tumoren schwer erreichbar und schlecht behandelbar. Dass der Virus auch dort wirkt, ist deshalb ein wichtiger Fortschritt.3

Welche Punkte gilt es zu beachten?

Auch wenn die Ergebnisse sehr vielversprechend sind, muss man sie vorsichtig bewerten. Die auf dem Kongress vorgestellten Ergebnisse sind aus Phase eins und zwei der klinischen Studie, welche Sicherheit, Nebenwirkungen, Dosierung und Wirksamkeit von RP1 zusammen mit Nivolumab an einer begrenzten Patientenpopulation untersucht hat. Sie müssen zudem noch von Experten bewertet werden. Es gab keine Vergleichsgruppe mit Patienten, die nur die Standardbehandlung bekommen haben. In Phase drei wollen die Wissenschaftler ihre Ergebnisse an einer weltweiten Population von über 400 Teilnehmern bestätigen.

Ein weiterer Punkt: Die Studie wurde vom Hersteller des Virus, Replimune, finanziert. Auch einige der beteiligten Ärzte arbeiten in beratender Funktion für das Unternehmen – darunter Dr. Gino In, der die Studie mitgeleitet hat. In der Medikamentenentwicklung setzen Forscher solche Verbindungen häufig ein und sind verpflichtet, sie offenzulegen.4

Positiv ist, dass die Studie an vielen anerkannten Krebszentren weltweit durchgeführt wurde – unter anderem in Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien und den USA. Das spricht für eine angemessene Qualität der Daten.

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Fazit

Die Kombination aus einem veränderten Herpes-Virus und einer Immuntherapie zeigt bei Patienten mit fortgeschrittenem Hautkrebs vielversprechende Ergebnisse. Sogar tief im Körper liegende unbehandelte Tumoren reagierten deutlich und schrumpften sichtbar, wie die Forscher beobachteten.

Sollten auch die Daten aus der Phase-3-Studie überzeugen können, könnte die neue Therapie vielen Patienten eine echte Behandlungsoption bieten – besonders jenen, bei denen bisher nichts geholfen hat.

Themen Hautgesundheit Hautkrebs Krebs

Quellen

  1. Onko Internetportal. Hautkrebs. (aufgerufen am 11.07.2025) ↩︎
  2. In, G., Wong, M., Sacco, J. et al. (2025). Response analysis for injected and non-injected lesions and of the safety and efficacy of superficial and deep/visceral RP1 injection in the registrational cohort of anti–PD-1–failed melanoma patients of the IGNYTE trial. 2025 ASCO Annual Meeting. ↩︎
  3. Keck Medicine of USC. Cancer-fighting herpes virus shown to be an effective treatment for some advanced melanoma. (aufgerufen am 11.07.2025) ↩︎
  4. Hou, J. Study of RP1 Monotherapy and RP1 in Combination With Nivolumab (IGNYTE). (aufgerufen am 11.07.2025) ↩︎

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