
7. Juli 2025, 13:02 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Viele Menschen mit Typ-2-Diabetes konsumieren Diätgetränke in dem Glauben, dass sie eine gesunde Wahl darstellen, weil sie keinen Zucker enthalten und somit die Blutzuckerwerte günstig beeinflussen. Eine aktuelle Studie zeigt: Eine scheinbar banale Veränderung im Alltag dieser Menschen kann ihre Chance auf Remission verdoppeln.
Viele Menschen greifen zu Diät-Softdrinks, um Zucker und Kalorien zu vermeiden und die Blutzuckerwerte wieder zu normalisieren. Aber ist das wirklich die bessere Wahl? Eine neue Studie, präsentiert auf einer der weltweit wichtigsten Plattformen für neue Erkenntnisse zur Diabetesforschung, stellt diese Annahme infrage. Bei Frauen mit Typ-2-Diabetes zeigte sich: Wer fünfmal pro Woche ein Light-Getränk nach dem Essen durch Wasser ersetzt, hat offenbar deutlich bessere Chancen auf Gewichtsreduktion sowie auf Remission.
Übersicht
Light-Getränk nach dem Mittagessen durch Wasser ersetzt
Was passiert langfristig, wenn Typ-2-Diabetikerinnen ein Diät-Getränk täglich durch Wasser ersetzen? Ein Forscherteam um Dr. Hamid Reza Farshchi, Experte für Übergewicht und ehemaliger Professor an der University of Nottingham, hat es untersucht – und das Ergebnis hat unsere Aufmerksamkeit definitiv verdient. Es zeigt: Eine kleine Veränderung bei der Trinkgewohnheit kann womöglich Großes bewirken.
Für die Studie, die kürzlich auf dem 85. Kongress der American Diabetes Association vorgestellt wurde, rekrutierten die Forscher 81 erwachsene Frauen mit Typ-2-Diabetes sowie Übergewicht oder Adipositas, die regelmäßig Diät-Softdrinks konsumierten.1 Die Teilnehmerinnen wurden per Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe trank fünfmal pro Woche nach dem Mittagessen eine Diät-Limonade; die andere Gruppe ersetzte dieses Getränk durch stilles Wasser. Wichtig zum Verständnis: Die Studie kontrollierte gezielt eine definierte Trinkgewohnheit (Light-Getränk nach dem Mittagessen an fünf Tagen pro Woche). Sie sagt nichts darüber aus, ob Teilnehmerinnen der Wassergruppe sonst komplett auf Light-Getränke verzichteten. Klare Aussagen über den Gesamtkonsum von Light-Getränken gibt es nicht.
Alle Teilnehmerinnen durchliefen ein sechsmonatiges Programm zur Gewichtsreduktion, gefolgt von einer zwölfmonatigen Phase zur Gewichtsstabilisierung. Die Gesamtdauer der Studie betrug 18 Monate. Untersucht wurden dabei unter anderem Gewicht, Body-Mass-Index (BMI), Blutzuckerwerte (nüchtern und nach dem Essen), Insulinspiegel, Insulinresistenz sowie Blutfette (Triglyzeride).
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Ergebnisse der Studie
Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Typ-2-Diabetiker durch die sehr geringe, aber konkrete Intervention gesundheitlich stark profitieren können – und künstlich gesüßte Getränke möglicherweise tiefgreifender in den Stoffwechsel eingreifen als bisher angenommen.
Doppelt so viele Diabetes-Remissionen, wenn nach dem Mittagessen Wasser statt Light-Limonade getrunken wurde
In beiden Gruppen gab es aufgrund des Programms zur Gewichtsreduktion und Gewichtsstabilisierung einen nicht unbeträchtlichen Anteil an Diabetikerinnen, deren Blutzuckerwerte nach 18 Monaten wieder denen von gesunden Personen entsprachen (Remission) und die fortan keine Medikamente mehr benötigten, um den Glukosewert im Blut zu senken. Aber: Der Anteil der Diabetes-Remissionen war in der Gruppe, die die (fast) tägliche Light-Limo durch Wasser ersetzt hatte, mit 90 Prozent (vs. 45 Prozent) doppelt so hoch.
Definition von Remission bei Diabetes Typ 2
Rückkehr des Blutglukose-Langzeitwertes (HbA1c-Wertes) auf unter 6,5 Prozent (48 mmol/mol), die spontan oder nach einer Intervention eintritt und mindestens drei Monate lang ohne den üblichen Gebrauch von blutglukosesenkenden Medikamenten anhält.
Auch Gewichtsverlust höher
Auch beim Gewichtsverlust schnitten jene Teilnehmerinnen, die Wasser statt Light-Getränke tranken, signifikant besser ab. Sie verloren im Schnitt deutlich mehr Gewicht als die Limo-Gruppe (genaue Daten hierzu haben wir nicht, da uns die vollständige Studie bisher nicht vorliegt). Zudem verbesserten sich bei ihnen – neben dem Nüchternblutzucker – eine Reihe wichtiger Gesundheitsmarker, darunter solche für die
- Insulinresistenz,
- den Insulinspiegel,
- die Triglyceride
- den Blutzuckeranstieg nach dem Essen (Postprandialer Glukosewert)
- sowie der Body-Mass-Index (BMI)
Kleine Maßnahme, große Wirkung?
Dafür, dass die Studie (neben dem Programm zur Gewichtsreduktion) lediglich ein Getränk pro Tag veränderte, sind die Ergebnisse erstaunlich. 90 Prozent der Frauen, die im Rahmen der Intervention Wasser statt Diät-Limonade nach dem Mittagessen tranken, erreichten nach 18 Monaten eine Remission ihres Typ-2-Diabetes. Im Vergleich dazu erreichten in der Diätlimonaden-Gruppe nur 45 Prozent dieses Ziel. Das ist eine Verdopplung der Erfolgsrate – bei einer relativ kleinen, aber gezielt eingesetzten Verhaltensänderung.
Kritiker: Gesundheitsrisiken von Diätgetränken werden übertrieben dargestellt
Eine kritische Stimme zur Aussagekraft der Studie hat das US-amerikanische Gesundheitsportal „Everyday Health“ eingefangen. Der Stoffwechselexperte Dr. Robert Cohen, Professor für Innere Medizin an der University of Cincinnati College of Medicine, sagte dem Portal, dass die statistischen Unterschiede beim Gewichtsverlust zwar signifikant, jedoch nicht groß genug seien, um seiner Meinung nach klinisch relevante Unterschiede bei der Diabetes-Remission zu erklären. „Ich bin der Meinung, dass die Gesundheitsrisiken von Diät-Limonaden übertrieben dargestellt werden“, wird Cohen zitiert.2
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Möglicherweise haben wir bisher nicht alle Mechanismen verstanden
Wie auch immer man den Einfluss von Diätgetränken auf Gewichtsentwicklung und Blutzuckerwerte bei Typ-2-Diabetikern werten mag: Fest steht, dass künstlich gesüßte Getränke trotz fehlender Kalorien negative Effekte auf den Stoffwechsel haben könnten – möglicherweise über Mechanismen, die bisher nicht vollständig verstanden sind. Nicht zuletzt deshalb fallen verbindliche Ernährungsempfehlungen zu Diätgetränken bei Typ-2-Diabetes ohnehin sehr vorsichtig aus.

Studie widerlegt verbreiteten Irrglauben zu Light-Getränken

So schädlich sind Süßstoffe fürs Herz

Bereits 1 bestimmtes Getränk pro Tag erhöht Risiko für Mundhöhlenkrebs
Light-Produkte können den Appetit fördern
Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) oder die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) geben für Light-Getränke bei Diabetikern weder Empfehlung noch Veto ab. Der Tenor gegenüber solchen Getränken ist dort seit vielen Jahren neutral bis kritisch: Der Mensch habe offenbar nur eine schwach entwickelte natürliche Fähigkeit, zu erkennen, wie energiereich süße Getränke tatsächlich sind – und trinke von Getränken mit künstlichem Süßstoff oft mehr, als für ein gesundes Energiebudget gut wäre. Das steht etwa in einer alten Leitlinie zu den „Ernährungsempfehlungen zur Behandlung und Prävention des Diabetes mellitus“, die Experten im Auftrag der DDG veröffentlicht haben.3
Mit anderen Worten: Wir haben nach künstlich gesüßten Getränken nicht weniger Appetit, weil der Körper ja bereits (künstlichen) Zucker, also Energie, bekommen hat – sondern möglicherweise sogar noch mehr. Neuere Studien stützen diese These. Beispielsweise gibt es Erkenntnisse darüber, dass bestimmte Süßstoffe (v. a. Sucralose und Saccharin) die Zusammensetzung und Funktion der Darmflora verändern, was indirekt den Glukosestoffwechsel, das Hungergefühl und den Energiehaushalt beeinflussen kann.
Dazu kommt der psychologische Effekt, der einigen bekannt sein dürfte: Der Glaube, durch den Verzehr von Light-Produkten Kalorien zu sparen, kann dazu führen, dass man sich unbewusst größere Portionen gönnt oder zusätzlich kalorienreiche Lebensmittel konsumiert.