
3. Juli 2025, 16:14 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Prädiabetes ist ein Warnsignal – und eine Chance: Anders als bei Typ-2-Diabetes, den viele Betroffene irgendwann daraus entwickeln, lässt sich der Verlauf einer Prädiabetes zurückdrehen. Wie das konkret gelingt, haben kolumbianische Forscher mit 130 Erwachsenen untersucht, deren Nüchternblutzucker einst gesichert gestört war – und sich binnen eines Jahres normalisiert hatte.
Das große Ziel bei Prädiabetes ist nicht nur, die Blutzuckerwerte im Griff zu behalten – sondern zu verhindern, dass daraus Diabetes Typ 2 wird. Denn ist diese Schwelle einmal überschritten, lässt sich der Krankheitsverlauf in der Regel nicht mehr umkehren. Typ-2-Diabetes gilt als nicht heilbar – und zieht häufig Folgeerkrankungen nach sich: Schäden an Herz, Nieren, Augen oder Nerven können sich schleichend und oft unbemerkt entwickeln. Auch das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall steigt deutlich. Umso wichtiger ist es, die Vorstufe ernst zu nehmen – denn gerade in diesem Frühstadium lässt sich der Verlauf noch stoppen, oft sogar ganz zurückdrehen. Dass es dazu gar nicht so viel bedarf, zeigt eine aktuelle Studie aus Kolumbien.
Übersicht
- Bei einem Prädiabetes ist der Blutzucker erhöht – aber noch unterhalb der Diabetes-Schwelle
- Patienten bekamen Experten-Hinweise, um ihren Prädiabetes rückgängig zu machen
- 21 Prozent wurden Prädiabetes innerhalb eines Jahres los
- Prädiabetes rückgängig machen: 150 Min. Sport pro Woche erhöhte Chance um das 4-Fache
- „Jedes Maß an körperlicher Aktivität ist besser als keine und mehr ist besser“
- Trainingsoptimum für Herzgesunde
- Prädiabetes rückgängig machen – kann das jeder?
- Verallgemeinerung der Ergebnisse nur eingeschränkt möglich
- Quellen
Bei einem Prädiabetes ist der Blutzucker erhöht – aber noch unterhalb der Diabetes-Schwelle
Prädiabetes bedeutet erhöhten Blutzucker unterhalb der Diabetes-Schwelle. Bekannt ist, dass Lebensstiländerungen den Krankheitsverlauf von Prädiabetes positiv beeinflussen bzw. diesen vollständig zurückbilden können. Ein Team um die Mediziner Wilfredo Antonio Rivera-Martínez und Aura María Salazar-Solarte widmete seine Aufmerksamkeit deshalb intensiv jenen Faktoren, die erhöhte Blutzuckerwerte (unterhalb der Diabetes-Schwelle) in den Normalbereich zurückbringen können.
Prädiabetes wird hauptsächlich von einem einzelnen Blutzuckerwert definiert: Als Maß für die Anlagerung von Zucker (Glukose) an das Hämoglobin in den roten Blutkörperchen gibt der sogenannte HbA1c-Wert den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten acht bis zwölf Wochen an. Ein HbA1c-Wert unter 5,7 Prozent gilt als normal, während man ab 6,5 Prozent von einem manifesten Typ-2-Diabetes spricht. Der Bereich dazwischen wird als Prädiabetes definiert.
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Patienten bekamen Experten-Hinweise, um ihren Prädiabetes rückgängig zu machen
Die Experten auf dem Gebiet der Endokrinologie griffen rückblickend auf Daten von 130 Erwachsenen mit einem Durchschnittsalter von 70 Jahren zurück, die zwischen 2019 und 2023 an einem strukturierten Herz-Kreislauf-Risikoprogramm der DIME-Klinik in Cali teilgenommen hatten und bei denen eingangs eine Prädiabetes diagnostiziert worden war. Internisten, Psychologen, Physiotherapeuten und Ernährungsberater hatten ihnen zu Beginn des Programms Empfehlungen zu Ernährung, Bewegung, Gewichtsreduktion und Verzicht auf Alkohol und Nikotin an die Hand gegeben – und dann vierteljährlich erfasst, wie sich deren Lebensstil, Blutwerte und Körpermaße entwickelten.
21 Prozent wurden Prädiabetes innerhalb eines Jahres los
Einige von ihnen – 21,5 Prozent – konnten die Prädiabetes tatsächlich abschütteln und erreichten innerhalb eines Jahres wieder einen normalen Blutzuckerspiegel. 13,8 Prozent der Probanden entwickelten im selben Zeitraum Typ-2-Diabetes.
Die Forscher um Rivera-Martínez und Salazar-Solarte sahen sich die Daten der Studienteilnehmer an. Was hatten die einen falsch und die anderen richtig gemacht im Verlauf dieses Jahres? Welche Veränderung im Lebensstil ließ den Prädiabetes verschwinden?Und was war bei denen los, die nach wie vor entsprechende Werte hatten?
Prädiabetes rückgängig machen: 150 Min. Sport pro Woche erhöhte Chance um das 4-Fache
Ihre Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift „Cardiovascular Diabetology – Endocrinology Reports“ veröffentlicht und zeigen: Lebensstilinterventionen in strukturierten Programmen können – wenn auch nicht bei allen Betroffenen – tatsächlich zur Rückbildung von Prädiabetes führen.1 Bei denen, die den Prädiabetes rückgängig gemacht hatten, war regelmäßige Bewegung der stärkste positive Faktor. Wohingegen Übergewicht und ein höherer HbA1c-Wert signifikant mit einer geringeren „Heilungschance“ einhergingen.
Umkehr von Prädiabetes – diese Zusammenhänge entdeckten die Forscher
- Ein Body-Mass-Index (BMI) ≥ 25 verringerte die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Jahres zu normalen Blutzuckerwerten zurückzukommen, um 75 Prozent.
- Ein HbA1c-Wert ≥ 6,0 Prozent verringerte die Chance auf Heilung um 86 Prozent
- Personen über 60 Jahre hatten ebenfalls geringere Chancen, den Prädiabetes rückgängig zu machen
- Wer über 150 Minuten pro Woche körperlich aktiv war, hatte eine 4,15-fach höhere Chance auf eine Normalisierung des HbA1c-Wertes.
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„Jedes Maß an körperlicher Aktivität ist besser als keine und mehr ist besser“
Die 150 Minuten körperliche Aktivität pro Woche sind als Zahl nicht beliebig gegriffen und stehen auf festen Füßen wissenschaftlicher Erkenntnisse. Entsprechend empfehlen viele Gesundheitsinstitutionen die Zahl als „Minimum“, um Typ-2-Diabetes vorzubeugen und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken. Kernbotschaft etwa der Weltgesundheitsorganisation zum Thema Bewegung: „Jedes Maß an körperlicher Aktivität ist besser als keine und mehr ist besser.“
Konkret empfiehlt die WHO seit 2020 Erwachsenen „für Gesundheit und Wohlbefinden“ mindestens 150 bis 300 Minuten in der Woche mit einer mittleren bis hohen Intensität körperlich aktiv sein (Ausdaueraspekt); Kindern und Jugendlichen empfiehlt die WHO täglich 60 Minuten moderate körperliche Aktivität; ab 65 Jahren wird zusätzlich Muskelaufbau empfohlen, um Stürze zu vermeiden.2
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Trainingsoptimum für Herzgesunde
Herzgesunden legt der Kardiologe Christopher Schneeweis in diesem Artikel einen etwas davon abweichenden, optimalen Trainingsumfang nahe: „Mindestens durchführen sollte man 150 Minuten in einer moderaten Ausdauertätigkeit oder 75 Minuten einer hochintensiven Ausdauertätigkeit pro Woche. Zusätzlich sollte man aber auch zweimal pro Woche Kräftigungsübungen oder Krafttraining machen, sodass man den ganzen Körper pro Woche insgesamt zweimal trainiert hat und alle Muskelgruppen angesprochen wurden.“
Prädiabetes rückgängig machen – kann das jeder?
Prädiabetes betrifft weltweit Millionen Menschen – viele, ohne es zu wissen. Die Studie liefert überzeugende Hinweise dafür, dass es möglich ist, einen Prädiabetes rückgängig zu machen, bevor daraus ein chronisches Problem wird. Besonders gezielte Lebensstilveränderungen wie regelmäßige körperliche Aktivität und Gewichtsreduktion scheinen Mittel zu sein, die Wirkung zeigen. Wer also aktiv an seiner Gesundheit arbeitet, kann die Krankheitsentwicklung stoppen – idealerweise mit ärztlicher Begleitung. Besonders relevant sind diese Ergebnisse für ältere Erwachsene mit erhöhtem Risiko. Die Daten legen nahe, dass Programme zur Prävention nicht nur sinnvoll, sondern notwendig sind – vorausgesetzt, sie beinhalten strukturierte, interdisziplinäre Betreuung und werden ausreichend lange durchgeführt.

Methoden zur Diagnose von Diabetes mellitus Typ 2 und Arztwahl

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Erste Anzeichen und Symptome für Diabetes mellitus Typ 2
Verallgemeinerung der Ergebnisse nur eingeschränkt möglich
Eine Verallgemeinerung der Studienergebnisse auf andere Bevölkerungsgruppen ist nur eingeschränkt möglich. Weitere Forschung mit längerer Nachbeobachtung und größeren Stichproben ist erforderlich, um die Nachhaltigkeit der beobachteten Effekte zu prüfen.