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Trainingssteuerung

Wie kann ich meinen Maximalpuls richtig bestimmen?

Maximalpuls berechnen
War ich jetzt an meinem Maximalpuls? Das fragen sich viele Läufer beim Blick auf die Pulsuhr. Warum das gar nicht so gut wäre, lesen Sie bei FITBOOK. Foto: iStock/martin-dm
Anna Echtermeyer
Redakteurin

22.10.2020, 19:23 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Seit 1983 gibt es Uhren, die die Herzfrequenz messen – und mindestens genauso lange interessieren sich sportliche Menschen für ihren Maximalpuls. Für die Berechnung gibt es einfache Formeln. Doch diese sind extrem ungenau, warnt der Sportwissenschaftler Paul Schmidt-Hellinger bei FITBOOK. Wozu der Experte stattdessen rät, und warum die HF Max für Ausdauersportler eigentlich irrelevant ist, lesen Sie hier.

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Mit der Herzfrequenz werden in der sportwissenschaftlichen Forschung schon immer jegliche Belastungsreize bewertet. Mediziner verstehen darunter – und das ist der Unterschied zum spürbaren bzw. sichtbaren Puls, der mittlerweile beispielsweise mit einer Pulsuhr am Handgelenk mittels Lichtstrahlen gemessen wird – die elektrischen Frequenzen des Herzens. Also das, was mit dem EKG oder einem Brustgurt gemessen wird.

Puls vs. Herzfrequenz

„Bei Herzrhythmusstörungen gehen beide Werte nicht immer miteinander einher“, erklärt Dr. Paul Schmidt-Hellinger, Sportmediziner an der Berliner Charité, im Gespräch mit FITBOOK. Für den Sport sei die Unterscheidung „im Groben egal“: Maximale Herzfrequenz – auch HF Max – und Maximalpuls meinen also im Alltagsgebrauch ein und dasselbe. In diesem Artikel werden die Begriffe entsprechend synonym verwendet.

Warum Profis lieber von der „HF Peak“ sprechen

Die HF Max bezieht sich immer auf die für eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt maximal möglichen Herzfrequenz. unter einer bestimmten Belastung. Das bedeutet, dass man die HF Max nur theoretisch erreichen kann – am anderen Tag könnte der Wert ja getoppt werden. Daher sprechen Experten lieber von der „HF Peak“: dem – unter einer bestimmten Belastung erreichten Spitzenwert.

Sonderformen des HF Max und altersbedingter Abfall

Es gibt Sonderformen der maximalen Herzfrequenz: Beispielsweise kann der Wert bei Vorhofflimmern höher sein (und dann auch schnell lebensgefährlich). Ein anderes Thema sind Messprobleme: Zum Beispiel, wenn eine Uhr am Handgelenk bei normalem Joggen einen Puls von 240 anzeigt. In diesem Fall sollte man unbedingt prüfen, ob sich der Wert auch an der Halsschlagader widerspiegelt.

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Erschwerend komme bei der Bestimmung der maximalen Herzfrequenz ihr altersabhängiger Abfall hinzu. Je älter ein Mensch wird, desto weniger sensibel arbeiten bestimmte Rezeptoren am Herzmuskel. Der Fachmann spricht von der Absenkung der intrinsischen Herzfrequenz. Dieser Abfall liege im Bereich von 0,7 bis 1 Schlag pro Lebensjahr. Das heißt: Hat eine Person als 30-Jährige/r einen Maximalpuls von 190, sind es mit 60 Jahren theoretisch nur noch knapp 160. So leicht ist es dann aber halt doch nicht: „Die Kurve kann stark davon abweichen, was individuell möglich ist“, relativiert Schmidt-Hellinger im Gespräch mit FITBOOK.

Maximal erreichbare Herzfrequenz genetisch bedingt

Um das zu verstehen, muss man wissen, dass die maximale Herzfrequenz grundsätzlich genetisch bedingt ist – „und insofern auch nicht wirklich trainierbar“, so der Mediziner. Zwar senke sich durch exzessives Ausdauertraining die maximal mögliche Herzfrequenz eines Individuums an einem bestimmten Tag ab, aber: „Die maximale Herzfrequenz wird im Training sowie bei längeren Wettkämpfen sowieso seltenst erreicht. Sie gilt eher als 100-Prozent-Wert für davon abgeleitete, prozentuale Trainingsintensitäten”, sagt Schmidt Hellinger. Auch wenn man müde oder im Energiedefizit sei (bspw. durch Low-Carb-Ernährung), erreiche man nicht mehr so hohe Herzfrequenzen. Im Unterschied dazu können Koffein oder auch Musik und ein anfeuerndes Publikum am Wettkampftag manchmal noch zwei bis drei Schläge pro Minute „herauskitzeln“.

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Populäre Formeln zur „HF Max“-Berechnung

Anfang der 70er-Jahre, als Trainingsempfehlungen insbesondere für ältere Menschen populär wurden,  beschrieben William Haskell und Samuel Fox die wohl bis heute meistgenutzte Formel für die altersabhängige Berechnung der maximalen Herzfrequenz: „HF Max = 220 – Lebensalter.“

Diese Formel ist populär, weil sie besonders einfach ist. Doch der Realität entspricht sie nach Ansicht von Schmidt-Hellinger nur bedingt: „Tatsächlich liegen nur etwa 50 Prozent der Personen am Ende mit ihrer maximalen Herzfrequenz im Bereich dieser grob ausgerechneten Werte.“ Zehn Prozent lägen sogar 15 bis 20 Schläge daneben – und damit erheblich.

Etwas näher an der Realität liegt seiner Ansicht nach die 2001 von Hirofumi Tanaka entwickelte Formel: „HF Max = 208 – 0,7 x Lebensalter.“ Für beide Formeln gelte aber, dass man sie maximal dafür nutzen sollte, um grobe Trainingsbereiche festzulegen. „Jemand, der die Ansage hat, bei 150 Schlägen zu trainieren – aber gefühlt bei 130 schon am Anschlag ist, den überfordert man komplett“, warnt Schmidt-Hellinger. Auf der anderen Seite könne man einen „Hochpulser“ mit solchen Ansagen unterfordern. Die Sportmedizin nimmt Abstand von diesen Formeln.

Wie Profis die maximale Herzfrequenz – bzw. den HF Peak – ermitteln

In Fachkreisen wird die HF Max – bzw. die HF Peak, also höchste erreichte Herzfrequenz – in einer kontrollierten Leistungsuntersuchung (Ergometrie) per Stufen- oder Rampentest gemessen. Übersetzt heißt das: Das Laufband wird immer schneller oder der Widerstand auf dem Fahrrad wird immer größer. „Der Athlet wird belastet, bis er nicht mehr kann. Was in diesem Moment gemessen wird, ist die HF Peak“, erklärt Schmidt-Hellinger.

Ebenfalls angewendet zur Ermittlung der HF Peak wird in der Sportwissenschaft der sogenannte Cooper-Test: Dafür schickt man beispielsweise eine ganze Fußballmannschaft über zwölf Minuten für maximales Tempo auf die Laufbahn mit der Anweisung, einen 200-Meter-Endspurt hinzulegen. Wenn man möchte, kann man dann aus dem Ergebnis seine Trainingsbereiche abstecken.

70 Prozent der HF Max für optimales Ausdauertraining – stimmt das?

Womit wir bei der omnipräsenten Empfehlung für Ausdauersportler angelangt sind: 70 Prozent der maximalen Herzfrequenz für optimales Training. Stimmt denn wenigstens das? „Für Amateure mag diese prozentuale Angabe zur groben Trainingssteuerung reichen“, bestätigt Schmidt-Hellinger. Fachleuten sei sie zu ungenau.

Profis ziehen – nach Ermittlung der HF Peak – Informationen über die Chemie hinzu, die bei einer bestimmten Leistung im Muskel gebildet wird: Laktat, das Anion der Milchsäure. „Der Profi trainiert also nicht bei einer bestimmten Herzfrequenz, sondern bei einer Leistung, die einem erwünschten Laktatwert entspricht.“

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HF Max und Laufen

Im klassischen Ausdauertraining sei es im Übrigen gar nicht notwendig, den Maximalpuls zu erreichen, relativiert Schmidt-Hellinger den Wirbel um die HF Max. Beim Laufen beispielsweise müsste man sich so stark belasten, dass orthopädische Probleme die Folge sind: Die Waden sind so hart, dass man ein paar Tage gar nicht trainieren kann – oder, im Extremfall, die Achillessehne reißt. „Anders sieht es im Mittelstreckenlauf mit Endspurt aus. Da muss man sie erreichen.“

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Sportarten am Maximalpuls

Als Faustregel gilt: Je mehr Muskelmasse eingesetzt wird, desto eher erreicht man die maximale Herzfrequenz. Radfahrer erreichen sie in der Regel nicht; auch bei Läufern sind nur die Mittelstreckler damit konfrontiert. „Am ehesten erreicht man sie – bei guter Technik – beim Skilanglauf, weil man da die meisten Muskeln nutzt“, erklärt Schmidt-Hellinger. Auch einem guten Crossfitter, der „bis an sein Maximum“ Burpees absolviere oder auf dem Aussault-Bike antrete, bescheinigt der Experte gute Chancen, an seinen HF Max heranzukommen.

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Fazit und Trainingsempfehlung

Der Maximalpuls eines Menschen ist genetisch bedingt, entsprechend große Unterschiede gibt es. Die oben genannten gängigen Formeln sind nicht geeignet, um die maximale Herzfrequenz korrekt zu bestimmen. Sie taugen allenfalls dazu, grobe Trainingsbereiche festzulegen. Wer nicht die Möglichkeit hat, seine HF Max (bzw. die HF Peak) professionell messen zu lassen, dem empfiehlt Schmidt-Helliniger mit subjektivem Belastungsempfinden zu trainieren.

  • Lockeres Training: man kann noch singen und reden
  • Moderates Training: man kann noch reden aber nicht mehr singen
  • Intensives Training: man kann kaum noch reden; davon maximal 1-3 Einheiten pro Woche mit mindestens 48 Stunden Pause dazwischen.

Und noch ein ganz wichtiger Hinweis zum Schluss: Intensives Training (mehr als 85 Prozent des Maximalpulses) sollte nie mehr als ein Drittel des Trainings-Gesamtumfangs umfassen.

Themen Laufen
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