4. Mai 2025, 8:09 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Kopfschmerzen, Krämpfe, PMS – viele Frauen kämpfen regelmäßig mit Zyklusbeschwerden. Linderung verspricht das sogenannte „Seed Cycling“: eine Methode, bei der bestimmte Samen in den verschiedenen Phasen des Zyklus gezielt gegessen werden. FITBOOK klärt gemeinsam mit Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl was die „Samen-Rotation“ wirklich leisten kann.
Nicht nur während der Periode haben viele Frauen mit körperlichen und teilweise auch mentalen Beschwerden zu kämpfen. Eine zyklusorientierte Ernährung mit verschiedenen Saaten – darunter Kürbiskerne, Leinsamen, Sonnenblumenkerne und Sesam – soll dabei helfen, die Symptome auf natürliche Weise zu lindern. Doch hält Seed Cycling wirklich, was es verspricht?
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Übersicht
Was ist Seed Cycling?
Seed Cycling (auf Deutsch: Samen-Rotation) ist eine Ernährungsmethode, bei der gezielt verschiedene Samen in den einzelnen Phasen des Menstruationszyklus verzehrt werden. Die natürliche Herangehensweise soll dabei helfen, hormonelle Schwankungen auszugleichen und typische Zyklusbeschwerden zu lindern.
Zum Einsatz kommen dabei sogenannte Ölsaaten wie Kürbiskerne, Leinsamen, Sonnenblumenkerne und Sesam.1 Sie werden im Einklang mit der jeweiligen Zyklusphase über einen längeren Zeitraum in die Ernährung eingebaut.
Leinsamen und Kürbiskerne sind reich an sogenannten Phytoöstrogenen. Das sind pflanzliche Verbindungen, die sich durch ihre östrogene und zugleich antiöstrogene Wirkung regulierend auf den Hormonhaushalt auswirken sollen.2,3 Sonnenblumenkerne enthalten hingegen Vitamin B1, B6 und E sowie Zink und Magnesium, denen ebenfalls eine unterstützende Wirkung auf den Hormonhaushalt nachgesagt wird.
So funktioniert Seed Cycling
Doch wie funktioniert das Prinzip des Seed Cyclings? Der weibliche Menstruationszyklus teilt sich in vier Phasen: die Menstruationsphase (Tag 1–5), die Follikelphase (Tag 1–14, beginnt mit der Periode), die Ovulationsphase (um Tag 14) und die Lutealphase (Tag 15–28). Passend zu den Abschnitten des Zyklus kommen die einzelnen Saaten zum Einsatz.
Die erste Hälfte des Zyklus, die Follikelphase (Tag 1–14), startet mit dem ersten Tag der Periode und endet mit dem Eisprung. In dieser Phase reifen neue Eibläschen (Follikel) in den Eierstöcken heran, und der Östrogenspiegel steigt.4 In dieser Phase wird pro Tag ein Esslöffel Leinsamen sowie ein Löffel Kürbiskerne gegessen.
In der zweiten Zyklushälfte, der Luteal- oder Gelbkörperphase (Tag 15–28), steigt zunächst der Progesteronspiegel an. Dieses Hormon bereitet die Gebärmutterschleimhaut auf eine mögliche Einnistung vor. Bleibt eine Befruchtung aus, sinken sowohl die Progesteron- als auch die Östrogenwerte wieder ab. Diese hormonellen Schwankungen können bei vielen Frauen zu typischen PMS-Beschwerden führen. Dazu zählen Unterbauchschmerzen, schmerzende Brüste, Stimmungstiefs oder Reizbarkeit.5 In dieser Phase des Seed Cyclings werden täglich ein Esslöffel geschrotete Sesam und Sonnenblumenkerne gegessen.

Diese Beschwerden soll Seed Cycling lindern
Das Seed Cycling soll durch die in den Samen enthaltenen natürlichen Wirkstoffe gegen eine Reihe von zyklusbedingten Beschwerden und Störungen helfen. Dazu gehören:
- unregelmäßige Regelblutungen
- Prämenstruelles Syndrom (PMS)
- hormonelle Akne
- Wechseljahresbeschwerden
- Fruchtbarkeit
- Polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS)
Das sagt die Wissenschaft
Es gibt inzwischen vereinzelte Studien, die das Konzept des Seed Cyclings und dessen Einfluss auf den weiblichen Zyklus untersucht haben – insbesondere bei Frauen mit dem Polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS). PCOS (FITBOOK berichtete) zählt zu den häufigsten hormonellen Störungen bei Frauen und geht oft mit einer erhöhten Produktion männlicher Hormone einher.
Seed Cycling als natürliche Therapie bei PCOS
In einer kontrollierten Interventionsstudie untersuchte ein Forschungsteam, ob die im Seed Cycling verwendeten Samen als eine natürliche Therapie für Frauen mit PCOS eingesetzt werden können.6 Dazu wurden 90 betroffene Frauen in drei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe erhielt täglich 30 Gramm einer Mischung aus Kürbis-, Sonnenblumen-, Sesam- und Leinsamen. Die zweite Gruppe wurde mit dem PCOS-Medikament Metformin behandelt, während die dritte Gruppe keine Therapie erhielt.
Nach zwölf Wochen wurden unter anderem Hormonspiegel, Körpergewicht, Zyklusregelmäßigkeit sowie Blut- und Fettwerte überprüft. In der Gruppe mit der Samenmischung zeigten sich deutliche Verbesserungen. Der Hormonhaushalt stabilisierte sich, der Testosteronspiegel sank, der Zyklus wurde regelmäßiger. Auch typische PCOS-Symptome gingen zurück und Blutzucker- und Cholesterinwerte regulierten sich. Bei einigen Frauen wurde zusätzlich eine Gewichtsabnahme festgestellt. Die Wirkung der Samenmischung konnte in einigen Punkten mit der von Metformin mithalten – und schnitt teils sogar besser ab.
Das sagt der Experte
Dr. Matthias Riedl, Internist und ärztlicher Leiter des Medicum Hamburg, bestätigt, dass es durchaus ernährungsphysiologische Gründe für die hormonell ausgleichende Wirkung bestimmter Inhaltsstoffe durch Seed Cycling gibt. So können Lignane – pflanzliche Phytoöstrogene, die etwa in Leinsamen vorkommen – den Östrogenspiegel positiv beeinflussen und in der ersten Zyklushälfte unterstützend wirken. Das kann hormonellen Ungleichgewichten, wie sie etwa beim Polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS) auftreten, entgegenwirken. Auch Omega-3-Fettsäuren in Leinsamen wirken entzündungshemmend und können bei Erkrankungen wie Endometriose oder PCOS hilfreich sein. Zudem ähneln Phytosterine dem Cholesterin, das eine wichtige Rolle bei der Bildung von Sexualhormonen wie Progesteron spielt.

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Einordnung
Trotz der derzeit noch zu geringen Studienlage und fehlender evidenzbasierter Empfehlungen hält Dr. Matthias Riedl den ernährungsphysiologischen Ansatz des Seed Cyclings für grundsätzlich plausibel. Er passe gut zu bestehenden Ernährungsempfehlungen bei PCOS, etwa dem Fokus auf Gewichtsreduktion und komplexe Kohlenhydrate. Diese Maßnahmen könnten zur Reduktion von viszeralem Bauchfett beitragen, das wiederum den Hormonhaushalt negativ beeinflusse. Da Beschwerden bei PCOS sehr individuell sind, sieht Riedl in Seed Cycling einen vielversprechenden, risikoarmen Ansatz, der individuell ausprobiert werden kann. Weitere Studien wären wünschenswert, um das Potenzial dieses Ansatzes wissenschaftlich fundiert zu untermauern.