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„Zuckerfrei“-Kolumne

»Wie ich es schaffte, dass meine Kinder viel weniger Zucker konsumieren

Jelly Beans: Kinder und Zucker
Gerade bei Süßigkeiten scheinen viele Eltern oft zu nachsichtig zu sein – dabei hat ein übermäßiger Zuckerkonsum teils drastische Folgen für die Gesundheit Foto: Getty Images
Nuno Alves
Chefredakteur

15.10.2021, 13:15 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Für einen Erwachsenen mag es noch zumutbar sein, ganz auf zugesetzten Zucker zu verzichten. Aber eine Kindheit ohne Süßigkeiten? Undenkbar. Dabei wäre etwas weniger nicht nur gut für die Gesundheit des Nachwuchses. In seiner Kolumne berichtet Nuno Alves, der seit 2018 auf Haushaltszucker verzichtet, wie er es schaffte, den Zucker-Konsum seiner Töchter zu reduzieren.

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Würden Sie Ihrem Kind etwas geben, von dem Sie wissen, dass es das Risiko für Übergewicht und Fettleibigkeit, Bluthochdruck, kaputte Zähne, Diabetes, Krebs, Fettleber und Herzinfarkt erhöht? Ziemlich sicher nicht. Und dennoch tun wir Eltern genau das tagtäglich – und glauben dabei auch noch, den Kleinen etwas Gutes zu tun. Die Rede ist von Zucker, besser gesagt: von den Myriaden an zuckerhaltigen Lebensmitteln und Getränken, die unsere Kinder jeden Tag zur Auswahl haben und konsumieren. Freier Zucker macht etwa 16 Prozent der täglichen Energieaufnahme bei den 3- bis 18-Jährigen aus.1 Die WHO empfiehlt einen Anteil von fünf Prozent.

Bei Zucker sind wir Eltern bisweilen fahrlässig

Die oben beschriebenen Krankheiten mögen dramatisch klingen. Es sind aber tatsächlich die möglichen Auswirkungen eines übermäßigen Zuckerkonsums auf die Gesundheit.2,3,4
Oft wird der Vergleich mit dem Rauchen oder Alkohol herangezogen – etwas, bei dem sich ziemlich alle Eltern einig sind, dass es für das Wohl ihrer Kinder nicht zuträglich ist. Nein zu Schnaps und Kippe, aber Ja zu Gummibärchen, Zuckerwatte und Limonade. Glaubt man anerkannten Ernährungsexperten und den vielen Studien, hat die Überfütterung unserer Kinder mit Zucker schon fast etwas von Körperverletzung.

Aber warum sind wir Eltern beim Zucker so nachsichtig, bisweilen sogar fahrlässig? Liegt es daran, dass sich das schreiende Kind schnell beruhigt, sobald es die Schokolade bekommt? Der Durst sich nur mit Apfel- oder Traubensaft stillen lässt? Oder, dass es so glückselig strahlt beim Anblick eines Eises oder einer Tüte Fruchtgummis? Und dann dieses „Danke, Papa!“ (oder Mama), das uns kurz das Gefühl gibt, wir seien die besten Eltern der Welt. Dopamin für die ganze Familie! Alles richtig gemacht. Oder etwa nicht?

Gewähren lassen oder Einhalt gebieten?

Nein, ich möchte hier nicht den Finger heben und so tun, als sei die Ernährung meiner beiden Töchter (11 und 13) der zuckerfreie Traum eines jeden Ökotrophologen. Auch bei einem zuckerfrei lebenden Papa gibt es nach wie vor in Schokoaufstrich getränkte Waffeln und Crêpes, Süßes in der Pausenbox und Kindergeburtstage, an denen es buchstäblich Süßigkeiten regnet (Piñatas!). Hinzu kommen die omnipräsenten Aufmerksamkeiten: Lolli in der Pizzeria, Traubenzucker in der Apotheke, Gummibärchen-Tütchen hier, süße Riegel da…

Je mehr ich mich jedoch aufgrund meiner zuckerfreien Ernährung mit den Folgen des übermäßigen Zuckerkonsums beschäftige, desto mehr plagen mich Zweifel bei der Ernährung meiner Kinder. Ich stehe tagein, tagaus vor dem Dilemma: Gewähren lassen oder Einhalt gebieten?

Zucker macht Kinder glücklich – und krank!

Sicher mag es Eltern geben, die dem permanenten Betteln und Quengeln aus Konfliktscheu und/oder Erschöpfung nachgeben. Nicht wenige übertragen die Verantwortung auf die Kinder selbst und behaupten, sie wüssten schon selbst, was gut für sie sei. Was für eine Verblendung! Zumal in diesem Alter oft die Grundlagen für die Ernährung (und Gesundheit!) geschaffen werden. Und einige sind wirklich überzeugt davon, dass alles, was Kinder glücklich und satt macht, auch gut für sie ist. Dabei ist gerade bei Süßem das Gegenteil der Fall. Das langfristige Leid steht im krassen Missverhältnis zum kurzfristigen Zuckerrausch. Karies mag noch mit Bohren, Füllungen und – sofern nur die Milchzähne betroffen sind – mit den bleibenden Zähnen zu lösen sein. Bei Übergewicht und ersten Anzeichen eines metabolischen Syndroms sind die Folgen schon ernster. Oft folgen Diabetes Typ 2, und damit einhergehend eine geringere Lebenserwartung.5

Bestenfalls warnt der Kinderarzt vor den Problemen und rät zu Ernährungsumstellung. Mitunter vergehen aber auch Jahre bis zum (An)Erkennen der Ursache und schließlich einer Verhaltensänderung. Allerdings hängt vieles von den Eltern, ihrem Bewusstsein für Ernährung und ihrem Wissen darüber ab. Eine interessante Studie aus dem Jahr 2018 zeigte beispielsweise, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Übergewicht bei Kindern und der Fähigkeit der Eltern, den Zuckeranteil in Lebensmitteln einschätzen zu können.6

Auch interessant: Viele Namen, ein Inhaltsstoff – die gefährliche Zuckerfalle

Was tun gegen übermäßigen Zuckerkonsum?

Was also tun? Natürlich sind Transparenz und Information wichtig. Lebensmittel mit einem hohen Anteil an zugesetztem Zucker sollten klar gekennzeichnet werden. Parallel sollte aktiv über die Risiken eines hohen Zuckerkonsums informiert werden. Letzten Endes bleibt aber die Verantwortung bei den Eltern.

Die Frage „Was tun?“ stellte auch ich mir häufig angesichts des phasenweise hohen Süßigkeitenkonsums meiner Töchter, der – zum Glück – noch ohne Folgen geblieben zu sein scheint. Natürlich könnte man verbieten und vorenthalten, aber wie nachhaltig ist das?

Ich fing bei mir selbst. Als ich mich 2018 entschloss, dem Zucker zu entsagen, merkte ich, wie häufig ich zuvor unbewusst zu etwas Süßem gegriffen hatte. Und plötzlich saß ich am Esstisch und aß, statt einer Milchschokolade, den ungesüßten Naturjoghurt mit Beeren. Gleichzeitig löffelten die Kinder Abend für Abend weiter übersüßte Puddings oder Ähnliches.

Mein Verzicht warf viele Fragen auf bei meinen Töchtern: „Du mochtest doch immer Süßigkeiten. Warum isst du keine mehr?“ Und ich erklärte ihnen, dass ich gemeinsam mit ihrem Opa, meinem Vater, darauf verzichten wolle, weil er an einem Hirntumor litt und ein Arzt ihm geraten hatte, den Zucker zu streichen. Und als ich nach dem Tod meines Vaters weitermachte, kamen Fragen auf wie: „Willst du wirklich nie wieder Zucker essen?“. Es beschäftigte sie, was ich so aß bzw. nicht aß.

Mit der Zeit wurde das Besondere zur Normalität. Aber die Fragen meiner Töchter wurden spezieller: „Warum ist in Salami eigentlich immer Zucker?“, „Wird in Orangensaft auch Zucker reingetan?“ Auf Fragen folgten Antworten. Heute haben sie ein rudimentäres Verständnis davon, in welchen Lebensmitteln unnötigerweise Zucker zugesetzt ist.

Auch interessant: „Seit mein Vater an einem Hirntumor erkrankte, lebe ich zuckerfrei“

Den Zucker langsam reduzieren

Meine persönliche Challenge hat mit dazu geführt, dass sich meine Kinder mit Ernährung auseinandersetzen, besser gesagt: mit dem süßen Teil. Und sie versuchen selbst, ihren Konsum einzuschränken. Parallel drängen wir überall dort den Zucker aus dem Speiseplan, wo es möglich ist: Beim morgendlichen Kakao etwa mischten wir zunächst über Wochen hinweg 100-prozentiges Kakaopulver mit dem handelsüblichen gesüßten kakaohaltigen Getränkepulver, verringerten den Anteil von Letzterem und verzichten mittlerweile komplett darauf. Nun trinken sie morgens Haferdrink (der sehr süß ist) mit Kakao pur und empfinden den gezuckerten Kakao als viel zu süß.

Ähnlich bei selbst gebackenen Kuchen: Die Zuckermenge aus dem Rezept wird grundsätzlich reduziert, was den Geschmack kaum beeinträchtigt. Er schmeckt dennoch, kommt aber zuweilen mit weniger als die Hälfte der angegebenen Menge aus.

Meine Kinder wissen mehr über Zucker in Lebensmitteln, als ich in ihrem Alter wusste

Am bemerkenswertesten ist jedoch, dass meine beiden Töchter ein Bewusstsein dafür entwickelt haben, wann es zu viel ist. Ein Eis am späten Nachmittag und sie verzichten abends nach dem Essen oft freiwillig auf die Nachspeise. Im Supermarkt ertappe ich sie manchmal, wie sie die Listen der Inhaltsstoffe lesen und nach Zucker fahnden – auch um Lebensmittel zu finden, die Papa theoretisch essen würde.

Aber wie eingangs schon erwähnt: Ich möchte unseren Ernährungsalltag zu Hause nicht überhöhen. Niedergeschrieben mag es idealtypischer klingen, als es letztlich ist, denn im Schrank stecken weiterhin Zuckerbomben (zu denen auch gern mal gegriffen wird!). Und der Nachschub stockt selten: Noch immer sind Süßigkeiten ein typisches Geschenk von Familie und Freunden, noch immer fällt das Vermeiden angesichts der Flut an Zuckerhaltigem schwer. Aber: Meine Töchter wissen jetzt schon so viel mehr als ich in ihrem Alter. Und ich kann mit Sicherheit behaupten, dass sich ihr Zuckerkonsum seit meinem kompletten Verzicht drastisch reduziert hat. Allein dafür hat es sich gelohnt.

Hier geht’s zu den anderen Teilen der Zuckerfrei-Kolumne.

Auch Sie versuchen, in Ihrer Familie den Zuckerkonsum zu reduzieren? Schreiben Sie Nuno Alves an zuckerfrei@fitbook.de

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Quellen

Themen Zucker Zuckerfrei leben
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