
18. Juni 2025, 11:02 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Vater werden ist aufregend – aber auch belastend. Zwischen Windeln, schlaflosen Nächten und neuen Rollenfragen geraten die Gefühle vieler Männer ins Wanken. Doch was bisher oft übersehen wurde: Wenn Väter in dieser Zeit psychisch leiden, wirkt sich das nicht nur auf sie selbst aus – sondern auch auf die Entwicklung ihres Kindes. Einige kürzlich veröffentlichte Forschungsarbeiten verdeutlichen, wie eng das zusammenhängt.
Psychische Belastungen bei werdenden oder frischgebackenen Vätern galten lange als zweitrangig – ein gefährlicher Irrtum. Darauf verweisen direkt mehrere im April und Juni 2025 veröffentlichte Studien. Ihnen zufolge kann die Psyche des Vaters, in Form von Depressionen, Ängsten und Stress rund um die Geburt des Kindes, die Entwicklung des Nachwuchses nachhaltig beeinträchtigen – vom ersten Lebenstag bis ins Jugendalter.
Ganz aktuell ist etwa eine umfangreiche Meta-Analyse zur väterlichen psychischen Gesundheit während der Schwangerschaft und dem ersten Jahr nach der Geburt. Sie liefert beunruhigende Erkenntnisse. Die Arbeit von Forschenden der Deakin University (Australien) offenbart einen Zusammenhang zwischen väterlichem psychischem Stress und einer verschlechterten Entwicklung der Kinder. Besonders auffällig: Die Effekte zeigten sich nicht nur im Säuglingsalter, sondern reichten teils bis in die Schulzeit.1
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Übersicht
- Meta-Analyse untersucht die Auswirkung der Psyche des Vaters auf das Kind
- Studiendesign und Methoden
- Hat der Vater psychische Probleme, beeinflusst das seinen Nachwuchs vielfältig und langfristig
- Welche Bedeutung haben die Ergebnisse?
- Einordnung und mögliche Einschränkungen
- Väterliche Psyche Gegenstand weiterer Meta-Analyse
- Auswirkung von Depression des Vaters auf Schulkinder
- Fazit: Für das Wohlergehen des Kindes muss die Psyche des Vaters mehr Beachtung finden
- Quellen
Meta-Analyse untersucht die Auswirkung der Psyche des Vaters auf das Kind
Die Studie zielte darauf ab, systematisch zu untersuchen, ob und wie sich psychische Belastungen bei Vätern in der Perinatalzeit auf die Entwicklung ihrer Kinder auswirken. Die Perinatalzeit umfasst Schwangerschaft und das erste Jahr nach der Geburt – eine kritische Phase für die Eltern-Kind-Beziehung. Mütterliche, mentale Beschwerden (z. B. mit Themen wie postnataler Depression) stehen mittlerweile glücklicherweise zunehmend im Fokus. Dagegen fehlten bislang systematische Analysen zum Einfluss väterlicher Belastungen auf das Wohlergehen des Kindes. Diese Lücke wollte man nun schließen und die Frage klären, ob väterliche Symptome wie Depression, Angst und Stress tatsächlich langfristige Auswirkungen auf den Nachwuchs (im Blick standen die ersten 18 Lebensjahre der Kinder) haben.
Studiendesign und Methoden
Bei der Forschungsarbeit handelt es sich um eine systematische Übersichtsarbeit mit Meta-Analyse, also eine Zusammenfassung und statistische Auswertung zahlreicher einzelner Studien. Das Team durchsuchte fünf große medizinische und psychologische Datenbanken (u. a. Medline, Embase, PsycInfo) nach Studien bis November 2024. Die Wissenschaftler berücksichtigten ausschließlich Langzeitstudien mit menschlichen Probanden, in denen man sowohl Daten zur psychischen Belastung von Vätern in der Perinatalzeit als auch zur kindlichen Entwicklung erhoben hatte.
Insgesamt waren 9.572 Studien Teil der Meta-Analyse. Von diesen erfüllten 84 Studien (48 Kohorten) mit 674 Effektgrößen die Kriterien für die Meta-Analyse. Darunter waren auch 286 bislang unveröffentlichte Datenpunkte. Die Qualität der Studien wurde mit dem offiziellen Bewertungsinstrument der US-amerikanischen National Institutes of Health geprüft. Die statistische Analyse erfolgte mithilfe eines univariaten Random-Effects-Modells, das eine robuste Auswertung bei heterogenen Studien erlaubte. Univariat bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Verfahren eine einzelne Variable, hier die väterliche Psyche, analysiert hat.
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Hat der Vater psychische Probleme, beeinflusst das seinen Nachwuchs vielfältig und langfristig
Das Ergebnis der Auswertung: Wenn Väter während der Schwangerschaft oder in den ersten Monaten nach der Geburt unter seelischen Belastungen wie Depressionen, Ängsten oder starkem Stress litten, hatte das messbare Folgen für die Entwicklung ihrer Kinder.
Die perinatale psychische Belastung des Vaters war mit einer schlechteren globalen bzw. generellen, sozial-emotionalen, kognitiven, sprachlichen und körperlichen Entwicklung des Nachwuchses verbunden. Keine Auswirkung schien die väterliche Psyche auf die Fähigkeiten zur Anpassung sowie Motorik zu haben.
Auffällig war außerdem: Die seelische Verfassung des Vaters nach der Geburt hatte mehr Einfluss auf das Kind als sein Zustand während der Schwangerschaft. Das zeigt, wie wichtig die Rolle des Vaters im Alltag mit dem Baby ist – nicht nur biologisch, sondern auch durch Nähe, Umgang und Verhalten.
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Welche Bedeutung haben die Ergebnisse?
Die Resultate liefern starke Hinweise darauf, dass die psychische Gesundheit von Vätern in der frühen Familienphase ein eigenständiger Risikofaktor für Entwicklungsstörungen bei Kindern sein kann. Besonders betroffen sind offenbar Fähigkeiten, die für schulischen und sozialen Erfolg essenziell sind – wie Sprache, Kognition und soziale Interaktion. Das macht deutlich: Prävention und Unterstützung dürfen nicht bei der Mutter enden. Auch Väter benötigen gezielte psychologische Betreuung in Schwangerschaft und früher Elternzeit. Für Kinderärzte, Psychologen und Gesundheitssysteme bedeutet das: Die Einbeziehung von Vätern in Vorsorgeprogramme sollte zur Regel werden, nicht zur Ausnahme.
Einordnung und mögliche Einschränkungen
Die Studie überzeugt durch Umfang, Qualität und methodische Strenge. Mit 674 Effektgrößen aus 48 Kohorten bietet sie eine sehr robuste Datengrundlage. Dennoch sind Einschränkungen zu beachten: So war die Datenlage in der Adoleszenz des Nachwuchses dünn, was Aussagen über Langzeiteffekte bis ins Jugendalter erschwert. Zudem beruhen die Effekte auf meist moderaten Korrelationen – es handelt sich also nicht um direkte Ursachen, sondern um statistische Zusammenhänge. Unveröffentlichte Daten wurden zwar berücksichtigt, könnten aber methodisch weniger kontrolliert sein.
Auch mögliche Störfaktoren – wie mütterliche Belastungen oder sozioökonomischer Status – ließen sich nicht in allen Studien gleich gut kontrollieren. Es ist also nicht eindeutig auszuschließen, dass womöglich nicht nur der Vater, sondern auch die Mutter nach der Geburt psychisch belastet war. Dies hätte logischerweise einen zusätzlichen Effekt auf das Kind. Dennoch bleibt das zentrale Fazit tragfähig: Die väterliche perinatale psychische Belastung hat einen Effekt auf die kindliche Entwicklung.
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Väterliche Psyche Gegenstand weiterer Meta-Analyse
Zeitgleich mit der zuvor erläuterten Meta-Analyse veröffentlichten auch Forscher aus Chicago eine umfangreiche Review von Studien. Auch in diesen hatte man die Auswirkungen der belasteten Psyche von Vätern auf ihre Kinder untersucht. Genauer betrachtet wurden Depression, Angst, die Kombination von Depression und Angst sowie Stress frischgebackener Väter. In dieser zweiten Meta-Analyse durchforsteten die Wissenschaftler 8023 Studien, prüften 777 Volltextartikel und wählten letztendlich 84 Studien mit insgesamt 674 Effektgrößen für die Auswertung aus. Das Kontaktieren von Forschern, die sich mit dem Thema befasst hatten, führte zu weiteren 244 untersuchten Effekten, die Teil der Analyse wurden. Auch die Meta-Analyse aus Chicago zeigte einen Zusammenhang zwischen dem mentalen Zustand des Vaters und der generellen, sozio-emotionalen, kognitiven und sprachlichen Entwicklung des Kindes.2
Auswirkung von Depression des Vaters auf Schulkinder
Eine weitere Studie von April 2025 hat sich spezifisch den Entwicklungsstand neunjähriger Kinder mit psychisch leidenden Vätern angeschaut. Die Forschenden analysierten Daten von 1422 Kindern aus einer nationalen Kohorte und stellten fest, dass die Psyche des Vaters sie offenbar in ihrer Entwicklung beeinträchtigt hatte. Väterliche Depression war mit einem um 25 bis 37 Prozent erhöhten Risiko für oppositionelles Verhalten, Hyperaktivität und ADHS-Symptome verbunden. Dieser Zusammenhang bestand unabhängig von mütterlicher Depression oder sozioökonomischen Faktoren. Zusätzlich zeigten diese Kinder signifikant niedrigere Werte in positiven sozialen Kompetenzen wie z. B. Kooperation, Durchsetzungsvermögen und Selbstkontrolle. Auch wiesen sie häufiger problematische Verhaltensmuster im Schulkontext auf.3
Die Bewertung des Verhaltens der Kinder erfolgte durch Lehrkräfte, subjektive Meinungen der Eltern flossen nicht mit ein. Allerdings weist die Studie Ungenauigkeiten in der Erfassung des väterlichen mentalen Zustands auf. Die Forscher ermittelten z. B. nicht im Detail die Schwere und Dauer der Depression. Zusätzlich kann auch diese Studie, wie schon die zuvor beschriebenen Meta-Analysen, zwar Zusammenhänge, aber keine Kausalitäten aufzeigen. Auch ist nicht klar, ob andere Faktoren, wie genetische Vorbelastungen oder weitere Dynamiken im Umfeld der Kinder, eine Rolle bei ihren Verhaltensauffälligkeiten spielen.

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Fazit: Für das Wohlergehen des Kindes muss die Psyche des Vaters mehr Beachtung finden
Trotz der unterschiedlichen Ansätze und Limitationen liefern die Studien wichtige Hinweise dafür, dass die psychische Gesundheit von Vätern in der Zeit rund um die Geburt und danach messbare Auswirkungen auf die Entwicklung ihrer Kinder hat. Dies scheint die Sprache des Nachwuchses genauso zu betreffen wie die Kognition oder die soziale Reife. Postnatale Belastungen scheinen dabei stärker zu wirken als pränatale. Väter sollten deshalb systematisch in präventive und therapeutische Angebote einbezogen werden – für ihre eigene psychische Stabilität, aber offenbar auch zum Wohl ihrer Kinder.