
2. Juni 2025, 4:04 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Es ist ein Moment, der Eltern oft den Boden unter den Füßen wegreißt: Das eigene Kind – so voller Energie, so kreativ – gerät ständig in Konflikte. In der Schule heißt es: Konzentrationsstörungen und Impulsivität. Zu Hause kracht es häufig – Wutanfälle, Diskussionen, Tränen. Eltern fühlen sich hilflos, überfordert, manchmal schuldig. ADHS zählt zu den häufigsten psychischen Störungen im Kindesalter. Etwa fünf Prozent der Kinder in Deutschland sind betroffen. Eine frühzeitige Diagnose und eine individuell abgestimmte Therapie sind entscheidend, um die Lebensqualität der betroffenen Kinder und Familien zu verbessern. FITBOOK-Redakteurin Julia Freiberger erklärt, wie man ADHS bei Kindern erkennen kann und welche Therapiemöglichkeiten es gibt.
ADHS bringt Familien oft an ihre Grenzen. Der Alltag wird zum Drahtseilakt zwischen Liebe und Frust, Geduld und Verzweiflung. Dabei ist es nicht die Schuld der Eltern – und schon gar nicht die des Kindes. ADHS ist eine echte Herausforderung, aber auch eine Chance, gemeinsam zu wachsen.
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Übersicht
Was ist ADHS?
Unter dem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (kurz ADHS genannt) versteht man eine neurologisch bedingte Störung. Charakteristisch für sie ist, dass die Betroffenen anhaltende Muster von Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität aufweisen. Diese Verhaltensweisen gehen über das für das Alter und den Entwicklungsstand des Kindes übliche Maß hinaus und können zu erheblichen Beeinträchtigungen in sozialen, schulischen und familiären Bereichen führen. Die Symptome treten in der Regel vor dem zwölften Lebensjahr auf und müssen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten bestehen, um die Diagnose zu rechtfertigen.
ADHS unterscheidet man in drei sogenannte Haupttypen:
- Vorwiegend unaufmerksamer Typ (ADS): Kinder zeigen hauptsächlich Unaufmerksamkeit, sind leicht ablenkbar und haben Schwierigkeiten, Aufgaben zu organisieren.
- Vorwiegend hyperaktiv-impulsiver Typ: Kinder sind überwiegend hyperaktiv und impulsiv, zeigen allerdings weniger Unaufmerksamkeit.
- Kombinierter Typ: Eine Mischung aus Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität.1
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Ursachen der Erkrankung
Bislang konnten die genauen Ursachen von ADHS nicht vollständig geklärt werden. Es wird jedoch angenommen, dass eine Kombination aus genetischen, neurobiologischen und psychosozialen Faktoren eine Rolle bei der Entstehung spielt.
Neurobiologische Faktoren
Untersuchungen zeigen, dass der Transport des Botenstoffs Dopamin im Gehirn bei ADHS verändert ist – insbesondere in Bereichen, die für Gedächtnis- und Lernfunktionen wichtig sind.
Psychosoziale Faktoren
Einflüsse wie eine instabile Familiensituation, psychische Erkrankungen der Eltern, finanzielle Probleme in der Familie, eine uneinheitliche Erziehung oder häufige Kritik können das Risiko für die Entstehung von ADHS erhöhen.
Genetische Faktoren
ADHS tritt oft familiär gehäuft auf, was auf eine genetische Veranlagung hinweist.
Weitere Risikofaktoren
Rauchen, Alkoholkonsum oder Drogenkonsum der Mutter während der Schwangerschaft, Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht und Sauerstoffmangel bei der Geburt können ebenfalls das Risiko für ADHS erhöhen.2
ADHS Symptome bei Kindern
Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität sind an sich normale Eigenschaften, die jedes Kind mal zeigt. Bei ADHS sind diese jedoch so stark ausgeprägt, dass sie das alltägliche Leben massiv beeinträchtigen.
Unaufmerksamkeit:
- Kinder hören in der Schule oft nicht zu, lassen sich leicht ablenken, machen viele Flüchtigkeitsfehler, verlieren Dinge oder vergessen Aufgaben.
- Auch in der Freizeit fällt es ihnen schwer, bei einer Sache zu bleiben.
Impulsivität:
- Kinder können nicht abwarten, drängeln sich vor, unterbrechen Gespräche, platzen mit Antworten heraus und handeln oft unüberlegt.
Hyperaktivität:
- Sie zappeln ständig, rutschen auf dem Stuhl herum, können kaum leise sein, laufen häufig umher oder klettern auf Möbel.
- In Situationen mit vielen Eindrücken, etwa bei Familienfeiern, verstärken sich die Symptome oft.3
Die Ausprägung kann unterschiedlich sein – manche Kinder sind vor allem unaufmerksam („Tagträumer“), andere eher impulsiv und hyperaktiv.4
So verläuft ADHS bei Kindern
ADHS beginnt meist im Kindesalter. Bei jüngeren Kindern überwiegt oft die körperliche Unruhe. Mit dem Alter verändert sich das Bild:
- Jugendliche zeigen weniger offensichtliche Hyperaktivität, wirken aber oft innerlich getrieben.
- Im Erwachsenenalter bleiben häufig Schwierigkeiten bei Aufmerksamkeit, Organisation und Impulskontrolle bestehen.
- Etwa 50 bis 80 Prozent der Betroffenen haben auch als Erwachsene noch ADHS-Symptome, etwa 15 Prozent erfüllen weiterhin alle Kriterien.
Wichtig: ADHS ist keine „Kindheitskrankheit“, die einfach verschwindet – die Symptome verändern sich, bleiben aber oft ein Leben lang in gewissem Maße bestehen.
Folgen von ADHS
Bleibt ADHS unbehandelt, kann dies gravierende Folgen haben:
- In der Schule: Konzentrationsprobleme führen oft zu Lernschwierigkeiten, schlechten Noten und im schlimmsten Fall zu Schulabbrüchen.
- Im Sozialleben: Zudem kommt es häufig zu Konflikten mit Gleichaltrigen, Ausgrenzung und dadurch zu Schwierigkeiten, Freundschaften aufzubauen.
- Für die Gesundheit: Kinder mit ADHS haben außerdem ein erhöhtes Risiko für Unfälle und Verletzungen.
- In Bezug auf die psychische Gesundheit: Betroffene entwickeln verstärkt Ängste, Depressionen, Tics oder oppositionelles Verhalten.
- Im späteren Leben: Jugendliche mit ADHS konsumieren hingegen öfter Suchtmittel wie Nikotin, Alkohol und Drogen. Nicht selten geraten sie dadurch in Konflikt mit dem Gesetz und haben Schwierigkeiten, eine Ausbildung abzuschließen, einen Beruf zu finden oder stabile Beziehungen zu führen.5
Diagnose von ADHS bei Kindern
Die Diagnose von ADHS erfordert eine sorgfältige Abklärung durch Fachärzte oder Psychotherapeuten, die auf Kinder- und Jugendpsychiatrie spezialisiert sind.
Wichtig: Es gibt keinen einfachen Test – die Diagnose basiert auf einem Gesamtbild aus:
Anamnese
Gespräche mit Eltern und Kind über Verhalten, Entwicklung, Belastungen.
Beobachtungen
Einschätzungen von Lehrern und Erziehern über das Verhalten in Schule und Freizeit.
Standardisierte Fragebögen
Erfassung der Symptome und deren Ausprägung.
Ausschluss anderer Ursachen
Abklärung von Seh- oder Hörproblemen, Schilddrüsenerkrankungen oder anderen psychischen Störungen.
Eine ADHS-Diagnose wird gestellt, wenn die Symptome über mindestens sechs Monate bestehen, in mehreren Lebensbereichen auftreten und die Entwicklung des Kindes deutlich beeinträchtigen.

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Behandlung der Erkrankung
Die Behandlung von ADHS ist individuell und basiert auf mehreren Bausteinen:
- Verhaltenstherapie: Training von Selbstkontrolle, Aufmerksamkeit und sozialen Fähigkeiten.
- Elterntraining: Unterstützung im Umgang mit Verhaltensproblemen, Förderung positiver Erziehungsstrategien.
- Psychoedukation: Aufklärung von Kind, Eltern und Umfeld über ADHS und den Umgang damit.
- Schulische Unterstützung: Individuelle Lernpläne, Nachteilsausgleiche und enge Zusammenarbeit mit Lehrkräften.
- Medikamentöse Therapie: Medikamente wie Methylphenidat können helfen, die Symptome zu reduzieren. Eine sorgfältige ärztliche Begleitung ist dabei wichtig.
Je früher ADHS erkannt und behandelt wird, desto besser sind die Chancen, langfristige Belastungen für das Kind und seine Familie zu vermeiden.6