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Verzicht auf Glückshormone

Wie funktioniert Dopaminfasten und was bringt es wirklich?

Frau im Freien
Beim Dopaminfasten verzichtet man bewusst auf die Wirkung von Glückshormonen. Wie und warum – FITBOOK erklärt‘s. Foto: Getty Images
Laura Pomer
Laura Pomer

23.02.2023, 13:06 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Dopamin ist ein wichtiger Neurotransmitter des Belohnungssystems im Gehirn. Beim sogenannten Dopaminfasten verzichtet man für einen Zeitraum auf möglichst viele Reize, die eine Ausschüttung des Botenstoffs zur Folge hätten – die also glücklich machen könnten. Das Ziel dahinter ist, wieder empfindlicher für die Wirkung von Dopamin zu werden, also langfristig umso glücklicher. So die vereinfachte Erklärung. FITBOOK geht genauer darauf ein.

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Dopamin wird bei größeren und kleineren Erfolgen des Alltags ausgeschüttet. Es zählt zu den sogenannten Glückshormonen, sprich Botenstoffen mit meist stimulierender, oft schmerzlindernder Wirkung. Eine Ausschüttung erfolgt, wenn das Belohnungssystem des Gehirns durch bestimmte Reize aktiviert wird, etwa beim Sport, Naschen und Sex. Daneben kennt der Mensch inzwischen auch weitere Techniken, um mithilfe von Dopamin ein Glücksgefühl zu erlangen, z. B. den Konsum von Drogen oder Unterhaltungsmedien, und richtet mehr und mehr sein Verhalten danach aus. Die Folge: Es kommt zu einer Gewöhnung, in Folge derer man immer mehr von diesem Reiz benötigt, um einen „Dopamin-Kick“ zu verspüren. Um dies wieder umzukehren, versuchen es einige Menschen mit Dopaminfasten

Dopaminfasten: Was es bringen soll

Dopaminfasten, also der bewusste Verzicht auf die Wirkung von Dopamin, soll das Gehirn wieder sensibler für den Botenstoff machen. Durch die Unterdrückung von Glückshormonen will man ihre Wirkung später wieder stärker empfinden können.

Ins Gespräch gebracht hat dieses Konzept der US-amerikanische Psychologe Dr. Cameron Sepah, der als Professor an der UCSF School of Medicine in San Fransisco tätig ist. Er nennt Dopaminfasten „eine evidenzbasierte Technik zur Behandlung von Suchtverhalten“. In zahlreichen Interviews im Verlauf der vergangenen Jahre (u. a. auf Linkedin) geht er ausführlich darauf ein, welche konkreten Arten von Verhaltensabhängigkeiten das Dopaminfasten regulieren können soll. Und: was sie nicht zu leisten vermag.

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Dopaminverzicht als Toleranzpause

Sepah veranschaulicht das Wirkprinzip mit der Hormesis-Hypothese. Diese besagt, dass geringe Dosen schädlicher Substanzen sich positiv auf den Organismus auswirken können. „Wenn Sie als Kind beispielsweise einem Allergen ausgesetzt waren, sind Sie später im Leben möglicherweise weniger allergisch“, erklärt er. Der Umkehreffekt: Man entwickelt eine Toleranz gegenüber einer Substanz (z. B. Medikamente und Drogen), die daher in immer höherer Dosis zu sich genommen werden muss, um einen bzw. den gewünschten Effekt zu erzielen.

„Entkonditionierung“

In seiner Anleitung „The Definite Guide to Dopamine Fasting 2.0“ geht es also nicht darum, sich dem Neurotransmitter Dopamin als solchem zu entziehen. Vielmehr diene das Dopaminfasten dazu, bestimmte Impulshandlungen zu kontrollieren und dadurch ein Abstumpfen gegenüber dem Botenstoff zu verhindern. Dies soll auch bei problematischen Reiz-Reiz-Assoziationen funktionieren. Hierbei bezieht sich der Psychologe auf die Lerntheorie der klassischen Konditionierung. Diese geht auf den Physiologen Iwan Petrowitsch Pawlow zurück und beschreibt eine Verbindung zwischen unbedingtem Reiz und Reaktion mit einem neutralen Reiz.

Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Pawlowsche Hund. Die Konditionierung erfolgte hier durch das Läuten einer Glocke während der Fütterung. Die eigentlichen Reize, die den Speichelfluss des Hundes anregen, sind – logisch: Geruch/Anblick und somit die Aussicht auf das Fressen. Durch die gleichzeitige Erfahrung des Glockenklangs jedoch verbindet der Hund das Geräusch fortan mit der Futtervergabe. Er fängt deshalb bereits zu sabbern an, wenn er nur die Glocke hört.

Dopaminfasten vs. -missbrauch

Diesem Prinzip begegnen Verhaltensforscher auch im Zusammenhang mit dem sogenannten „Drogengedächtnis“. Die Glücksgefühle beim Drogenkonsum führen dazu, dass Suchtkranke immer mehr davon einnehmen wollen, um es wieder zu erleben bzw. zu verstärken. Auch kommt die klassische Konditionierung zum Tragen, wenn (zufällige) Begleitfaktoren mit dem Rauscherlebnis verknüpft werden und deshalb die Begierde triggern. Ein Beispiel: Beim Konsument werden Lust auf Drogen oder Suchtsymptome geweckt, wenn er Personen sieht, mit denen er bereits Drogen genommen bzw. ein „High“ erlebt hat.

Der Forscher nennt Kategorien, die seiner klinischen Erfahrung nach ein besonders hohes Suchtpotenzial haben:

  • (Party-)Drogen
    Unter anderem Kokain (hemmt das Transportersystem des Transmitters und erhöht somit den Dopaminspiegel im synaptischen Spalt), Ecstasy, Marihuana. Der Experte zählt auch Alkohol und Koffein dazu.
  • Essen
    Hiermit gemeint ist nicht die Ernährung als solche. Sepah bezieht sich auf einen Hang zum „Emotional Eating“, also z. B. Essen aus Stress oder Frust. Typisch dafür sind demnach stark verarbeitete Lebensmittel, die durch den Einsatz von Zusatzstoffen besonders süß, salzig oder scharf sind; ebenso solche mit einer Kombination aus vielen Kohlenhydraten und Fett. Ein Beispiel dafür sind die in den USA beliebten Maccaroni and Cheese.
  • Gaming/Internet
    Sepah räumt ein, dass es in unserer digitalisierten Welt schwer und auch nicht wirklich sinnvoll ist, das Internet gänzlich zu vermeiden. Besondere Vorsicht aber sei bei Inhalten geboten, die „ständige Interaktion verlangen (z. B. Scrollen, Klicken, etwas eingeben), da bei derartigen Produkten die Nutzerbeteiligung und nicht das Wohlbefinden der Nutzer im Vordergrund steht“. Dies betrachtet der Psychologe als problematisch.
  • Shopping
    Den Hang, ständig Neues zu kaufen, setzt Sepah mit Glücksspiel(sucht) gleich. Die Verwandtschaft der Laster ergebe sich daraus, dass sich durch das ständige Ausgeben großer Geldbeträge ein gutes Gefühl versprochen würde.
  • Nervenkitzel
    Hier richtet sich der Fachmann an Adrenalin-Junkies und solche, die ständig etwas Neues/Aufregendes erleben wollen. Die den Kick brauchen, um sich lebendig zu fühlen.
  • Sex, insbesondere Pornokonsum und Masturbation
    „An gelegentlichem Anschauen von Pornos oder Selbstbefriedigung ist an sich nichts auszusetzen“, beruhigt Sepah. Vielmehr sei ein zwanghaftes Sexualverhalten gemeint.

Wie funktioniert Dopaminfasten?

Nachdem Sepah seinen Beitrag erstmals veröffentlicht, ging seine Anleitung zum Dopaminfasten regelrecht viral. Doch wie er in einer später aktualisierten Version seines Posts schreibt, seien seine Empfehlung nicht von allen richtig aufgefasst und entsprechend wiedergegeben worden. Und tatsächlich, es kommt auch in einigen deutschen Berichten so herüber, als würde man beim Dopaminfasten auf soziale Kontakte, Handys, Sex, Essen, Musik, Rausgehen – also quasi auf alles verzichten, das Spaß machen könnte. In Wahrheit sollte man sich nur auf die Reize mit einer besonderen Bedeutung fokussieren. Das könne bei jedem Menschen etwas anderes sein.

Verschiedene, individuell geeignete Möglichkeiten

Je nach Art und Schwere des Suchtverhaltens gibt es unterschiedliche Möglichkeiten des Dopaminfastens und „keine strengen Regeln“, wie Sepah in seiner Anleitung betont. Was aber in jedem Fall gelten sollte: dass die Angewohnheiten mit dem individuell hohen Suchtpotenzial für die Dauer definierter Zeitblöcke verboten sind. 

Mögliche Modelle wären:

  • ein bis vier Stunden am Tag (abhängig von Arbeitszeiten und familiären Pflichten)
  • ein Tag des Wochenendes („Verbringen Sie den Samstag oder Sonntag im Freien!“, rät der Experte)
  • ein ganzes Wochenende alle drei Monate (evtl. in Verbindung mit einem Wochenendtrip) oder
  • eine komplette Woche pro Jahr („fahren Sie in den Urlaub!“)

Therapieansatz: Impulskontrolle

Der Psychologie erklärt einen Ansatz aus der kognitiven Verhaltenstherapie, um sich den Zugang zu bestimmten äußeren Reizen einzuschränken. Praktisch würde er so aussehen: Merken Sie, dass Social-Media-Apps oder andere Beschäftigungen auf dem Smartphone zu viel Ihrer Zeit beanspruchen? Dann legen Sie das Handy weg – zum Beispiel auf den Küchentisch, wenn Sie sich im Wohnzimmer aufhalten, oder in Ihre Handtasche, um sich selbst den ständigen Blick auf den Bildschirm zu verbieten. Neigen Sie eher zum Stressessen, empfiehlt Sepah Handlungen, die sich damit nur schwer vereinen lassen. Etwa Sport. 

Erkunden Sie Ihre Impulse

Wann immer Sie den Reiz verspüren, zum Handy oder in die Kartoffelchips-Tüte zu greifen – halten Sie inne und fragen sich, was das Gefühl im entsprechenden Moment auszeichnet. Sepah nennt dieses Vorgehen „urge surfing“ (frei übersetzt: „Erkundung des Drangs“). Versuchen Sie, standhaft zu bleiben und dem Impuls nicht nachzugeben. „Auf die Dauer setzt eine Art Gewöhnung ein, welche die Konditionierung zunehmend lindert und somit unsere Verhaltensflexibilität wiederherstellt“, versichert er.

Der Wissenschaftler führt eine Studie mit rund 1800 Schülern der Texas A&M University an.1 Darin wurden die (u. a. wirtschaftlichen) Effekte des Dopaminfastens anhand von Facebook aufgezeigt. Die Teilnehmer, die dem Social-Media-Kanal eine Woche lang ferngeblieben waren, sollen 13,3 Stunden mehr Zeit für andere, „gesundheitsfördernde Aktivitäten“ zur Verfügung haben. Zudem sollen sich Anzeichen von depressiven Stimmungen bei ihnen um 17 Prozent reduziert haben.

Deutscher Experte bestätigt sinnvollen therapeutischen Ansatz

FITBOOK hat mit dem Frankfurter Psychiater Professor Hans Moises gesprochen. Bei seiner verhaltenstherapeutischen Arbeit spielen die Mechanismen des zentralen Nervensystems ebenfalls eine wichtige Rolle. Auch Prof. Moises hält Dopaminfasten „durchaus für sinnvoll, um die Erlebnisfähigkeit wieder herzustellen“.

Wie der Experte uns erklärt, ist der Ansatz nicht neu. Einsiedler, Propheten in der Wüste, Mönche und indische Asketen haben diese Art des „Zurücksetzens“ bereits praktiziert. „Man hat dem lediglich einen neuen Namen gegeben, der sich auf den biochemischen Mechanismus bezieht, der vor Jahrhunderten natürlich noch unbekannt war“, so Prof. Moises.

Aber: Dopaminfasten eignet sich nicht immer oder für jeden

Er weist darauf hin, dass Dopamin die Kommunikation zwischen den Nervenzellen unterstützt und – neben positiven Gefühlserlebnissen – der Motivation und dem Antrieb dient. Und: „Wir dürfen nicht vergessen, dass die Erhöhung von Dopamin ein Verhaltenskompass für die Vermehrung der Gene im Laufe der Evolution war.“

Man sollte es mit dem Dopaminfasten also keinesfalls übertreiben. Bekanntlich kann zu wenig des Glückshormons depressiv machen. Der Psychiater rät deshalb insbesondere introvertierten und ängstlichen Menschen davon ab. „Es gibt auch Antidepressiva, die ganz gezielt das Dopamin erhöhen“, weiß er. Weitere mögliche Symptome einer Unterversorgung sind unter anderem Zittern und Muskelsteifheit. „Morbus Parkinson ist eine Krankheit, die mit einem Dopaminmangel im zentralen Nervensystem einhergeht“, sagt uns Prof. Moises.

Fazit zur Dopamindiät

Die Idee hinter dem Dopaminfasten ist gut – und eigentlich schon alt. „Und ein evolutionär seit Millionen von Jahren erprobter Mechanismus kann nicht völliger Unsinn sein“, so der Experte zu FITBOOK. Es kann also sinnvoll sein, eine definierte Zeit lang mit der Transmitterausschüttung zu haushalten – vorausgesetzt, es spricht keine Krankheit oder Störung dagegen.

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Quellen

Themen #noom Fasten
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