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An MS erkrankt

Sportmoderatorin Anna Kraft: „Mir fällt es schwer, Schwäche zu zeigen“

Anna Kraft lernt, Schwäche zu zeigen
Anna Kraft hat gelernt, dass es für die mentale Gesundheit wichtig ist, auf sich zu achten und auch vermeintliche „Schwäche“ einzugestehen Foto: Getty Images

04.12.2023, 20:04 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Ehemalige Profi-Leichtathletin, Sportmoderatorin und zweifache Mutter – wer Anna Kraft kennenlernt, erlebt ein Energiebündel und das Sinnbild einer starken Frau. Doch der Schein trügt, zumindest manchmal. Denn die 38-Jährige leidet an Multiple Sklerose, eine Krankheit, die ihr nicht nur körperlich, sondern auch mental viel abverlangt. Was Anna Kraft dabei aber auch lernte: Niemand kann immer nur stark sein.

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Profi-Sport und Fernsehbranche: Anna Kraft bewegt sich seit ihrer Jugend in zwei Welten, in denen vor allem eins keinen Platz zu haben scheint: Schwäche bzw. das, was als vermeintliche Schwäche ausgelegt werden kann. Körperliche oder mentale Grenzen? Die gibt es anscheinend nicht. Auch, wenn sich mit dem zunehmenden Fokus auf mentale Gesundheit schon einiges getan hat: Viele Betroffene würden schwache Momente wohl lieber nicht so offen zugeben. So ging (und geht es) auch Anna Kraft. Das verriet die 38-Jährige bei einem Dinner von FITBOOK und STYLEBOOK, bei der sie als Moderatorin durch einen Panel Talk zum Thema Mental Health führte. Im Gespräch mit FITBOOK erzählte sie, warum es ihr so schwerfällt, Schwäche zu zeigen und inwiefern ihr ihre Multiple Sklerose diesbezüglich sogar ein Stück weit geholfen hat.

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„Ich finde es total wichtig, über Mental Health zu sprechen – ganz offen und ehrlich“

FITBOOK: Was bedeutet Mental Health für Sie?
Anna Kraft: „Mental Health ist ein wichtiges Thema und ich empfinde es so, dass es in unserer Gesellschaft gerade immer wichtiger wird. Gerade auch bei uns Frauen. Ich als ‚Working Mum‘, die einen Beruf hat, mit dem ich in der Öffentlichkeit stehe, wo jeder meinen Job beurteilen kann, kann sagen, dass das Thema mentale Gesundheit ganz wichtig ist. Frauen müssen doch häufig einen Schritt über sich hinauswachsen, um alles im Alltag zu bewältigen: den Haushalt, die Kindererziehung, vielleicht noch den Job. Da überschreitet man, das weiß ich aus eigener Erfahrung, häufiger mal die rote Linie und man muss sagen: Ich muss jetzt mal einen Schritt zurückgehen, mich zurücknehmen, mir etwas Me-Time nehmen, damit es nicht zu viel wird. Das ist auch für mich wichtig, um die mentale Balance zu halten. Ich finde es total wichtig, über Mental Health zu sprechen – und zwar ganz offen und ehrlich.“

„Zu Hause hieß es: ‚Schwäche zeigen, das machen wir nicht’“

Was ist Ihre größte Schwäche?
Kraft: „Was zu meinen größten Schwächen gehört, ist, Schwäche zu zeigen. Ich komme aus einem Zuhause, in dem es früher immer hieß: ‚Schwäche zeigen, das machen wir nicht‘, ‚Wir ziehen das jetzt durch‘ oder ‚Was dich nicht umbringt, macht dich hart‘. Das ist so ein blöder Spruch, den ich von zu Hause auch mitbekommen habe. Das war einfach der Generation geschuldet.“

In welchen Situationen äußert sich diese Schwäche?
Kraft: „Vor allem in meiner Arbeit ist es für immer noch unglaublich schwer, Schwäche zu zeigen. Mal zu sagen: Ja, ich bin heute krank und kann tatsächlich mal nicht zur Arbeit gehen. Ich kann an einer Hand abzählen, wie oft es vorgekommen ist in meinen 13 Jahren vor der Kamera, dass ich einen Job absagen musste. Das war einmal bei meiner MS-Diagnose und zweimal bei meinen Schwangerschaften und dann noch an dem ein oder einem besonders schlimmen ‚Dämonentag‘, der Multiple Sklerose geschuldet.“

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„Ich habe Angst, dass ich jemandem zur Last falle“

Wie war das für Sie, sich dann krankmelden zu müssen?
Kraft: „In den Momenten ist es mir echt unglaublich unangenehm, meinem Chef zu sagen, dass ich krank bin und ausfalle. Ich habe Angst, dass ich jemandem zur Last falle, es muss dann – gerade in meinem Beruf – jemand für mich einspringen. Und tatsächlich kommt das in unserer Branche quasi nicht vor, dass jemand krankheitsbedingt ausfällt. Daher fällt es mir total schwer, Schwäche zu zeigen und mal zugeben zu müssen, dass ich an einem Tag nicht 100 Prozent abliefern kann. Das habe ich auch noch aus meiner Zeit im Leistungssport mitgenommen. Wenn ich da in der Leichtathletik am Startblock für den Sprint stand, konnte ich es mir auch nicht leisten, zu denken, heute packe ich es nicht, 100 Prozent zu geben und nicht als Erste über die Ziellinie zu laufen. Da zählte nur Leistung. Ähnlich empfinde ich auch meinen Beruf, da befinde ich mich ebenfalls in einer Leistungsgesellschaft. Schwäche zu zeigen, ist immer noch eine Challenge für mich, aber langsam taste ich mich heran.“

„Als ich die MS dann vor drei Jahren öffentlich gemacht habe, war das so befreiend“

Wie sah dieses Herantasten bisher aus?
Kraft: „Also der erste Schritt war quasi mein Outing. Ich habe ja viele Jahre meine Multiple Sklerose geheim gehalten. Auch weil ich Angst hatte, dass mein Arbeitgeber mir dann Schwäche zuschreibt aufgrund meiner MS bzw. dem Unwissen darüber, was Multiple Sklerose eigentlich ist. Viele wissen nicht, dass man das heute gut behandeln kann, sondern haben denken direkt an die Gehhilfe oder den Rollstuhl. Deswegen habe ich es unglaublich lange verborgen gehalten. Als ich die MS dann vor drei Jahren öffentlich gemacht habe, war das so befreiend. Und das war für mich der erste große Schritt, Schwäche – auch noch öffentlich – einzugestehen. Mir geht es damit mittlerweile sehr gut. Die Geheimhaltung hat mich rückblickend schon sehr belastet. Ich musste lügen, wenn ich Infusionen bekommen habe, oder Termine erfinden, wenn ich für einen Job nicht auf Abruf sein konnte. Das hat mich mental echt müde gemacht.“

Wie geht es Ihnen mit der MS zurzeit?
Kraft: „Mir geht es echt gut eigentlich. Klar habe ich meine Dämonentage, also Tage, an denen mir die Krankheit zu schaffen macht. Und ich habe Schübe. Das lässt sich leider nicht verhindern, auch wenn ich mit meinen Medikamenten gut eingestellt bin. Aber das Leben ist sehr lebenswert – auch mit MS.“

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„In der kalten Jahreszeit fällt mir durch die MS Sport manchmal motorisch schwer“

Welche Rolle spielt Sport heute in Ihrem Leben?
Kraft: „Sport ist nach wie vor ein großes Thema. Zum einen ist Sport als Sportmoderatorin ja mein Beruf. Und auch sonst, wenn man früher Leistungssport gemacht hat, dann lässt einen der Sport auch nie wirklich los. Aber ich muss auch sagen, dass ich heute bei weitem nicht mehr so viel Sport treibe wie früher. Hatte ich früher zwölf Trainingseinheiten pro Woche, sind das heute ehrlicherweise noch so ein bis zwei. Als Mama von zwei Kindern, voll im Beruf stehend, finde ich die Zeit tatsächlich nicht. Hinzukommt, dass ich jetzt gerade – also in der kühlen Jahreszeit – etwas mehr mit der MS zu kämpfen habe. Dann schaffe ich es zum einen nicht so leicht, den Schweinehund zu überwinden und zum anderen muss ich auch ehrlich sagen, dass mir Sport dann auch motorisch schwerer fällt.“

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„Ich habe heute eine gesündere Einstellung zum Sport“

Hat sich dadurch Ihre Einstellung zum Sport geändert?
Kraft: „Ja absolut. Ich liebe Sport nach wie vor, aber bin etwas entspannter. Früher war es so: Jetzt habe ich Training, jetzt muss ich Sport machen. Das brauchte ich auch für mein Wohlbefinden. Jetzt mache ich an den Tagen Sport, an denen ich Lust habe und es gut funktioniert, aber ich zwinge und geißel mich nicht mehr an den Tagen, an denen es halt nicht geht. Ich habe also, wie ich finde, eine gesündere Einstellung zum Sport gefunden.“

Welches Training machen Sie?
Kraft: „Früher war ich ein absoluter Fitness-Junkie. Da bin ich in jeder freien Minute ins Fitnessstudio gerannt. Mittlerweile mache ich nur noch Home-Workouts, die aber für mich auch super sind. Mir fehlt einfach die Zeit, ins Gym zu fahren. Zu Hause geht das schneller und günstiger und funktioniert auch.“

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Wie trainieren Sie zu Hause?
Kraft: „Ich habe Gewichte zu Hause, ich habe Therabänder. Außerdem mache ich klassisch Training nur mit dem eigenen Körpergewicht. Da bin ich kreativ und es gibt so viele Tools, viele Apps oder auch FITBOOK als guten Begleiter. Daher fehlt es mir nicht an Ideen.“

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