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Experten geben Tipps

Gym Anxiety – wenn das Fitnessstudio Angst macht

Angst vor dem Fitnessstudio
Etliche Menschen entwickeln eine Angst vor dem Fitnessstudio – die Gründe dafür sind vielfältig Foto: Getty Images / FURKAN TELLIOGLU
Martin Lewicki
Freier Autor

24.04.2024, 13:13 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Leiden. Und so gibt es viele Menschen, die auch eine Angst vor dem Fitnessstudio entwickeln. FITBOOK-Autor Martin Lewiki sprach mit Experten darüber, wie es zu der Angst kommt und wie man sie die Angst überwinden kann.

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„Eine soziale Phobie ist die dritthäufigste psychische Störung nach Alkoholabhängigkeit und Depression“, sagt David Lechner, psychologischer Psychotherapeut bei Selfapy. In 75 Prozent der Fälle beginne sie schon vor dem 16. Lebensjahr. Frauen seien etwa 1,5-mal häufiger betroffen als Männer, so der Experte, der seit mehreren Jahren in der digitalen Versorgung tätig ist. Die spezielle Angst vor dem Fitnessstudio (Gym Anxiety) trifft vor allem Menschen, die noch nie im Fitnessstudio waren. Aber auch Menschen, die eine lange Auszeit hatten, können sich oft nicht überwinden, ins Fitnessstudio zu gehen. FITBOOK erklärt, woher die Angst kommt und wie man sie überwinden kann.

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Wie äußert sich die Angst vor dem Fitnessstudio?

Im Grunde kann jeder eine Angst vor dem Fitnessstudio entwickeln. Nicht nur Einsteiger, sondern auch Menschen, die schon seit Jahren dort trainieren. Irgendwann wird man plötzlich ängstlich, fühlt sich eingeschüchtert und verlegen in der Trainingsumgebung. Das fängt meistens schon am Eingang an: Man fühlt sich unwohl, möchte den Angestellten am liebsten aus dem Weg gehen und meidet das routinemäßige Begrüßen der Trainer.

„Das Fitnessstudio ist sicherlich ein Ort, den Menschen mit einer sozialen Phobie eher vermeiden. Im Fitnessstudio fühlt man sich ggf., wie auf einem ‚Präsentierteller‘ und es wird sich eher verglichen, Situationen, die Mensch mit einer sozialen Phobie vermeiden, da sie nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen möchten“, erklärt Inga Fink-Schlattmann, Psychologische Psychotherapeutin, die möglichen Hintergründe von Gym Anxiety.

Dann kann es also losgehen, das negative Gedankenkarussell: „Was denken die Leute über mich, wenn ich auf dem Weg in die Umkleide gehe? Wie wirke ich, wenn ich Übungen ausführe? Wer beobachtet mich dabei? Was ist, wenn ich eine Übung falsch ausführe und mich dabei lächerlich mache?“ Diese und ähnliche Fragen werden zum Kopfkino aus Selbstzweifeln, Unsicherheiten und Ängsten.

Durch die Jahre der Coronapandemie kamen für manche Menschen noch weitere Ängste hinzu. So gibt es Personen, die sich seitdem unwohl fühlen, in Räumen voller Menschen und wenn sie Gegenstände anfassen sollen, die vorher andere berührt haben. Der Fitnessraum wird geradezu als eine Keimzelle angesehen.

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Sozialen Phobien sind sehr verbreitet

Wie Fink-Schlattmann erklärt auch Lechner, dass Gym Anxiety als eine Form der sozialen Phobie zu sehen sei. „Die Angst vor dem Fitnessstudio ist keine eigenständige Angststörung“, so der Experte. Es sei zunächst völlig normal, Aufregung zu empfinden, wenn man sich in einer neuen oder ungewohnten Situation befindet. „Eine psychische Störung, in deren Rahmen es unter anderem zu einer Angst vor dem Fitnessstudio kommen könnte, wäre die soziale Phobie“, erläutert Lechner. Allerdings wäre in diesem Fall die Angst nicht nur auf das Fitnessstudio begrenzt, sondern würde auch andere Lebensbereiche betreffen.

Soziale Phobien sind in Deutschland sehr verbreitet. Nach Alkoholabhängigkeit und Depressionen ist es die dritthäufigste psychische Störung. Etwa sieben bis zwölf Prozent der Menschen erkranken mindestens einmal im Leben an einer sozialen Phobie.1

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Anzeichen für eine soziale Phobie

„Menschen mit sozialen Phobien haben vor allem Angst vor der prüfenden Betrachtung und Begutachtung durch andere Menschen und führen schließlich dazu, dass soziale Situationen vermieden werden“ erläutert Fink-Schlattmann. „Soziale Phobien können zum einen klar abgegrenzt sein und sich z. B. auf Essen oder Sprechen in der Öffentlichkeit beziehen. Oder sie treten in unterschiedlichen sozialen Situationen außerhalb des Familienkreises auf.“

Mögliche Hinweise im Überblick

  • Angst davor, im Mittelpunkt zu stehen, beobachtet und bewertet zu werden
  • Angst davor, als merkwürdig, peinlich oder lächerlich empfunden zu werden
  • Scham vor normalen Verhaltensweisen wie z. B. dem Gehen, Essen oder Reden vor anderen Personen
  • daraus resultierende sichtbare Zeichen der Angst wie z. B. Erröten, Schwitzen und Zittern
  • körperliche Angstreaktionen wie starkes Herzklopfen, Übelkeit, Durchfall oder Muskelanspannung

Ob eine „normale“ Angst oder eine soziale Phobie vorliegt, hänge vor allem von der Beeinträchtigung im sozialen und beruflichen Alltag ab, sagt David Lechner. Definitiv könne das nur ein Experte bewerten. Wer jedoch bestimmte Situationen des Alltags, wie eben den Besuch eines Fitnessstudios aus den oben genannten Gründen meidet, könnte an einer sozialen Phobie leiden.

Was führt zu den Ängsten?

Wie Ängste sich bei Menschen entwickeln, ist sehr vielfältig und hängt von mehreren Faktoren ab. Insbesondere die Coronapandemie dürfte ein weiterer Faktor sein, der zum Unwohlsein in vollen Räumen und der Angst vor Kontakt mit Viren und Bakterien durch das Anfassen von Trainingsgeräten beigetragen hat. Während die meisten diese Angst seither überwunden haben, gibt es sicherlich auch Menschen, bei denen die Sorge dauerhaft geblieben ist und womöglich irrationale Züge angenommen hat. Grundsätzlich ist es ein Zusammenspiel vielfältiger Faktoren, wie das Informationsportal Psychenet.de berichtet:

  • genetische Veranlagung
  • Persönlichkeitsmerkmale wie Schüchternheit und Angst vor neuen, unvertrauten Situationen
  • überhöhte Erwartungen an sich selbst, negatives Selbstbild, Katastrophenfantasien bezüglich der Auswirkungen des eigenen Verhaltens
  • Fokussierung auf die eigenen körperlichen Symptome wie Erröten und Zittern verschlimmert diese noch mehr
  • kontrollierender und überbehütender Erziehungsstil der Eltern
  • negative Erfahrungen in der Kindheit und Jugend, zum Beispiel von anderen ausgelacht, gedemütigt oder ausgeschlossen worden sein
  • belastende Lebensereignisse (Tod eines nahestehenden Menschen oder eine Trennung)
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Wie überwindet man die Angst vor dem Fitnessstudio?

Wer im erwachsenen Alter eine Angststörung entwickelt, der wird es schwer haben, sie selbst zu überwinden. Viele Betroffene begegnen ihren Ängsten damit, dass sie enstprechende Situationen vermeiden. Im Fall einer Gym Anxiety würde das bedeuten, dass man aus Angst nicht mehr ins Fitnessstudio geht – obwohl man früher vielleicht gerne dort trainiert hat.

Vermeiden ist eher schädlich

Vermeidung ist ein verständlicher Mechanismus im Umgang mit Ängsten, laut Expertin Fink-Schlattmann aber leider kontraproduktiv: „Vermeidung führt zur Aufrechterhaltung der Ängste, weil durch die Vermeidung der oder die Betroffene keine korrigierende Erfahrung machen kann, dass sie vielleicht gar nicht prüfenden Blicken ausgesetzt ist oder sich ja gar peinlich verhalten bzw. sie mit solchen Situationen umgehen können, auch, wenn sie begutachtet werden.“

Besser ist eine Psychotherapie

Die gute Nachricht ist: Eine soziale Phobie ist überwindbar. Besonders gut geeignet sei laut Professor Dr. Falk Leichsenring für die Behandlung sozialer Ängste ist die Psychotherapie. Leichsenring leitet den vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsverbund zur Psychotherapie der Sozialen Phobie, kurz SOPHO-NET.2

Tipps bei nicht krankhafter, sondern temporärer Angst

Wer jedoch nur eine „normale“ und temporäre, also keine krankhafte Angst vor dem Fitnessstudio hat, der kann sie mit einigen Tricks überwinden.

  1. Gehen Sie mit einem Trainingspartner ins Fitnessstudio: Im Idealfall sollte es eine Person sein, die sich gut mit den Geräten und Übungen auskennt und Ihnen dabei hilft, selbstsicherer zu werden. Doch selbst wenn der Trainingspartner selbst keine große Erfahrung hat, profitieren Sie enorm von der Gegenwart. Sie haben einen Gesprächspartner und stehen nicht alleine im Zentrum der Aufmerksamkeit. Zudem macht Sport zu zweit mehr Spaß!
  2. Buchen Sie ein paar Trainerstunden: Vor allem, wenn Sie mit dem Fitnessstudio-Training anfangen, sollten Sie unbedingt ein paar Trainerstunden dazu buchen. So lernen Sie, die Geräte richtig zu bedienen und Übungen korrekt auszuführen. Zudem kann der Coach einen individuellen Trainingsplan erstellen. Durch die Trainerstunden gewinnen Sie zudem mehr Selbstsicherheit und lernen sich in einem Fitnessstudio selbstsicher zu bewegen.
  3. Meiden Sie die Rushhour: Fragen Sie am Empfang, wann die wenigsten Besucher trainieren. Oft ist es früh morgens, tagsüber oder spät abends. So müssen Sie nicht anstehen, um auf freie Geräte zu warten und fühlen sich dabei nicht wie ein Hindernis. Zudem ist die Stimmung ziemlich stressig, wenn alle nach der Arbeit sich an den Geräten abreagieren.
  4. Positive Assoziation mit dem Fitnessstudio: Verinnerlichen Sie den Gedanken, dass das Fitnessstudio Ihnen guttut. Sie fördern Ihre Gesundheit und bringen den Körper in Schuss. Zudem werden Sie sich nach jedem Training garantiert besser fühlen als davor.
  5. Setzen Sie sich Ziele: zum Beispiel die Sommersaison. Muskulösere Arme und Beine sowie ein flacher Bauch kommen in Sommerkleidung besonders gut zur Geltung. Wenn Sie ein Ziel vor Augen haben, motiviert es sie, regelmäßig zum Sport zu gehen. Und die Angst vor dem Fitnessstudio verschwindet wie von selbst.
Themen Psychologie

Quellen

  1. Psychenet: Informationen zur sozialen Phobie. (aufgerufen am 24.4.2024) ↩︎
  2. Bundesministerium für Bildung und Forschung: Angst vor Menschen - Studie belegt: Psychotherapie hilft bei sozialer Phobie. (aufgerufen am 24.4.2024)) ↩︎
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