Sie ist eine der größten Ernährungsirrtümer der letzten Jahrzehnte: die Annahme, dass Fett in der Nahrung dick macht. Etliche Studien haben gezeigt, dass Fett wichtig und gesund ist – wenn man das richtige zu sich nimmt. Wir wollten es genau wissen und haben wissenschaftliche Erkenntnisse zu Fett und dem Einfluss auf das Körpergewicht zusammengetragen.
Ernährungsmythos
Warum Fett nicht dick macht

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Die Ernährungsindustrie hat in den letzten Jahrzehnten immer mehr fettarme Light-Produkte auf den Markt gebracht und sie dem Verbraucher als gesunde Schlankmacher verkauft. Kein Wunder, haben doch die Medien und Ernährungsexperten über Jahre den Menschen vermittelt, dass zu viel Fett in der Nahrung ungesund sei – und vor allem, dass es dick mache.
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Die Diätindustrie konnte diesen Zusammenhang für sich nutzen und leicht verständlich Abnehmwilligen verkaufen: Fett macht fett, also sollte man möglichst wenig davon essen. Und weil dieses Bild so einfach und schlüssig scheint, hält es sich nach wie vor hartnäckig in unseren Köpfen – obwohl es falsch ist.
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Es ist schon länger bekannt, dass Fette nicht grundsätzlich schlecht sind. Allgemein unterscheidet man zwischen ungesättigten und gesättigten Fetten, die man früher gerne mal mit den Labeln „gesund“ bzw. „ungesund“ versah (eine Unterscheidung, die heute als überholt gilt). Beide Fettarten braucht der Mensch täglich für Stoffwechselprozesse im Körper. So sind sie zur Aufnahme der fettlöslichen Vitamine A, D, E und K erforderlich, sorgen für ein natürliches Sättigungsgefühl, werden für die Funktion von Hormonen und Enzymen benötigt und verringern Schwankungen im Blutzuckerspiegel.

Sollte man fetten oder fettarmen Käse wählen? Experten raten zu fettem Käse, denn der macht schneller und anhaltender satt – dadurch essen wir generell weniger
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Fettreduzierte Diäten funktionieren nicht
Wer sich vorgenommen hat, mit einer fettreduzierten Diät abzunehmen, wird höchstwahrscheinlich auf die Nase fallen – zumindest langfristig. Denn fettarme Light-Produkte sättigen schlechter und so verfolgt einen ständig das leidige Hungergefühl. Beispiel gefällig? Während ein Joghurt mit 3,5 Prozent Fettanteil gut satt machen kann, wird man nach einem Joghurt mit nur 0,1 Prozent Fett ganz sicher nicht satt. Und das gilt für alle fettreduzierten Produkte.
„Wer viel Fett isst, wird bemerken, dass die Fettaufnahme durch einsetzende Übelkeit begrenzt ist. Kohlenhydrate verursachen hingegen keine Übelkeit bei größeren Mengen und sättigen im Gegensatz zu Fett schlechter. Fett verlängert die Verweildauer der Nahrung im Magen und hält somit länger satt“, sagt der Diabetologe und Internist Dr. Matthias Riedl.

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Fett kann dabei helfen, Gewicht zu verlieren
Über die Fett-Mythen klärt auch der US-Autor, Arzt und Professor für Pädiatrie, Aaron Carroll, in seinem neuen Buch „The Bad Food Bible“ auf. Er schreibt: „Wenn es etwas gibt, das wir über Fett wissen, dann, dass Fettverzehr keine Gewichtszunahme bewirkt. Ganz im Gegenteil, es kann sogar dabei helfen, ein paar Kilos loszuwerden“.
Die Aussage untermauert er mit diversen Studienergebnissen. So wurde in einer groß angelegten Frauen-Studie mit fast 50.000 Teilnehmerinnen in einem Zeitraum von acht Jahren untersucht, ob eine fettreduzierte Ernährung gesünder sei. Dabei aßen 60 Prozent der Frauen ganz normal, während die anderen 40 Prozent ihren Fettanteil in der Ernährung deutlich reduzierten. Anstatt 38 Prozent der Kalorien durch Fett aufzunehmen, waren es bei ihnen nur noch 20 Prozent.
Nach Auswertung der Daten wurde festgestellt, dass fettarme Ernährung weder das Risiko für Herzerkrankungen und Brustkrebs senken konnte, noch dauerhaft zur Gewichtsreduktion beiträgt. Im Umkehrschluss lässt sich sagen, dass Fett diese Faktoren auch nicht negativ beeinflusst.

Kann denn Süßes Sünde sein? Leider ja. Statt Süßigkeiten sollte man mehr Fettes ohne Zuckerzusatz essen
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Nicht Fett, sondern Zucker macht dick
Wo tatsächlich das Problem der Gewichtszunahme liegt, zeigt eine Auswertung von über 50 Ernährungsstudien, die in der medizinischen Fachzeitschrift „Food and Nutrition Research“ veröffentlicht wurde. Dabei hat man nur Studien herangezogen, die ab dem Jahr 2000 durchgeführt wurden. Bei der Analyse der Daten fanden die Forscher heraus, dass ein erhöhter Verzehr von Ballaststoffen und Nüssen kaum zu einer Gewichtszunahme führt, während ein hoher Fleischverzehr die Gewichtszunahme begünstigt. Ebenso wurden Anhaltspunkte dafür gefunden, dass Vollkornprodukte, Haferflocken und fette Milcherzeugnisse vor einer Gewichtszunahme schützen. Zudem bewahren Ballaststoffe und Früchte vor einer Zunahme an der Taille.
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Auf der anderen Seite konnte ein Zusammenhang zwischen starkem Verzehr von Weißmehlprodukten, Süßigkeiten und Nachspeisen und einer Gewichtszunahme gepaart mit einem größeren Bauchumfang festgestellt werden. Das Problem ist offensichtlich nicht Fett, sondern Zucker sowie einfache Kohlenhydrate aus Weißmehl. Laut den Verfassern schützen die Zunahme von ballaststoffreicher Kost und Molkereierzeugnissen sowie die Abnahme von Weißmehl, Fleisch und Zucker dauerhaft vor dem Dickwerden.
„In Deutschland wird nicht zu viel Fett gegessen, sondern zu viele Kohlenhydrate. Deutschland ist unter der Zunahme der Kohlenhydrate immer dicker geworden“, sagt Ernährungsexperte Dr. Riedl. Dabei sei Zucker die „Königsklasse der Dickmacher“. Und weiter: „Es geht schnell ins Blut über und lässt den Insulinspiegel steigen. Ein hoher Insulinspiegel verhindert wiederum den Fettabbau.“

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Fetter Fisch, Avocados und Nüsse sind gesund
Die Harvard T.H. Chan School of Public Health schreibt, es kommt nicht auf die Fettmenge an, sondern auf die Fettart, die wir zu uns nehmen. Fetter Fisch (z.B. Lachs), Avocados, Nüsse und kalt gepresste Pflanzenöle sind gesunde Fette. Besonders ungesund sind versteckte Fette in Fertiggerichten sowie in stark verarbeiteten Nahrungsmitteln. Da wir sie unbewusst aufnehmen und meist in Kombination mit Zucker und Weißmehl, mutieren sie zu Kalorienbomben und Dickmachern.
Am Ende ist es aber egal, ob die Kalorien aus Fett, Zucker oder Mehl stammen: Wer mehr Kalorien zu sich nimmt, als er verbraucht, der wird zunehmen. Doch im Gegensatz zu Fett lässt uns Zucker oft mehr essen, als wir sollten. Deswegen: lieber weniger Süßes und dafür mehr gesundes Fett auf den Speiseplan setzen.