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„Ich ließ den Zucker weg – plötzlich schmeckte mir, was ich vorher langweilig fand“

Zuckerfrei-Kolumne: Nuno Alves
Nuno Alves, Editorial Director von FITBOOK, verzichtet seit 2018 auf raffinierten Zucker – und damit auf sämtliche Süßigkeiten wie Fruchtgummis oder Schokobons Foto: Andreas Filbig / FITBOOK
Nuno Alves
Chefredakteur

22.03.2021, 05:17 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Nuno Alves, Editorial Director von FITBOOK, hat im März 2018 den raffinierten Zucker aus seinem Leben gestrichen. Was als gemeinsames Projekt mit seinem an einem Hirntumor erkrankten Vater begann, ist bis heute Teil seines Alltags geblieben. In Teil 2 seiner Kolumne berichtet er über anfänglichen Frust im Supermarkt und darüber, wie sich der Zuckerverzicht anfühlte: nämlich weniger schlimm als zunächst angenommen.

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Während ich diese Kolumne schreibe, versuche ich mich zu entsinnen, welche süßen Lebensmittel vor meinem Verzicht auf Zucker eigentlich auf meinem Speiseplan standen. Es mag zwar merkwürdig klingen: Aber die Erinnerungen daran wirken wie verblasst, vielleicht auch verdrängt. Verschwunden sind sie nicht.

Ich aß über den Tag verteilt gern mal Fruchtgummis, abends gab es Vollmilchschokolade, dazwischen gelegentlich eine Nussecke, vielleicht auch mal einen Keks oder Cookie, ein Stück Kuchen oder Joghurtdessert und so weiter. Unterschiedlichste angeblich gesunde Riegel gesellten sich zu dem stark gezuckerten Zeug, das ich mit meinen Töchtern naschte.

Wenn es um süße Food-Kreationen geht, ist der Mensch fast so erfinderisch wie beim Thema Waffen – und diesen drastischen Vergleich wähle ich hier bewusst. Sehr bewusst sogar.

Offensichtlicher Zucker und Tarnkappenzucker

All das oben Aufgelistete war nur der offensichtliche Zucker, den ich in mich hineinkippte. Manchmal unbewusst, oft spontan, meist unüberlegt. Hinzu kam noch all der versteckte Zucker, den man nicht auf dem Schirm hat. Ich nenne ihn den Tarnkappenzucker. Er fliegt in seinen vielen Bezeichnungen sprachlich camoufliert unter dem Radar – und unbemerkt in den Körper. An einem Abend im März 2018 war Schluss damit.

Wie ich in Teil 1 dieser Kolumne erklärte, hatte ich mich entschieden, gemeinsam mit meinem an einem bösartigen Hirntumor erkrankten Vater auf jeglichen Zucker zu verzichten – und zwar von einem Tag auf den anderen. Gemeint war ein Boykott von allen Lebensmitteln mit raffiniertem Zucker oder besagtem Tarnkappenzucker. Dessen Enttarnung trieb mich zu einer regelrechten Forschungsarbeit an.

Ich strich alles, was künstlich zugesetzte Zucker-Formen enthielt und auf -ose (Dextrose, Fruktose, Maltose etc.), -sirup, -dextrin oder -süße endete. Ebenfalls tabu: alles was „Zucker“, „Ose“ und „Sirup“ vermengte (Fruktosesirup, Invertzuckersirup usw.). Mir wurde mit jeder neuen Bezeichnung, die ich entdeckte, bewusster, wie komplex diese Welt der Süße ist.

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Die Zuckerseuche in den Supermarktregalen

Über Nacht hatte ich mir mit unserem Projekt einige Löcher in meinen Speiseplan gebuddelt, die es zu stopfen galt – nur womit? So einfach ist es nicht, auf Zucker zu verzichten. Es ist sogar hochgradig kompliziert, wenn man damit anfängt. Zucker steckt überall drin: in Räucherlachs, Senf (auch im scharfen!), Dosentomaten, Brot, Salami, sauren Gurken, Erdnussbutter, Pesto, Brühen, in angeblich so gesunden veganen Bio-Brotaufstrichen… Die Liste ließe sich endlos fortführen, leider. Obwohl mittlerweile eigentlich vielen Menschen – und auch der Lebensmittelbranche – klar sein sollte, dass Zucker schädlich für die Gesundheit ist, liegt der Konsum in Deutschland seit Jahren recht konstant bei etwa 35 Kilogramm pro Kopf im Jahr. Das zeigt auch eine Statista-Grafik auf Basis von Daten des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung.

Pro-Kopf-Konsum von Zucker in Deutschland
Pro-Kopf-Konsum von Zucker in Deutschland in den Jahren 1950/51 bis 2018/19 Foto: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft / Statista

Die süße Seuche folgt auch keiner Ernährungsphilosophie. Zucker rieselt sich konsequent durch vegane, vegetarische, tierische und ayurvedische Lebensmittel, egal ob konventionell oder bio. Deshalb gehörte für mich der Blick auf die Liste der Inhaltsstoffe fortan zum Einkaufen dazu – sowie auch der Frust.

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Der Zuckerverzicht veränderte meinen Geschmackssinn

Abgesehen von der Suche nach (verstecktem) Zucker in den Lebensmitteln fiel mir der Verzicht – oder sollte ich sagen: Entzug? – erstaunlich leicht. Dass ich meinen schwerkranken Vater das Gefühl vermitteln konnte, er sei bei dem Verzicht nicht allein, entschädigte ohnehin für die fehlende Süße. Ich fing an, mit ihm griechischen Naturjoghurt zum Nachtisch zu essen. Statt einer Süßigkeit gab es ein Stück Obst, in dem zwar Zucker drin steckt, aber eben natürlicher, kein künstlich zugesetzter.

Statt zu Vollmilch- griff ich zu 100-prozentiger Bitterschokolade. Diese hatte ich Jahre zuvor noch angewidert als zu salzig abgelehnt. Durch den Wegfall des Süßen aus meiner Ernährung hatte sich aber mein Geschmackssinn verändert – und die früher verpönte Schokolade entwickelte sich zum Highlight. Ebenso einfaches Nussmus, Haferflocken und vieles andere, das in einem dauerhaften Übersüßungszustand ohne einen Extra-Zucker-Kick noch fad schmeckte.

In wenigen Tagen wich das Gefühl des Verzichts einem Drang, vermeintlich langweilige Lebensmittel neu für mich zu entdecken. Und ich konnte nun den Zuckerboykott-Kitsch nachvollziehen, über den Gleichgesinnte ständig berichten: dass vieles beginnt, intensiver und vielseitiger zu schmecken, sich neue Noten im Essen bemerkbar machen. Es schien, als klinge eine seit meiner Kindheit anhaltende zuckerinduzierte Betäubung des Geschmackssinns ab; als seien einem sehr begrenzten Spektrum an Farben nun auch Zwischentöne hinzugefügt worden.

Auf Fragen wie „Fehlt dir nichts ohne den Zucker?“ konnte ich ehrlich antworten: Nein, im Gegenteil.

Lesen Sie Teil 3 der Zuckerfrei-Kolumne:

Auch Sie versuchen, auf Zucker zu verzichten? Schreiben Sie Nuno Alves an zuckerfrei@fitbook.de

Themen: Zucker Zuckerfrei leben
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