Bei Mouth Taping handelt es sich um einen Schlaf-Hack, mit dem sich mehrere Probleme einfach „wegkleben“ lassen sollen. Das Konzept: Den Mund vor dem Zubettgehen mit einem Tape versiegeln, sodass nur noch eine Atmung durch die Nase möglich ist. Kann das wirklich funktionieren und sagt die Wissenschaft dazu?
Die Nase ist zum Atmen da, der Mund zum Sprechen und Essen – so begründet die Anhängerschaft von Mouth Taping ihre abendliche Praxis, die für einen gesünderen Schlaf sorgen soll. Und nicht nur das. Von weniger Schnarchen über bessere Stimmung bis hin zu einem starken Immunsystem soll das Wirkungsspektrum reichen. Davon erzählen zahlreiche Erfahrungsberichte in den sozialen Netzwerken. FITBOOK erklärt den Trend.
Übersicht
Wie funktioniert Mouth Taping?
Der „Trick“ ist simpel: Einfach vor dem Schlafengehen den Mund mit einem Klebeband waagerecht zukleben. Dafür gibt es mittlerweile spezielle Mouth Tapes. Ein poröses Klebeband (wichtig!) aus einem handelsüblichen Verbandskasten tut’s auch. Zuvor etwas Vaseline auf die Lippen, damit es nicht zu Reizungen kommt. Dann einfach hinlegen, einschlafen und wie neu geboren am nächsten Morgen aufwachen. Da der Körper durch Mouth Taping dazu gezwungen wurde, im Schlaf ausschließlich durch die Nase zu atmen, sollen sich schon bald allerhand positive Effekte bemerkbar machen.
Das versprechen sich die Anhänger von Mouth Taping
Die Liste der gesundheitlichen Vorteile ist laut der Mouth-Taping-Anhänger lang:
- weniger Schnarchprobleme
- weniger Allergien
- gesunder Gewichtsverlust
- besseres Immunsystem
- regulierter Blutdruck
- verbesserte Stimmung
- gesteigertes Konzentrations- und Erinnerungsvermögen
- seltener Kopfschmerzen, Linderung von Migräne
- kein Mundgeruch mehr
- tieferer Schlaf
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Ist durch die Nase atmen wirklich gesünder?
Ja, durch die Nase atmen ist tatsächlich gesünder! Darüber sind sich Wissenschaft wie Hals-Nasen-Ohren-Ärzte einig. Die Lunge mag gerne angewärmte und angefeuchtet Luft. Diesen Job übernimmt die Nase. Die Schleimhäute der Atemwege sind mit etlichen Flimmerhärchen ausgestattet. Diese sorgen dafür, dass Schmutz- und Staubpartikel sowie Giftstoffe aus der Luft herausgefiltert werden „Die Hauptfunktion der Nase besteht darin, beim Einatmen von Frischluft diverse Fremdkörper wie Schmutzpartikel oder Bakterien zu identifizieren und herauszufiltern, sprich nach außen zu transportieren“, wird Dr. Kerstin Zeise, Landesvorsitzende des HNO-Verbandes, FITBOOK bereits in einem anderen Artikel zitiert.
Und auch das Gehirn profitiert von der Nasenatmung. In einer Studie von 2016 konnten sich die Probanden Gegenstände besser merken, wenn sie durch die Nase atmeten. 1 Mit der Sauerstoffversorgung sieht es für die Nasenatmer um ganze 10 Prozent besser aus. Dies brachte bereits 1996 eine schwedische Studie zutage. 2
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Chronische Mundatmung kann die Lunge schädigen
Ob aufgrund einer ständig verstopften Nase oder aus Gewohnheit: Wer ständig durch den Mund atmet, tut seiner Lunge damit keinen Gefallen. Keime gelangen leichter in den Körper, „was zu einer Verunreinigung der Atemwege führt, sodass Krankheitserreger nicht mehr abtransportiert werden können und sich das Risiko für Lungenerkrankungen erhöht“, warnt auch die Deutsche Lungenstiftung. Und nicht zuletzt begünstigt nächtliches durch den Mund atmen die Entstehung von Karies.3
Dass Mouth Taping den Schlaf und damit die Gesundheit verbessern soll, ist also keineswegs aus der Luft gegriffen. Ist sich nachts den Mund zuzukleben daher eine gute Idee?
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Mouth Taping und besserer Schlaf – Studienlage so gut wie nicht vorhanden
Die Wissenschaft hat sich diesem Thema nicht wirklich angenommen. Lediglich eine kleine Studie mit 30 Personen, die unter leichter Schlafapnoe leiden, stellte fest, dass ein poröses Mundpflaster tatsächlich für weniger Atemaussetzer und Schnarchen sorgte.4 Alle anderen Behauptungen wurden bislang nicht wissenschaftlich untersucht. Die amerikanische Sleep Foundation zeigt sich skeptisch, aber interessiert. Sie merkt an, dass sich viele gesundheitliche Probleme wie zu hoher Blutdruck oder depressive Verstimmungen nicht einfach wegkleben lassen – schon gar nicht im Schlaf. Wichtiger sei es, den wahren Ursachen auf den Grund zu gehen. Auch raten sie, zunächst auf eine gute Mund- und Schlafhygiene zu achten. Sprich: Handy weg, spät abends keinen Alkohol, hochwertige Matratze, regelmäßig Sport und eine gesunde Ernährung.
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Fazit: Probieren geht über Studieren
Der Vorteil an Mouth Taping ist, dass sich jeder unkompliziert selbst ein Bild davon machen kann, ob es einem etwas nützt oder nicht. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass man sich vor lauter Beklemmung und Unwohlsein den Klebestreifen wieder abreißt. Und im besten Fall beschert einem Mouth Taping womöglich tatsächlich gefühlt einen besseren Schlaf und bessere Gesundheit. Da bis jetzt so gut wie alle Erkenntnisse auf persönlichen Erfahrungen beruhen, kann man sich gerne einreihen (nur bei sich selbst und niemals bei Kindern anwenden). In diesem Fall geht Probieren (noch) über Studieren – sofern man gesund ist und bei gravierenden Beschwerden weiterhin einen Arzt aufsucht. Dazu rät übrigens auch die Sleep Foundation.
Quellen
- 1. Zelano, C., Jiang, H., Zhou, G. et al. (2016). Nasal Respiration Entrains Human Limbic Oscillations and Modulates Cognitive Function. Journal of Neuroscience.
- 2. Lundberg, J.O.N., Settengren, G., Gelinder et al. (1996). Inhalation of nasally derived nitric oxide modulates pulmonary function in humans. Acta Physiologica Scandinavica.
- 3. Choi, J. E., Waddell, J.N., Lyons, K.M., Kieser, J. A. (2015). Intraoral pH and temperature during sleep with and without mouth breathing. Journal of Oral Rehabilitation.
- 4. Huang, T.W., Young, T.H. (2015). Novel porous oral patches for patients with mild obstructive sleep apnea and mouth breathing: a pilot study. Otolaryngol Head Neck Surg.