Wie groß wir werden, bestimmen unsere Gene – aber nur zum Teil. Eine weltweit angelegte Untersuchung, bei der die Daten von 65 Millionen Heranwachsenden analysiert wurden, ergab jetzt: Eine schlechte Ernährung hemmt das Wachstum bei Kindern.
Wie wichtig eine gesunde Ernährung von frühester Kindheit an ist, belegt einmal mehr eine aktuell veröffentlichte Mega-Studie: Hierfür hatten Forschende des „Imperial College London“ Daten aus über 35 Jahren bezüglich Größe, Gewicht und Entwicklung von 65 Millionen Kinder aus 193 Ländern gesammelt und untersucht. Was besonders herausstach: In den Ländern, in denen sich seit 1985 der Lebensstandard erheblich verbesserte, nahm auch das Wachstum der Kinder erheblich zu. Das heißt, im Alter von 19 Jahren hatten sie durchschnittlich eine höhere Körpergröße erreicht als ihre Eltern und Großeltern. Die Forscher schließen unter anderem daraus, dass der Körper mit einer besseren Nährstoffversorgung mehr Energie für das Wachstum zur Verfügung stellen kann. Und zwar in einem deutlicheren Maße als bislang angenommen: Eine schlechte Ernährung in der Kindheit könnte in der größten und kürzesten Nation zu einem Höhenunterschied von 20 Zentimetern beigetragen haben.
In den Niederlanden werden Kinder am größten
Ein 19-Jähriger Niederländer ist im Schnitt 1,83 Meter groß, eine gleichaltrige Niederländerin 1,69 Meter. Damit belegen sie Platz 1 im weltweiten Größe-Ranking. Ein gleichaltriger junger Mann aus Osttimor (Asien) ist durchschnittlich 1,60 Meter groß, eine junge Frau aus Guatemala 1,50 Meter, womit sie das Schlusslicht bilden. Aber auch dazwischen entdeckten die Forschenden bemerkenswerte Tendenzen. So werden zwar asiatisch stämmige Menschen schon allein genetisch gesehen kleiner als Nordeuropäer, dennoch scheint noch einiges „rauszuholen“ zu sein. Zum Beispiel sind 19-jährige Jungen in China heute acht Zentimeter größer als im Jahr 1985. Ein Phänomen, das mit der veränderten Ernährung eingeht, allerdings zusammen mit einer teils ungesunden Zunahme des BMI (Body-Mass-Index). Kinder brauchen also nicht nur ausreichend Kalorien, sondern eine nährstoffreiche Ernährung, damit sie ihr volles Potenzial bezüglich Wachstum entfalten können.
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Wachstum verlangsamt sich wegen schlechter Ernährung – Großbritanniens Kinder fallen zurück
Der Trend kann aber auch in die andere Richtung ausschlagen, wie die Untersuchung weiter offenbart. Während das Wachstum in den meisten Industrienationen immer weiter zunimmt, fallen die britischen Kinder im weltweiten Ranking weiter zurück. Noch im Jahr 1985 belegten britische Jungen in Sachen Größe Platz 28. 2019 fielen sie auf Platz 39 zurück. Britische Mädchen belegen nur noch Platz 42. Zum Vergleich: Deutsche Jungen belegen im weltweiten Größen-Ranking Platz 19 und die Mädchen Platz 25.
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Die Mangelernährung beginnt oft in der Schulzeit
Eine weitere Erkenntnis der Forscher: Die meisten Kinder liegen bis zu einem Alter von fünf Jahren bezüglich Größe und Gewicht im gesunden Bereich. Im Laufe der ersten Schuljahre ändert sich dies oft radikal. „Wir beobachten, dass viele Kinder mit dem Eintritt in die Schule langsamer wachsen und gleichzeitig schwer werden“, heißt es in der Studie. Die Wissenschaftler vermuten übrigens einen Zusammenhang mit der schlechten Qualität des Schulessens, das in Großbritannien immer wieder als zu fett, zu zuckerhaltig und zu nährstoffarm kritisiert wird.
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Zugang zu gesunder Ernährung muss ab der frühen Kindheit gewährleistet sein
Eines von vielen wichtigen Resümees aus der Mega-Studie lautet deshalb: Es muss sichergestellt werden, dass Kinder über ihre gesamte Wachstumsphase hinweg mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln versorgt werden. Das sei auch Aufgabe der Politik, fordert Studienleiterin Dr. Andrea Rodriguez: „Die Verfügbarkeit nahrhafter Lebensmittel muss erhöht und die Kosten dafür gesenkt werden.“ Neben den Wachstumsstörungen sieht sie obendrein eine große Gefahr in den immer weiter steigenden BMI’s der Kinder, da Übergewicht noch zu vielen weiteren gesundheitlichen Problemen führen kann. Was diesbezüglich in frühester Kindheit versäumt wurde, ist in vielen Fällen nicht mehr aufzuholen.