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Laut Studie

Semaglutid senkt womöglich das Risiko, an Multipler Sklerose zu erkranken

Mann bei der Anwendung von Semaglutid (Ozempic)
Forscher glauben an eine Schutzwirkung von Abnehm-Medikamenten wie Semaglutid gegen MS Foto: Getty Images / imyskin
Laura Pomer
Laura Pomer

11.04.2024, 16:57 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Die Ursachen für die Entstehung von Multipler Sklerose (MS) sind noch immer nicht geklärt. Doch die Forschung deckt immer neue Faktoren auf, welche die chronisch-entzündliche Erkrankung des Nervensystems begünstigen können – und untersucht auf der anderen Seite, was sie womöglich verhindern könnte. In diesem Zusammenhang rückt nun das neuerdings als „Abnehmspritze“ eingesetzte Antidiabetikum Semaglutid in den Fokus, in Europa seit 2018 unter dem Medikamentennamen Ozempic zugelassen. FITBOOK stellt jüngste Forschungserkenntnisse in diesem Zusammenhang vor.

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Multiple Sklerose (MS) ist eine schwere Krankheit, die bei jedem dritten Betroffenen schwere Behinderungen auslösen kann oder gar tödlich endet.1 Die Forschung ist daher bemüht, Erklärungen für die Entstehung der neurologischen Erkrankung zu finden, um ihren Ausbruch zu verhindern beziehungsweise ihr Fortschreiten durch eine gezielte Behandlung im Zaum halten zu können. Die konkreten Ursachen von MS sind noch unklar. Man geht davon aus, dass genetische Faktoren eine Rolle spielen, erklärte dazu in einem früheren FITBOOK-Interview der Neurologe Dr. med. Patrick Thilmann. Unter anderem sollen durchgemachte Viruserkrankungen den Ausbruch von MS begünstigen können, ebenso wie Adipositas (Fettleibigkeit) – ein bekannter Entzündungstreiber. Eine effektive Möglichkeit, schnell an Gewicht zu verlieren, versprechen aktuell stark beachtete Abnehm-Medikamente wie Ozempic mit dem Wirkstoff Semaglutid. Wie sich diese auf das MS-Risiko auswirken, war nun Gegenstand einer Studie.2

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Studie zum Einfluss von Abnehmmedikamenten auf MS

„Es wird angenommen, dass Adipositas durch die Überproduktion von entzündungsfördernden Adipokinen (z. B. Leptin) und die Verringerung von entzündungshemmenden Adipokinen (z. B. Adiponektin) eine gemeinsame entzündliche Komponente mit MS aufweist“, heißt es zum Hintergrund der Untersuchung. Die Forscher der University of Nebraska gingen somit den wohl logischen nächsten Schritt: ein Mittel, das im Kampf gegen starkes Übergewicht zugelassen ist, in seiner Wirkung auf das MS-Risiko zu untersuchen.

So wirken Semaglutid und Co.

Semaglutid gehört (wie auch Dulaglutid und Liraglutid) zur Wirkstoffgruppe der Antidiabetika. Diese wurden speziell für Patienten mit schwer einstellbarem Typ-2-Diabetes entwickelt. Da die Anwendung erwiesenermaßen zu einer deutlichen Gewichtsreduktion führen kann, ist vor allem Semaglutid in Form einer sogenannten Abnehmspritze (bekannt unter dem Handelsnamen Ozempic) inzwischen auch bei Nichtdiabetikern mit starkem Übergewicht beliebt.

Ein kleiner Piks und die Pfunde purzeln – das klingt für immer mehr Abnehmwillige reizvoll. Doch genau hier liegt ein Problem. Nicht bloß drohen durch den Hype von Ozempic und Co. Engpässe an Stellen, an denen die Mittel gesundheitlich benötigt werden. Auch sehen Experten eine unkontrollierte Anwendung kritisch. Nicht nur soll nach Absetzen des Mittels das zwischenzeitlich verlorene Gewicht in vielen Fällen zurückkommen. Es drohen womöglich gar ernsthafte Erkrankungen (etwa der Bauchspeichel- und der Schilddrüse). FITBOOK geht hier genauer darauf ein.

Mittel wie Semaglutid sind sogenannte GLP-1-Rezeptoragonisten. Das bedeutet, dass sie den körpereigenen Hormonrezeptor GLP-1 aktivieren, welcher den Blutzuckerspiegel senkt und somit unter anderem appetithemmend wirkt. Es scheint eben diese Eigenschaft zu sein, die der Untersuchung zufolge auch eine Schutzwirkung gegen MS mitbringt.

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Details zur Untersuchung und Ergebnisse

Das dreiköpfige Forscherteam nutzte für seine Studie Daten aus dem FDA Adverse Event Reporting System (FAERS) – eine Informationsdatenbank zur Sicherheit sämtlicher durch die FDA zugelassenen Medikamente, in der unter anderem Nebenwirkungen der Arzneimittel aufgeführt sind. Um herauszufinden, welche Wirkstoffe womöglich das MS-Risiko senken könnten, stellten die Forscher die Anzahl mit der Erkrankung assoziierter unerwünschter Ereignisse im Zuge von Medikamenteneinnahmen aneinander gegenüber. Bei den untersuchten Medikamenten zur Gewichtsreduktion machten sie dabei bemerkenswerte Beobachtungen.

Der Datenanalyse zufolge konnte Semaglutid bei Anwendern die Wahrscheinlichkeit, an MS zu erkranken, um erstaunliche 76,2 Prozent reduzieren. Bei den verwandten Stoffen Dulaglutid und Liraglutid sei der Effekt ähnlich signifikant gewesen, wobei er sich ein wenig anders dargestellt habe. Dulaglutid konnte demnach vor allem den Schweregrad von MS-Symptome reduzieren, Liraglutid dagegen verzögerte deren Auftreten.

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Mögliche Bedeutung für die Praxis

Es ist hinzuzufügen, dass die Studie keinen definitiven Beweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Semaglutid und Co. und den dokumentierten Ereignissen liefert. Zumal es keine Kontrollgruppe gab – auf dieser Basis ist es kaum möglich, zwischen echten Assoziationen und Zufällen zu unterscheiden. Weiter schränkt die Belastbarkeit der vermeintlichen Erkenntnisse ein, dass die Grundlage der Untersuchung – die Informationen aus dem FAERS – auf freiwilligen Angaben von Medikamentenanwendern basieren. Die vorliegenden Daten könnten daher durchaus unvollständig sein. „Eine Anpassung an klinische Merkmale und eine zuverlässige Bewertung von Synergieeffekten ist aufgrund der Beschaffenheit der Datenbank nicht möglich“, heißt es in der Studienzusammenfassung.

Die Erkenntnisse bedürften daher weiterführender Untersuchungen, so die Forscher. Sie deuten jedoch bereits jetzt eindrücklich darauf hin, dass die Vergabe von Semaglutid und vergleichbarer antidiabetischer Medikamente für die Behandlung von MS sinnvoll sein könnte.

Quellen

Themen Multiple Sklerose Übergewicht

Quellen

  1. Neurologen und Psychiater im Netz: „Erkrankungsverlauf und Prognose bei Multipler Sklerose (MS)“ (aufgerufen am 11.4.2024) ↩︎
  2. A. Shirani, A. Cross, O. Stuve (2024). Exploring the association between weight loss-inducing medications and multiple sclerosis: insights from the FDA adverse event reporting system database. Therapeutic Advances in Neurological Disorders ↩︎
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