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Wirkstoff in sogenannten „Abnehmspritzen“

Suizidgedanken durch Semaglutid? Das zeigt die aktuelle Studienlage

Schön öfter wurde über einen möglichen Zusammenhang zwischen Semaglutid und Suizidgedanken berichtet. Doch was steckt dahinter?
Schön öfter wurde über einen möglichen Zusammenhang zwischen Semaglutid und Suizidgedanken berichtet. Doch was steckt dahinter? Foto: Getty Images
Martin Lewicki
Freier Autor

28. August 2024, 18:14 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

In den letzten Monaten haben als Abnehmspritze zweckentfremdete Medikamente für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Die aktuell bekanntesten, wie z. B. Ozempic, enthalten den Wirkstoff Semaglutid. Doch das vermeintliche Wundermittel könnte mindestens eine gefährliche Schattenseite haben: Eine aktuelle Studie zeigt eine mögliche Verbindung zwischen dem Wirkstoff und Suizidgedanken.

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Viele Prominente sorgten in den letzten Monaten durch starken Gewichtsverlust für Schlagzeilen. Darunter der Musiker Robbie Williams, die Stil-Ikone Kim Kardashian und Tech-Milliardär Elon Musk.1 Sie alle hatten eines gemeinsam: Eine sogenannte Abnehmspritze half ihnen, die Pfunde innerhalb kurzer Zeit zu verlieren. Dabei handelt es sich um Medikamente wie Wegovy und Ozempic. Sie sind eigentlich für die Behandlung von Adipositas oder Diabetes gedacht – und enthalten den Wirkstoff Semaglutid. Obwohl viele übergewichtige Menschen damit Abnehmerfolge erzielen, kann der Wirkstoff auch zu Nebenwirkungen führen. Eine Studie liefert Hinweise dafür, dass ein Zusammenhang zwischen Semaglutid und Suizidgedanken bestehen könnte.

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Was macht Semaglutid so wirkungsvoll?

Semaglutid bietet vielen Menschen die Möglichkeit, endlich überschüssiges Gewicht zu verlieren. Denn viele Übergewichtige haben eine Odyssee an Diäten und einen jahrelangen Leidensweg hinter sich. Deswegen ist der Wirkstoff zur Behandlung von Übergewicht und Adipositas in Deutschland zugelassen. Wegovy wird beispielsweise zur Gewichtsreduktion ab einem BMI (Body-Mass-Index) von 30 und höher verschrieben. Die Medikamente Rybelsus und Ozempic, die ebenfalls Semaglutid enthalten, sind sogar zur Behandlung von Diabetes mellitus zugelassen.2

Das Besondere am Wirkmechanismus von Semaglutid: Es erzeugt im Gehirn ein Sättigungssignal und ermöglicht so den Patienten, wesentlich weniger zu essen, ohne gegen das Hungergefühl ankämpfen zu müssen. Das ist spezielle für Menschen wichtig, bei denen die Sättigungsregulation gestört ist. Allerdings besteht die Gefahr, dass nach dem Absetzen des Medikaments wieder ein verstärktes Hungergefühl einsetzt. Deswegen müssen Patienten auch lernen, sich gesund und maßvoll ohne die Medikation zu ernähren. Sonst besteht die Gefahr, dass sie schnell wieder zunehmen.

Die möglichen Nebenwirkungen von Semaglutid

Obwohl der Abnehmeffekt bei vielen Menschen beeindruckend ist, ist der Wirkstoff Semaglutid nicht frei von Nebenwirkungen und damit umstritten. Eine Studie aus dem Jahr 2023 deutete darauf hin, dass Wirkstoffe wie Semaglutid, Liraglutid und Tirzepatid ernstzunehmende Krankheiten hervorrufen könnten. Dazu zählen Gallenerkrankungen, Darmverschluss und Pankreatitis, eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse (FITBOOK berichtete). Zudem erhöht der Wirkstoff Semaglutid vermutlich das Risiko, eine seltene Augenkrankheit zu entwickeln, die mit starkem Sehverlust einhergehen kann, wie eine weitere Studie zeigt. Auch hierzu haben wir in einem früheren Beitrag berichtet.

Kann Semaglutid sogar Suizidgedanken hervorrufen?

Nun ist eine weitere Studie erschienen, die einen besonders gefährlichen Zusammenhang aufzeigen möchte: Personen, die GLP-1-Medikamente auf Semaglutid-Basis und gleichzeitig Antidepressiva oder Benzodiazepine einnehmen, berichten überdurchschnittlich oft von Suizidgedanken, also Selbstmord.3

Für diese Studie haben amerikanische Wissenschaftler die globale Datenbank der Weltgesundheitsorganisation auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen hin untersucht, bei denen der Verdacht bestand, dass sie auf Semaglutid oder Liraglutid (ebenfalls ein Wirkstoff zur Behandlung von Übergewicht) zurückzuführen sind. Aus über 30 Millionen Berichten über Nebenwirkungen wurden 107 identifiziert, die in Zusammenhang mit Semaglutid und Suizidgedanken standen. Bei Liraglutid fand man solch einen Hinweis nicht.

Allerdings handelte es sich bei den Betroffenen um Patienten, die unter Depressionen litten und/oder Antidepressiva einnahmen. Deswegen kann nicht eindeutig gesagt werden, dass Semaglutid zu Selbstmordgedanken führen kann. Allerdings wurde es als ein Signal der Unverhältnismäßigkeit angesehen, wie häufig diese Konstellation gefunden wurde.

„Das Signal der Unverhältnismäßigkeit ist nur ein Hinweis und kann nicht als Indikator für den Schweregrad interpretiert werden“, kommentiert der Hauptautor der Studie, Dr. Georgios Schoretsanitis, das Studienergebnis auf dem Medizinportal „Medical News Today“. Somit zeigt die Studie keinen kausalen Zusammenhang auf, allerdings liefert sie einen Hinweis, der weitererforscht werden sollte, so die Wissenschaftler.

FDA und EMA finden keinen Zusammenhang zwischen Semaglutid und Selbstmordgedanken

Es ist nicht das erste Mal, dass über diesen möglichen Zusammenhang berichtet wird. So gab es drei Berichte über Patienten auf Island sowie 201 weitere ähnliche Vorfälle, die bei der amerikanischen Lebensmittel und Medikamentenbehörde (FDA) eingegangen sind, berichtet „Medical News Today“. Diese Fälle wurden sowohl von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) als auch von der FDA untersucht. Anfang Januar 2024 gab die FDA schließlich eine Erklärung ab, in der sie berichtet, dass man keinen Zusammenhang zwischen Semaglutid und Suizidgedanken fand.4 Im April 2024 verkündete dies auch die EMA.

Experten kritisieren, dass individuelle Berichte über Nebenwirkungen von Medikamenten, die in der neuen Studie ausgewertet wurden, keine geeigneten Quellen seien, um den Zusammenhang der Abnehmspritze und Selbstmordgedanken aufzuzeigen. Diese Berichte finden nicht in einer klinischen Umgebung statt, bei der man die Patienten umfangreich betreut und Nebenwirkungen anderer Medikamente ausschließen kann.

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Warum Fallberichte und Studien dennoch wichtig sind

Ein kausaler Zusammenhang lässt sich bislang nicht belegen. Einzelne Fallberichte sowie einzelne Studien können keine Beweise liefern – aber Hinweise, die womöglich aufhorchen lassen sollten. Sie liefern immerhin gute Argumente dafür, Medikamente mit Semaglutid nicht zu nehmen, wenn es nicht aus gesundheitlichen Gründen (starkes Übergewicht, Adipositas oder Diabetes) notwendig ist.

Die „Deutsche Depressionshilfe“ rät, Betroffene offen darauf anzusprechen und ihnen bei Bedarf dabei zu helfen, einen Arzt oder Psychotherapeuten zu kontaktieren. Manchmal kann es auch notwendig sein, sie in eine psychiatrische Notfallambulanz zu bringen. Sollten Sie selbst Suizidgedanken haben: Die Telefonseelsorge unter 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 ist kostenfrei und steht rund um die Uhr zur Verfügung. Holen Sie sich bitte Hilfe!

Themen Medikamente

Quellen

  1. SWR: Fünf Fakten über die Abnehmspritze - das müssen Sie wissen (aufgerufen am 28.8.2024) ↩︎
  2. Ärzteblatt: Semaglutid: Abnehmmedikamente als Lifestyle? (aufgerufen am 28.8.2024) ↩︎
  3. Schoretsanitis, G., Weiler, S., Barbui, C., et. al. (2024). Disproportionality Analysis From World Health Organization Data on Semaglutide, Liraglutide, and Suicidality. JAMA Network Open. ↩︎
  4. U.S. Food and Drug Administration (FDA): Update on FDA’s ongoing evaluation of reports of suicidal thoughts or actions in patients taking a certain type of medicines approved for type 2 diabetes and obesity (aufgerufen am 28.8.2024) ↩︎
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