
22. Mai 2025, 4:14 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Ständig kalte Füße? Dahinter steckt nicht immer harmloses Frösteln. Manchmal sind Durchblutungsstörungen die Ursache, eine oft unterschätzte, aber potenziell gefährliche Erkrankung. Wer Warnzeichen kennt, kann rechtzeitig gegensteuern. Ein Experte erklärt, worauf es ankommt – und warum Tanzen mehr bewirken kann als manche Tablette.
Durchblutungsstörungen nehmen im Alter stark zu und betreffen etwa jeden zehnten Menschen über 60. Früh erkannt lassen sich gravierende Folgen wie Herzinfarkt oder Amputationen vermeiden – mit gezielter Bewegung, bewusster Lebensweise und medizinischer Überwachung.
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Übersicht
Was ist eine Durchblutungsstörung?
Von einer Durchblutungsstörung spricht man, wenn das Blut nicht mehr ungehindert durch die Gefäße fließen kann. Dies betrifft vor allem Arterien, also jene Gefäße, die sauerstoffreiches Blut vom Herzen zu Organen und Geweben transportieren. Wird der Blutfluss behindert, erhalten die betroffenen Körperregionen weniger Sauerstoff und Nährstoffe – gleichzeitig werden Stoffwechselabfälle schlechter abtransportiert.1
Medizinisch wird dabei unterschieden zwischen:
- chronischer Durchblutungsstörung: Sie entwickelt sich langsam durch Gefäßverengungen.
- akuter Durchblutungsstörung: Hier wird ein Gefäß plötzlich verschlossen, etwa durch ein Blutgerinnsel. Es besteht sofortige Lebensgefahr – z. B. bei Herzinfarkt oder Schlaganfall.
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Welche Arten von Durchblutungsstörungen gibt es?
Durchblutungsstörungen können in nahezu allen Körperregionen auftreten. Je nach Ort der Gefäßverengung unterscheiden Ärzte:
- Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK): Verengung der Bein- oder Armarterien. Auch als „Schaufensterkrankheit“ bekannt.
- Koronare Herzkrankheit (KHK): betrifft die Herzkranzgefäße. Typische Symptome sind Brustschmerzen und Atemnot.
- Carotisstenose: Verengung der Halsschlagader – erhöht das Risiko für Schlaganfälle.
- Mesenterialischämie: Durchblutungsstörung im Bauchraum – vor allem im Darm.
- Nierenarterienstenose: Mangelversorgung der Nieren, häufig mit Bluthochdruck verbunden.
- Zerebrale Durchblutungsstörungen: betreffen das Gehirn und können Sehstörungen, Sprachprobleme und Lähmungen verursachen.
- Raynaud-Syndrom: funktionelle Gefäßverengung der Finger und Zehen, meist harmlos.
Im folgenden Video erklärt Kardiologe Dr. Schneeweis vermeidbare Risikofaktoren für Herzerkrankungen:
Das sind die Ursachen
Die Hauptursache ist Arteriosklerose – also Ablagerungen aus Fett und Kalk an den Gefäßwänden, sogenannte Plaques. Diese verengen die Gefäße nach und nach.
Risikofaktoren für Arteriosklerose sind:
- Bluthochdruck
- erhöhte Blutfette
- Diabetes mellitus
- Übergewicht
- Rauchen
- genetische Vorbelastung
„Wer wissen möchte, ob seine Gefäße von Ablagerungen bedroht sind, sollte sich zunächst fragen, ob er zu einer Risikogruppe gehört“, rät Siamak Pourhassan von der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG).
Risikopersonen sind etwa Menschen mit Bluthochdruck, erhöhtem Cholesterinspiegel, Übergewicht, Rauchende und Ex-Rauchende sowie jene, deren enge Familienangehörige vor dem 50. Lebensjahr einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten.
Eine Sonderform stellt das Raynaud-Syndrom dar: Hier kommt es durch Kälte oder Stress zu einem kurzfristigen Zusammenziehen kleiner Blutgefäße, vor allem in den Fingern. Das Phänomen tritt auch bei jungen Menschen auf und ist meist harmlos, aber unangenehm.2
So sieht die Symptomatik aus
Die Beschwerden richten sich nach der betroffenen Körperregion. Allgemein gilt: Je weniger Sauerstoff ein Gewebe erhält, desto stärker treten funktionelle Störungen auf.
Folgendes sind typische Symptome:
- Beine und Füße (pAVK): Schmerzen beim Gehen, Kältegefühl, Schwäche, Sensibilitätsstörungen.
- Darm (Mesenterialischämie): Bauchschmerzen nach dem Essen.
- Herz (KHK): Brustenge, Atemnot, ausstrahlende Schmerzen.
- Gehirn (Carotisstenose): Sehstörungen, Sprachstörungen, Halbseitenlähmungen.
- Diabetesbedingte Mikrozirkulationsstörungen: zuerst Taubheitsgefühle, dann Schmerzen.
Frühwarnzeichen einer gestörten Durchblutung in den Beinen sind:
- Nagelpilz
- Verlust von Haaren an Zehen und Unterschenkeln
- Trockene Haut
- Hautrisse, vor allem an Fersen, Fußsohlen und zwischen den Zehen
„Bei solchen Anzeichen sollte man hellhörig werden, denn sie sprechen für ein Zuflussproblem in den Gefäßen“, erklärt Pourhassan.
Verlauf der Erkrankung
Chronische Durchblutungsstörungen entstehen langsam – oft über Jahre hinweg – und bleiben lange symptomlos. Besonders gefährlich: Viele Betroffene bemerken die Erkrankung erst, wenn Schmerzen beim Gehen auftreten oder es bereits zu Gewebeschäden gekommen ist.
Im Gegensatz dazu tritt eine akute Durchblutungsstörung plötzlich auf, etwa wenn sich ein Plaque löst und ein Gefäß verschließt. In diesem Fall liegt eine Embolie oder ein Infarkt vor. Es handelt sich um einen medizinischen Notfall, der sofortige ärztliche Hilfe erfordert.
Diagnose
Zunächst erfolgt bei Verdacht auf eine Durchblutungsstörung eine körperliche Untersuchung – in der Regel beginnend an den Beinen und Füßen. Dabei tasten Ärzte die Fußpulse, etwa am Innenknöchel.
Zudem wird der Knöchel-Arm-Index bestimmt – ein Vergleich des Blutdrucks in Bein und Arm. Ist der Wert auffällig, folgen weiterführende Untersuchungen beim Gefäßspezialisten.
„Wir untersuchen dann mit Ultraschall das venöse und arterielle Gefäßsystem, also beide Systeme“, so Pourhassan. Wichtig sei, die Gesamtheit des Systems zu betrachten, denn: „Unsere Gefäße sind ein komplexes Netzwerk, das mit allen Organen und Geweben verbunden ist und von Hormonen und Nerven mitgesteuert wird.“
Doch nicht für alle Menschen ist eine Untersuchung sinnvoll. Pourhassan warnt:
„Einfach mal die Gefäße checken lassen – das halte ich für keine gute Idee“, sagt er.
„Man entdeckt vielleicht Mini-Plaques, die keine gesundheitliche Relevanz haben. Dennoch können solche Befunde beunruhigen und sogar seelisch krank machen.“
Wie therapiert man Durchblutungsstörungen?
Die Behandlung richtet sich nach Ursache, Schweregrad und Lokalisation der Störung. Ziel ist es, die Durchblutung zu verbessern und weitere Gefäßschäden zu verhindern.
Konservative Maßnahmen:
- Rauchstopp
- Gesunde, fettarme Ernährung
- Tägliche Bewegung (z. B. Gehtraining von 30 Minuten)
- Gewicht normalisieren
- Blutdruck, Blutzucker und Blutfette optimal einstellen
Ideal sind spezielle Gefäßsportgruppen, Herzsportvereine oder Selbsthilfegruppen, die Gehtrainings anbieten.3
Ein besonders lebensnaher Tipp kommt von Pourhassan: „Gehen Sie tanzen! Tanzen ist eines der besten Bewegungsprogramme überhaupt – für die Gefäße, aber auch für die geistige Fitness und das soziale Wohlbefinden.“
Medikamentöse Therapie:
- Blutverdünner
- Statine (zur Senkung von Cholesterin)
- Medikamente zur Blutdruck- oder Blutzuckerkontrolle
Invasive Verfahren:
- Ballonaufdehnung (PTA)
- Stentimplantation
- Bypass-Operation bei fortgeschrittener pAVK oder KHK

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Vorbeugung der Erkrankung
Bei bestehenden Durchblutungsstörungen ist eine ärztliche Behandlung wichtig. Gleichzeitig kann man selbst viel dazu beitragen, um die Gefäße gesund zu halten – oft mit einfachen Mitteln im Alltag:
- Vorerkrankungen gut behandeln: Zuallererst sollten Bluthochdruck, hohe Blutfette oder Diabetes ärztlich überwacht und gut eingestellt sein.
- Rauchen aufgeben: Außerdem schädigt Tabakkonsum die Gefäße nachhaltig. Ein Rauchstopp lohnt sich immer – auch im höheren Alter.
- Regelmäßig bewegen: Darüber hinaus bringt tägliches Gehen, Radfahren oder Tanzen die Durchblutung in Schwung. Bereits 30 Minuten am Tag haben eine positive Wirkung.
- Gesund essen: Zusätzlich unterstützt eine Ernährung mit viel Gemüse, Vollkornprodukten und pflanzlichen Fetten die Gefäßgesundheit. Zucker und tierische Fette sollten hingegen reduziert werden.
- Übergewicht abbauen: Nicht zuletzt entlastet jedes verlorene Kilo das Herz-Kreislauf-System deutlich.
So lässt sich das Risiko für Durchblutungsstörungen deutlich senken – und die Lebensqualität langfristig verbessern.
*mit Material von dpa