
6. Juni 2025, 12:37 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Fieber, Kopfschmerzen und ein allgemeines Krankheitsgefühl – anfangs ähneln die Symptome einer Bornavirus-Infektion, denen einer normalen Erkältung. Doch der Schein trügt. Innerhalb weniger Tage können die Betroffenen eine schwere Enzephalitis entwickeln – die im schlimmsten Fall tödlich enden kann. Vor kurzem haben sich zwei Männer mit dem seltenen Bornavirus infiziert – einer von ihnen ist inzwischen verstorben, der andere liegt auf der Intensivstation. FITBOOK-Redakteurin Julia Freiberger erklärt, wie gefährlich das Virus ist.
Ein rätselhafter Erreger, kaum bekannte Übertragungswege und eine hohe Sterblichkeitsrate: Das Bornavirus (BoDV-) wirft trotz wissenschaftlicher Fortschritte viele Fragen auf. Zwar sind Infektionen beim Menschen extrem selten, doch aktuelle Fälle aus Bayern zeigen, wie ernst die Gefahr ist – besonders in bestimmten Risikogebieten.1
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Übersicht
- Was ist das Bornavirus?
- Feldspitzmaus als Überträger
- Wie man sich mit dem Erreger anstecken kann
- Symptome anfangs grippeähnlich
- Wie häufig ist eine Bornavirus-Infektion?
- Wie lässt sich das Virus nachweisen?
- Schutzmaßnahmen: So kann man sich vor dem Bornavirus schützen
- Forschung und Aufklärung: Noch viele offene Fragen
- Quellen
Was ist das Bornavirus?
Das Borna Disease Virus 1 (BoDV-1), auch als „klassisches Bornavirus“ bekannt, ist ein Virus, das ursprünglich nur bei Tieren bekannt war – vor allem bei Pferden und Schafen, die daran schwer erkrankten. Die Krankheit wurde bereits im 18. Jahrhundert erstmals beschrieben, ihren Namen erhielt sie nach der Stadt Borna in Sachsen, wo 1885 ein Massensterben unter Pferden auftrat.
Lange Zeit galt BoDV-1 ausschließlich als Tierseuche. Erst im Jahr 2018 entdeckten Forscher, dass das Virus auch beim Menschen eine schwere Entzündung des Gehirns – eine sogenannte Enzephalitis – verursachen kann. Seitdem zählt es zu den sogenannten Zoonosen: Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übergehen können.
Besonders heimtückisch: Für die Infektion gibt es bis heute keine gezielte Behandlung und auch keinen Impfstoff. Die Krankheit verläuft in den meisten Fällen tödlich. Nur wenige Betroffene überlebten bislang – teilweise mit schweren bleibenden Schäden.2
Abgrenzung zum Bunthörnchen-Bornavirus
Neben dem klassischen Bornavirus (BoDV-1) gibt es noch eine zweite Variante, die ebenfalls gefährlich für den Menschen sein kann: das sogenannte Bunthörnchen-Bornavirus (VSBV-1). Dieses Virus wurde bei exotischen Hörnchenarten gefunden – meist bei Tieren, die in Europa als Haustiere gehalten wurden. Auch VSBV-1 kann beim Menschen eine tödliche Gehirnentzündung auslösen, hat aber einen anderen Ursprung und kommt nur sehr selten vor. Im Gegensatz dazu ist BoDV-1 in der heimischen Natur verbreitet – vor allem in Süd- und Ostdeutschland.3
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Feldspitzmaus als Überträger
Die Feldspitzmaus ist das einzige bekannte Tier, das das Bornavirus dauerhaft in sich trägt, ohne selbst krank zu werden. Sie kann das Virus über Speichel, Kot, Urin und sogar über ihre Haut weitergeben – und so unbemerkt ihre Umgebung infizieren.
Die Tiere leben meist im ländlichen Raum, verlassen ihr Revier kaum und kommen besonders häufig in bestimmten Regionen Deutschlands vor – vor allem in Bayern, Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg. Auch in Nachbarländern wie Österreich oder der Schweiz wurde das Virus schon entdeckt. In anderen Teilen Europas wurde es beim Menschen bisher noch nicht gefunden.
Wie man sich mit dem Erreger anstecken kann
Trotz intensiver Forschung ist nicht genau geklärt, wie das Virus von der Spitzmaus auf den Menschen übergeht. Möglich ist eine Infektion durch:
- das Einatmen von kontaminiertem Staub (z. B. bei Gartenarbeit oder im Schuppen),
- den Kontakt mit verseuchtem Boden, Wasser oder Lebensmitteln,
- oder durch den direkten Biss einer Spitzmaus.
Auch wenn Haustiere wie Katzen Spitzmäuse jagen, könnte dies ein indirekter Übertragungsweg sein – bewiesen ist das bisher aber nicht. Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch ist bislang nicht bekannt, mit Ausnahme einzelner Fälle im Zusammenhang mit Organtransplantationen.4
Symptome anfangs grippeähnlich
Die Infektion beginnt oft harmlos: Fieber, Kopfschmerzen und ein allgemeines Krankheitsgefühl. Doch schon wenige Tage später verschlechtert sich der Zustand rapide. Typische Folgeerscheinungen sind:
- Sprachstörungen
- Gangunsicherheit
- auffällige Wesensveränderungen
- Krampfanfälle
Im weiteren Verlauf kommt es zu einer schweren Gehirnentzündung. Innerhalb weniger Tage bis Wochen ist es dann möglich, dass die Betroffenen ins Koma fallen. Unbehandelt verläuft die Infektion tödlich.
Wie häufig ist eine Bornavirus-Infektion?
Laut Robert Koch-Institut (RKI) zählt die BoDV-1-Infektion zu den seltensten Erkrankungen in Deutschland. Pro Jahr werden etwa fünf bis zehn akute Fälle gemeldet. Zum Vergleich: Rund 200 Menschen werden jährlich vom Blitz getroffen – eine BoDV-1-Erkrankung ist also extrem selten. Eine hohe Dunkelziffer wird vom RKI nicht vermutet.5
Die meisten bekannten Fälle traten bislang in ländlichen Regionen Bayerns auf. Auch wenn in anderen Ländern Europas bislang keine Infektionen beim Menschen nachgewiesen wurden, gehen Fachleute davon aus, dass das Virus theoretisch überall dort gefährlich werden kann, wo es in Feldspitzmauspopulationen vorkommt.
Zwei Infektionsfälle in Pfaffenhofen
Dass selbst vereinzelte Fälle dramatisch verlaufen können, zeigt das Beispiel aus dem oberbayerischen Pfaffenhofen. Dort haben sich vor ein paar Tagen zwei Männer unabhängig voneinander mit dem Virus infiziert – einer von ihnen verstarb, der andere liegt im Krankenhaus. Der genaue Übertragungsweg bleibt unklar.
Wie lässt sich das Virus nachweisen?
Eine Infektion mit dem Bornavirus ist schwer zu erkennen, weil die ersten Beschwerden wie Fieber, Kopfschmerzen oder Erschöpfung sehr allgemein sind – sie ähneln vielen anderen, harmlosen Krankheiten. Erst wenn zusätzlich auffällige Symptome wie Sprachprobleme, unsicheres Gehen oder ungewöhnliches Verhalten auftreten, denken Ärzte an seltenere Ursachen wie BoDV-1.
Ein Verdachtsfall – etwa eine ungeklärte Gehirnentzündung bei einem Menschen aus einem bekannten Risikogebiet – wird durch spezielle Labortests untersucht. Dabei kommen im Wesentlichen zwei Methoden zum Einsatz:
- Antikörpernachweis: Wenn sich das Immunsystem bereits mit dem Virus auseinandergesetzt hat, lassen sich spezifische Antikörper im Blut oder im Liquor nachweisen. Diese Untersuchung ist vor allem bei lebenden Patienten der wichtigste Baustein zur Diagnosesicherung.
- PCR-Test: Dabei wird das Erbgut des Virus nachgewiesen – entweder im Nervenwasser (Liquor), das durch eine Lumbalpunktion entnommen wird, oder im Gehirngewebe. Letzteres ist allerdings nur post mortem möglich. Diese Methode ist besonders zuverlässig, aber technisch aufwendig.
Seit dem 1. März 2020 müssen Bornavirus-Infektionen beim Menschen in Deutschland offiziell gemeldet werden. Wird das Virus im Labor nachgewiesen, ist das Gesundheitsamt sofort zu informieren – damit die Fälle bundesweit erfasst und besser überwacht werden können.6
Schutzmaßnahmen: So kann man sich vor dem Bornavirus schützen
Auch wenn die Gefahr einer Ansteckung mit dem Bornavirus sehr gering ist, lohnt sich vor allem in betroffenen Regionen ein bewusster und vorsichtiger Umgang mit potenziellen Übertragungsquellen – insbesondere bei Arbeiten im Freien oder im ländlichen Umfeld.
Um das Risiko so gering wie möglich zu halten, sollten folgende Verhaltensregeln beachtet werden:
- Spitzmäusen und deren Hinterlassenschaften aus dem Weg gehen, besonders bei Garten- oder Aufräumarbeiten, im Schuppen, auf Dachböden oder in Kompostnähe.
- Verendete Tiere nicht direkt anfassen – der Einsatz von Handschuhen ist Pflicht.
- Bevor tote Spitzmäuse oder deren Ausscheidungen beseitigt werden, diese gründlich mit einem Reinigungsmittel besprühen. So lässt sich verhindern, dass möglicherweise belasteter Staub in die Atemluft gelangt.
- Bei der Entsorgung auf geeigneten Schutz achten: Handschuhe, eine eng anliegende Maske (z. B. FFP2 oder FFP3) und bei Bedarf auch eine Schutzbrille können zusätzlichen Schutz bieten.
- Den Tierkörper mit einer Plastiktüte aufnehmen, diese gut verschließen und über den Hausmüll entsorgen.
- Wer staubigen Arbeiten ausgesetzt war, sollte anschließend gründlich duschen, Haare waschen und die Kleidung direkt in die Wäsche geben.
Diese einfachen Maßnahmen helfen dabei, eine mögliche Virusübertragung auf den Menschen effektiv zu verhindern – auch wenn das Risiko insgesamt sehr gering ist.

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Forschung und Aufklärung: Noch viele offene Fragen
Trotz vieler Erkenntnisse gibt es beim Bornavirus noch offene Fragen – etwa, wie genau sich Menschen infizieren und warum nur so wenige Fälle auftreten. Forschende in Deutschland untersuchen weiterhin mögliche Übertragungswege und Risikofaktoren. Auch Tierärzte sind wichtig: Auffällige Krankheitsverläufe bei Tieren sollen gemeldet werden, um weitere Hinweise zu bekommen. In betroffenen Regionen informieren Gesundheitsämter online über Schutzmaßnahmen und bieten teilweise Sprechstunden an, in denen Fragen direkt beantwortet werden.