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FITBOOK-Redakteur hält seit 2018 Jahren durch

„Wie sich mein Körper durch den Zuckerverzicht veränderte“

Zucker-Rausch
Zucker hat Suchtpotenzial – und er steckt nicht nur in Süßigkeiten wie Schokoladenkeksen, Fruchtgummis oder dergleichen drin Foto: Getty Images
Nuno Alves
Chefredakteur

06.04.2021, 05:33 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Seit März 2018 verzichtet Nuno Alves, Editorial Director von FITBOOK, auf raffinierten Zucker. In Teil 3 seiner Kolumne berichtet er darüber, wie sich sein Körper verändert hat und wie er es schafft, durchzuhalten. Für alle, die ebenfalls auf Zucker verzichten wollen, hat er einen hilfreichen Tipp.

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Mittlerweile sind fast genau drei Jahre vergangen seit meinem Entschluss, zuckerfrei zu leben. Kann ich sicher sein, dass ich garantiert keinen raffinierten Zucker oder andere in vielen Lebensmitteln enthaltene künstlich zugesetzte Zuckerarten konsumiert habe? Natürlich nicht. Das Zeug und seine Artverwandten stecken überall drin. Entsprechend bin ich überzeugt, dass – trotz meines strengen Zuckerverzichts – unbewusst dennoch gefühlte Unmengen ihren Weg in meinen Körper gefunden haben. Gerade zu Anfang meines Projekts war mein Speiseplan aufgrund meiner Gutgläubigkeit und mangelnden Wissens sicher noch nicht 100-prozentig frei von zugesetztem Zucker.

Ich erinnere mich beispielsweise daran, dass ich beim Mittagessen gern mal etwas Rotkohl aß, den ich für ziemlich gesund hielt – bis ich mal aus Interesse nachfragte, ob ihm etwas zugesetzt werde. Antwort: Ja, Zucker. Ähnliches galt für die frische Tomatensuppe, Weißkraut, den eingelegten Kürbis usw. Aber immerhin kann ich guten Gewissens sagen, dass ich sehr intensiv geforscht, Zutatenlisten gelesen und alles gestrichen habe, worin ich Zucker erkannte. Und mit der Zeit zeigten sich erste positive Auswirkungen meines Projekts.

Aus dem Zuckerverzicht wurde ein Spiel, das ich nicht verlieren wollte

Nach einigen Wochen Zuckerverzicht verspürte ich ein vermindertes Bedürfnis, zwischen den Hauptmahlzeiten zu Snacks zu greifen. Ob es eine Anpassung des Körpers war oder schlichtweg die Gewöhnung an die Tatsache, dass viele dieser Mini-Mahlzeiten keine Option mehr waren, kann ich nicht sagen. Was aber wichtiger ist: Ich hatte nicht das Gefühl, mir fehle etwas. Stattdessen begann ich, mich zunehmend bewusster und, wie ich finde, gesünder zu ernähren. Aus dem Projekt war eine Herausforderung und daraus ein Spiel geworden, das ich nicht verlieren wollte.

Die perfiden Ablenkungsmanöver der Lebensmittelindustrie

In diesem Spiel gab (und gibt) es zwei Seiten. Auf der einen ich, der nach all den künstlich zugesetzten Zuckern fahndete, und auf der anderen die Lebensmittelindustrie, die den süchtig machenden Geschmacksträger Zucker weiter in ihre Produkte pumpt, teils unter für weniger aufgeklärte Kunden harmlos klingenden Namen wie etwa Fruktose, Agavendicksaft oder Ahornsirup.

Wie perfide die Ablenkungsmanöver der Hersteller sind, zeigt sich beispielsweise darin, dass es oft schon reicht, „glutenfrei“, „vegan“, „Bio“ oder „ohne Palmfett“ auf eine Verpackung zu schreiben, um bei den potenziellen Käufern den Eindruck zu hinterlassen, das Produkt sei gesund. Denn wo so viel „Ungesundes“ weggelassen wird, kann schließlich nichts Schädliches mehr drin sein. Nicht viele machen sich dann noch die Mühe, sich die Inhaltsstoffe genauer anzuschauen. Würden sie es tun, wären sie überrascht angesichts der untergejubelten Zuckermengen.

Foodwatch über Zutatenlisten: „Die Schrift ist oft sehr klein und schwer lesbar“

„Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist es nicht immer einfach, den Zuckergehalt eines Produkts schnell zu erkennen“, bestätigt mir auch Dario Sarmadi von der Nichtregierungsorganisation Foodwatch. „Die Nährwerttabelle, in der die Hersteller den Zuckergehalt eines Produktes angeben müssen, findet sich in der Regel im Kleingedruckten auf der Verpackungsrückseite. Die Schrift ist oft sehr klein und schwer lesbar.“

Doch selbst wenn Verbraucher*innen den Zuckergehalt lesen können, sei dessen Einordnung nicht immer einfach. „Zehn Gramm Zucker in 100 Gramm Frühstücksflocken ist zum Beispiel etwas völlig anderes als in 100 Milliliter“, erklärt Sarmadi. Denn von dem Getränk nehme man weitaus mehr zu sich. Auch werde der Zucker in der Cola anders vom Körper aufgenommen. 

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Hinzu komme, dass Hersteller den Zuckergehalt eines Produktes schön rechnen würden, „indem sie den Nährwertgehalt auf unrealistische Portionsgrößen herunterrechnen und auf der Verpackungsvorderseite darstellen, erklärt Sarmadi von Foodwatch. „Bei einer großen 175 Gramm-Tüte Chips ist die entsprechende Portion nur eine Handvoll. Bei einer 500 Milliliter-Flasche Getränke für unterwegs nur die Hälfte.“

Warum setzen Lebensmittelkonzerne konsequent auf Zucker?

Dass Zucker in Lebensmitteln beinahe schon omnipräsent ist, liegt – natürlich – am Geld, das die Konzerne damit verdienen können. „Zucker ist eine kostengünstige Zutat“, sagt Foodwatch-Sprecher Sarmadi. Somit seien verarbeitete, zuckerhaltige Lebensmittel entsprechend profitabler als frisches Obst und Gemüse. „Eine Studie der Unternehmensberatung JP Morgan aus dem Jahr 2006 zeigt, dass sich mit unausgewogenen Produkten wie gezuckerten Getränken, Süßwaren und fettigen Snacks die größten Umsatzrenditen erwirtschaften lassen“, erklärt Sarmadi. In ausgewogenere, zuckerärmere Produkte zu investieren, falle Unternehmen angesichts solcher Aussichten sehr schwer.

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Nach vier Monaten des Zuckerverzichts hatte ich drei Kilo abgenommen

Nuno Alves
No candy! Nuno Alves isst seit 2018 keinen raffinierten Zucker Foto: FITBOOK

Während ich also mit zunehmendem Eifer in dieses Spiel versank, die Zucker-Unterjubel-Methoden zu entlarven, spürte ich nach den ersten vier Monaten die ersten Veränderungen an meinem Körper. Ich nahm etwa drei bis vier Kilo ab. Das Verhältnis Körperfett zu Muskelmasse verbesserte sich sichtbar. Das war insofern bemerkenswert, als ich zwar seit Jahren ein recht ambitioniertes Sportprogramm durchzog, aber vor meinem Anti-Zuckerprojekt schon länger kaum mehr Fortschritte zu erzielen schien. Plötzlich stellten sie sich ein. Sicher auch deswegen, weil nun die vielen sogenannten leeren Kalorien wegfielen, die meinen Körper zuvor mit teils zu viel Energie aus Zucker überschwemmt hatten.

Abgesehen von den äußerlich wahrnehmbaren Veränderungen bemerkte ich weitere positive Auswirkungen meines Verzichts. Wie viel Placebo-Effekt war und wie viel tatsächlich der Reduzierung von Zucker in meiner Ernährung zuzuschreiben war, ist schwierig einzuschätzen. Ich spürte allerdings eine gesteigerte Leistungsfähigkeit insgesamt. Nicht nur körperlich – auch geistig.

Während ich früher nach einem süßen Snack und dem darauffolgenden kurzen Hoch schnell wieder in ein Energie-Loch fiel, hielt sich meine Konzentrationsfähigkeit nun konstant über den Tag. Der Zuckerkater war verschwunden.

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Die Nebeneffekte meines Zuckerverzichts

Durch meinen Zucker-Boykott reduzierte sich auch die Menge an stark verarbeiteten Lebensmitteln auf meinem Speiseplan. Stattdessen aß ich zunehmend Vollwertkost. Automatisch erhöhte sich somit die Nährstoffdichte meiner Mahlzeiten, ich fühlte mich satter. Und mit dem künstlich zugesetzten Zucker verschwanden noch allerhand andere Inhaltsstoffe aus meiner Ernährung: raffinierte Speiseöle, Konservierungsstoffe, Regulatoren, Geschmacksverstärker, Stabilisatoren usw. Nehmen wir das Beispiel Vollkorntoast bzw. Brot:

Typische Inhaltsstoffe eines Vollkorn-Toastbrots:

  • Weizenvollkornmehl (rund 60 Prozent)
  • Weizenmehl und/oder Weizensauerteig
  • Wasser
  • Rapsöl
  • Zucker
  • Hefe
  • Salz
  • Natriumacetate (ein Säureregulator)

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Ein gutes Vollkornbrot aus der Bäckerei enthält:

  • Weizenvollkornmehl
  • Wasser
  • Meersalz
  • Hefe

Da der handelsübliche Toast durch meinen Zuckerverzicht nicht mehr zur Debatte stand, hatte ich mich gleichzeitig des Rapsöls und Natriumacetats entledigt. Wie und ob beides schädlich ist, möchte ich hier gar nicht diskutieren, aber muss es ist ein Brot? Nein!

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Zucker nenne ich nur noch „Gift“

Selbstverständlich lag weiter überall Süßes rum, in der Redaktion, zu Hause, bei Freund*innen. Und auch wenn mich manches durchaus mal anlächelte, mir half es, die Dinge als das zu benennen, was sie zum Teil sind: Gift. Tatsächlich dachte ich beim Anblick von Süßigkeiten nicht nur Gift, ich sprach es auch aus, halb im Spaß, halb im Ernst. Meine Kolleg*innen in der BOOKs-Redaktion können das bezeugen.

Für diejenigen, die mit dem Gedanken spielen, ebenfalls auf Zucker zu verzichten, ist das mein bester Tipp: den Zucker als Gift zu betrachten und es sogar auszusprechen, wenn die Süßigkeiten ein leises bis sehr lautes „Greif zu!“ rufen. Mir hilft dieser Psycho-Trick – bis heute.

Natürlich wurde mir weiterhin allerorts weiter „Gift“ angeboten, von Kolleg*innen, Familie, Freund*innen – immer von Herzen und gut gemeint: Apfelkuchen, Brownies, Bonbons, Vollmilchschokolade, Pudding, Kekse. Und die Anlässe gab es vor Corona zuhauf, bei Geburtstagen, auf Grillpartys, beim Picknick, gemeinsamen Abendessen. Während ich anfangs noch eher verlegen ablehnte, mir bescheuert vorkam und, wann immer ich konnte, diesen Moment des „Echt, du isst keine Süßigkeiten? Wieso nicht?“ mied, ging ich in irgendwann in die Offensive und sprach es sogar aktiv an. Nicht allen erklärte ich jedoch sogleich den eigentlichen Anlass für mein Projekt: dass ich es gemeinsam mit meinem Vater gestartete hatte, der gegen einen bösartigen Hirntumor kämpfte. Einen Kampf, den er trotz seines Zuckerverzichts im August 2018 verlieren sollte. Nach seinem Tod machte ich einfach weiter.

Auch Sie versuchen, auf Zucker zu verzichten? Schreiben Sie Nuno Alves mit dem Betreff „Zuckerfrei“ an zuckerfrei@fitbook.de.

Themen Zucker Zuckerfrei leben
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