07.05.2024, 11:10 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten

Vor 40 Jahren gründete Nerio Alessandri Technogym. Seit seinem ersten Gerät, das er in seiner Garage entwickelte, hat sich einiges getan bei dem Fitnessstudio-Ausstatter. Was genau, verriet der CEO und Gründer in einem Interview mit FITBOOK-Redaktionsleiterin Melanie Hoffmann und -Fitnessexpertin Janine Riedle.

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Kleiner Exkurs vor Interviewbeginn: KI beim Training

KI beim Training – wie das funktioniert, macht Technogym erfahrbar. Die Marke arbeitet sowohl bei ihren neuesten Fitnessgeräten als auch in ihrer Fitness-App mit dieser Technologie. Wie genau KI zum Einsatz kommt, haben wir uns auf der FIBO ansehen können und uns on Enrico Manaresi, Press & Media Director der Fitnessmarke erklären lassen.

So konnten wir uns u. a. ansehen, wie ein spezielles Messgerät – das optisch an eine Körperwage erinnert – vor dem Trainingsbeginn die Körpermaße (u. a. Größe, Gewicht, Körperfettanteil) einer Person misst und diese in ihrem persönlichen Technogym-Account abspeichert. Auf Basis dieser Daten kann man sich in der App das für ein bestimmtes Ziel geeignete Trainingsprogramm erstellen. Dannach kann mit dem Sport losgehen: Die neuen Geräte sind allesamt mit einem Bildschirm versehen, mittels der genannten App kann sich darauf eingeloggt werden. Hat man sich an der gewünschten Maschine eingecheckt, kommt die KI ins Spiel.

Vereinfacht und kurz erklärt: Die KI-Technologie sorgt dafür, dass sich am verbundenen Trainingsgerät die geeignete Sitzhöhe und Abstände sowie das passende Gewicht von alleine einstellen. Dafür braucht man selbst keinen Finger mehr rühren. Falls das Gewicht zu schwer werden sollte, merkt die Maschine dies und verringert den Widerstand. Den Trainingsverlauf und die -ergebnisse speichert das Gerät im Anschluss ab. Dabei hat die KI immer „im Blick“, wo im Verlauf des Trainingsplans man sich befindet und stellt auf dieser Basis beim erneuten Check-in mit der App das aktuelle Training zusammen.

Dies nur als kurzer Auszug der Neuerungen, die Technogym FITBOOK vorführte, und die als Basis unseres Interview mit CEO und Gründer Nerio Alessandri bildeten.

»Technogym steht für Training als Erlebnis

FITBOOK: Wir haben gerade eine kleine Führung bekommen und konnten uns dabei ein gutes Bild von der Entwicklung der Geräte, die heute durch KI gesteuert werden, machen. Vor 40 Jahren begann alles ganz bescheiden mit der Entwicklung erster Fitnessgeräte in der Garage, heute geht Technogym innovativ voran. Was ist gleich geblieben?
Nerio Alessandri: „Die Mission von Technogym ist immer noch dieselbe: ‚Wir bewegen uns für eine bessere Welt.‘ Das ist seit dem ersten Tag unser Ziel. Was die Vision unseres Projekts betrifft, so besteht es darin, ein vollständiges Ökosystem zu erschaffen – weit über die einzelne Trainingsmaschine hinaus.“

Wie muss man sich diesesn Ökosystem vorstellen?
Nerio Alessandri: „Wir haben ein Angebot für verschiedene Marktsegmente: Hotels, Unternehmen, Fitnessklubs, Krankenhäuser, Universitäten. Zudem bieten wir verschiedene Trainingsangebote für die unterschiedlichen und invididuellen Bedürfnisse unserer Nutzer. Wir sprechen von Trainingserlebnissen, denn das soll das Training sein: ein echtes Erlebnis. Dieses haben wir übr einen Zeitraum von 40 Jahren durch ständige Innovation geschaffen und perfektioniert. Dabei haben wir immer das große Ganze betrachtet. Unser Ansatz ist holistisch, eine 360-Grad-Methode. Genauer gesagt: Wir liefern das beste Erlebnis für die verschiedenen Lebensabschnitte und die verschiedenen Orte bzw. Phasen des Lebens. Technogym ist für jedes Alter, für jede Art von Sportler, für einen gesunden Lebensstil, eine gesunde Langlebigkeit. Technogym ist außerdem ideal für die Gesundheitsplanung und die athletische Leistung im Profi-Sport.“

„Ich verstehe mich als Wellness-Designer“

Mit Ihrer Expertise haben Sie bereits viele Fitnesstrends kommen und gehen sehen, wie z.B. die große Bodybuilding-Ära in den 1970er- und 80er-Jahren. Hat Sie diese inspiriert oder sogar Ihre Marke beeinflusst?
Nerio Alessandri: „Nein, eher weniger. Ich ziehe meine Inspiration immer aus dem Design. Ich verstehe mich als Wellness-Designer. Und Design bedeutet für mich, eine emotionale Verbindung zu schaffen. Ich glaube an die emotionale Beziehung. Damit meine ich, dass es darum geht, während des Trainings Glück zu schaffen und das auf verschiedenen Ebenen. Genau das kann meiner Meinung nach Design ermöglichen. Unseres hat sich mit jahrelanger Erfahrung entwickelt – durch Wachstum, Transformation und Innovation – Schritt für Schritt. Es geht um konsistentes Design, um das italienische Design. Für uns bedeutet Wellness Gleichgewicht. Diesbezüglich ziehe ich Inspiration aus der italienischen Kultur, aus der ich stamme.“

»KI hilft uns, die Trainingserfahrung noch holistischer und aufregender zu gestalten

Um noch einmal auf die KI zu sprechen zu kommen – wie hat sich diese bei Ihren Fitnessgeräten etabliert?
Nerio Alessandri: „Wir machen KI nicht zu unserem Slogan, mit dem wir unsere Produkte verkaufen möchten. KI ist nur die Technologie, die wir nutzen. Sie soll helfen, die Trainingserfahrung noch holistischer und aufregender zu gestalten. Uns ging es immer um die Weiterentwicklung der Trainingserfahrung. Daher nutzen wir natürlich auch die neuesten Technologien – häufig sogar, bevor sie breit verfügbar sind. So haben wir1996 – also vor 28 Jahren – in Seattle angefangen und die erste Software der Welt für das Trainingsmanagement entwickelt. Damals, als es noch keine deckende Internetverbindung gab, haben wir eine lokale Software benutzt. Dann haben wir die lokale Software in eine Netzwerksoftware umgewandelt, also eine Cloud. Diese Technologietransformation fand etwa im Jahr 2010 statt. Im Jahr 2016 haben wir die ersten auf dem Internet gestützten Innovationen in der Branche geschaffen. Und wir haben das erste Trainings-Netzwerk der Welt geschaffen.“

Woraus besteht dieses Netzwerk und können Sie uns sagen, wie viele Menschen es nutzen?
Nerio Alessandri: „Heute sind es 25 Millionen Menschen, die täglich die Technogym-Cloud nutzen. 70 Millionen nutzen jeden Tag das Technogym-Erlebnis in über 120 Ländern. Wir haben 100.000 durch unser Unternehmen betriebene Standorte. Dazu gehören auch zwei große Technogym-Boutiquen in Deutschland – in München und Hamburg. Wir sind stolz, sagen zu können, dass wir in Deutschland, in Europa und in der Welt die besten Kunden und die besten Standorte haben. Technogym ist ein Ökosystem und dieses besteht nicht nur aus KI und Software. Es geht um die Inhalte, die Software, den Service, die KI und die smarten Geräte.“

In Deutschland schon mit KI-Technologie trainieren

Also kann man mittlerweile auch schon in Deutschland die KI-gesteuerten Systeme nutzen?
Nerio Alessandri: „Ja, man kann bereits in Deutschland mit unserer neuesten Technologie trainieren. Nach einem Check-in und die Bewertung des Individuums an dem dafür vorgesehenen Gerät mit KI erhält man sein individuelles Programm auf der Technogym-App. Sie melden sich dann einfach an einem der verschiedenen Geräte an und diese erkennen Sie sofort und Sie beginnen, geführt durch unser KI-gesteuertes Angebot, Ihr Training automatisch auf Basis Ihrer Erfahrung, die Sie im Fitnessbereich, in einem anderen Sport oder bestimmten Training haben. Man hat eine volle Personalisierung der Erfahrung bzw. Trainingserfolge. Aber ich möchte betonen, dass wir nicht nur für die technische Ausstattung stehen. Unser Kern ist das ganzheitliche Konzept. Das Technogym-Ökosystem ist ein holistisches Ökosystem, in dem es nicht nur um das Training geht. Es geht auch um die Ernährung, das Präzisionstraining und die mentale Gesundheit, um Entspannung, um Ausgeglichenheit, um Achtsamkeit, z.B. in Form von Yoga, Pilates und um all die verschiedenen positiven mentalen Ansätze.“

»Die KI lässt sich nicht aufhalten – aber sie braucht Grenzen

Was denken Sie mit Ihrer Expertise – wie wird die Fitnesswelt in fünf bis zehn Jahren aussehen? Wird alles KI gesteuert sein, wie es bei Ihnen der Fall ist?
Nerio Alessandri: „Ja, davon bin ich überzeugt. Es ist wie mit der Elektrizität oder dem Internet, man kann es nicht aufhalten. Aber man weiß ja nie, vielleicht gibt es ja in der Zukunft noch etwas Innovativeres.“

Sie sind mit Sicherheit ein Fan von dieser Entwicklung hin zur KI. Oder hatten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt Zweifel daran oder wollten sogar erst gar nicht damit anfangen, die Technologie zu verwenden?
Nerio Alessandri: „Richtige Zweifel hatte ich nicht. Aber meiner Meinung nach muss man der KI Grenzen setzen. Man braucht eine Regulierung, vergleichbar mit den sozialen Medien, bei denen es ja auch nicht ohne geht. Dafür ist dann aber eine globale Politik notwendig, eine lokale reicht nicht aus. Verschiedene globale Systeme sind dabei von Bedeutung, um die Transformation und die Bildung der jeweiligen Systeme zu managen. Denn wenn man die Macht der Technologie nicht managt, ist das sehr, sehr gefährlich.“

Technogym als Fitnessgeräte-Ausstatter der Olympischen Spiele

Weg von der KI und der Zukunft hin zu diesem Sommer. Sie sind 2024 der Fitnessgeräteausstatter für die Olympischen Spiele in Paris. Wie genau bringen Sie sich da ein?
Nerio Alessandri: „Das ist richtig, wir statten die Olympischen Spiele 2024 aus. Rund 15.000 Athleten werden unsere Geräte sowie unsere 29 verschiedenen Trainingsleistungszentren benutzen. Dabei sammeln wir Informationen bzw. Daten und wir sammeln Erfahrungen. So wie wir es auch bei der Formel 1 seit vielen Jahren tun. Mit den Erkenntnissen, die wir dadurch gewinnen, können wir unsere Fitnessangebote weiterentwickeln und so z.B. die Erfahrungen aus der Formel 1 für alle nutzbar machen. Diesem Prinzip wollen wir auch bei der Olympiade folgen. Denn Olympia bedeutet Sport für alle.

Technogym ist seit vielen Jahren Partner von Ferrari und McLaren. Der Fitnesssausstatter liefert Trainingsprogramme und -geräte zur sportlichen Vorbereitung der Teamfahrer.

Haben Sie eine Lieblingsdisziplin, auf die Sie sich bei Olympia freuen?
Nerio Alessandri: „Ich persönlich liebe alle Sportarten, und für mich ist die olympische Saison wirklich aufregend, ich fühle mich wie ein Kind im Luna-Park (Vergnügungspark; A. d. R.). Es ist eine fantastische Gelegenheit, alle Arten von Spielen und Herausforderungen zu sehen, all die großen Sportstars und Freunde der Marke zu treffen und auch die aufstrebenden Stars des Sports für die Zukunft kennenzulernen.

Welchen Athleten oder welches Team werden Sie anfeuern?
Nerio Alessandri: „Nun, die Olympischen Spiele sind auch ein Moment des Nationalstolzes … Technogym ist ein globales Unternehmen, wir arbeiten mit Athleten aus der ganzen Welt, aber natürlich wird mein Herz für das italienische Team schlagen.“

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So hält sich Nerio Alessandri fit

Am Ende wollen wir natürlich auch gerne von Ihnen wissen: Wie halten Sie sich gesund und fit?
Nerio Alessandri: „Zunächst einmal bin ich neugierig. Die Neugierde ist sehr wichtig, denn sie bringt meinem Geist und Körper die nötige Energie. Diese Eigenschaft ist eine Konstante in meinem Leben. Der Stoffwechsel hat sich natürlich im Laufe des Lebens verändert, doch dank täglichem Training und mediterraner Ernährung bleibe ich fit. Diäten mache ich allerdings keine, davon halte ich nicht so viel. Aber genau wie bei meinem Unternehmen, stelle ich auch bei mir persönkich immer das Gleichgewicht her, indem ich die Gesamtheit betrachte.“

Was bedeutet das genau?
Nerio Alessandri: „Das bedeutet zum einen, dass ich auf meine Körperbeschaffenheit achte, wobei der Erhalt der Muskeln eine wichtige Rolle spielt. Es bedeutet aber auch, auf meine Herzleistung, Flexibilität, Beweglichkeit und Co. einzugehen. Es gibt eben verschiedene Qualitäten, die von Bedeutung sind, nicht nur eine. Wie gesagt, auch bei mir selbst geht um das Ganzheitliche. Da ist Ernährung natürlich auch sehr wichtig, ich liebe die gesunde Küche, mit viel Gemüse, Fisch, eben die italienische bzw. mediterrane Küche. Regelmäßige Bewegung ist ebenfalls notwendig – und das nicht nur manchmal. Jeden Tag sitze ich auf einem Gymnastikball, außerdem nutze ich vier oder fünf Mal in der Woche Technogym. Darüber hinaus mache ich jeden Tag eine Menge Schritte. Und positives Denken gehört auch zu meiner ganzheitlichen Fitness.“