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Junge Sportler*innen im Lockdown

Boulderin Helene: „Ich habe gemerkt, wie viele Variationen hinter dem Wort Klettern stecken“

Frau klettert an rotem Felsen in Australien
Helene beim Klettern im Grampians-Nationalpark, Australien, im Jahr 2017 Foto: Weston Gastrock
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FITBOOK Redaktion

28.02.2021, 08:51 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Die Boulderhallen sind geschlossen, aber das hält Helene (22) nicht vom Klettern ab. Sie ist eine von vielen jungen Athlet*innen, deren sportlicher Alltag sich durch den Corona-Lockdown verändert hat. Bei FITBOOK erzählt die gebürtige Hamburgerin, warum der Umzug in ihre Wahlheimat Innsbruck das Beste war, das ihr in der gegenwärtigen Situation passieren konnte.

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Der zweite Lockdown zieht sich immer länger. Das ist psychisch belastend, weil er viele von uns zwingt, auf Aktivitäten zu verzichten, die unserem Leben bisher Halt gaben und unseren Alltag prägten. Umfragen aus dem vergangenen Jahr zeigen: Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene leiden unter Ängsten und einer depressiven Stimmung. FITBOOK hat junge Athleten und Athletinnen im Alter von 18 bis 30 Jahren deshalb gefragt: Wie fühlt ihr euch gerade? Wie wirkt sich die aktuelle Situation auf eure mentale Gesundheit aus? Im sechsten Teil unserer Serie erzählt die 22-jährige Helene, welche Bereicherungen und. Einschränkungen es mit sich bringt, im Lockdown nur noch draußen klettern zu können.

„Vor dem Lockdown habe ich fünf- bis sechsmal die Woche in der Halle trainiert. Draußen bin ich eher mal zum Freizeitspaß oder im Urlaub geklettert. Das hat sich in den letzten Monaten geändert. Weil die Boulderhallen komplett geschlossen sind, fahre ich zwei- bis dreimal die Woche mit meinen Mitbewohner*innen raus in die Natur. Ich bin nämlich 2019 von Hamburg nach Innsbruck in die schönen Berge gezogen und in einer Kletter-WG gelandet. Hier in Tirol haben wir ganz viele Ausweichmöglichkeiten. Zum Beispiel die Martinswand, zu der wir nur 40 Minuten mit dem Fahrrad brauchen.

Am Berg zu klettern, ist etwas ganz anderes als in der Halle. Alleine schon wegen der Witterung. Im November und Dezember war es echt eisig, einmal sind wir bei minus neun Grad geklettert. Wir hatten immer literweise Tee dabei, mehrere Schichten Kleidung und Daunenjacken an. Aber wenigstens haben wir zusammen gelitten und gebibbert. Und weil es so verrückt war, war es auch ganz lustig, dass als Freundesgruppe zu erleben.

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Bouldern ist ein Teamsport

Was ich gerade vermisse, ist die Einfachheit und das Gesellige. Das bringt das Training in der Halle mit sich. Aktuell versuche ich zwei- bis dreimal die Woche rauszukommen, aber da geht immer ein ganzer Tag drauf. Früher konnte ich einfach morgens oder abends für zwei Stunden trainieren gehen und mich dabei auspowern. 

Helene beim Boulderweltcup in München, Mai 2019.
Helene beim Boulderweltcup in München, Mai 2019. Foto: Juliane Fritz

Wenn man in die Halle kommt, kennt man meist direkt mehrere Leute. Ich würde Bouldern wegen seiner Geselligkeit auch als Teamsport bezeichnen. Du bist zwar alleine an der Wand, aber bevor du loslegst, überlegst du gemeinsam mit anderen, was der beste Weg wäre. Wir passen aufeinander auf, achten zum Beispiel darauf, dass niemand auf den Kopf fällt. Wir feuern uns an und freuen uns füreinander. Das fällt am Berg zwar nicht weg. Aber wenn man rausfährt, muss man viel mehr planen und weiß nie, ob man dort nur mit Kletterpartner*innen sein wird oder ob man noch auf andere Leute trifft.

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Das Klettern in der Natur tut dem Mindest im Lockdown gut

Ich will nicht sagen, Bouldern in der Halle ist besser oder schlechter als Klettern am Berg. Ich finde beides schön. Der Lockdown war eine Chance für mich, mehr rauszukommen in die Natur. Weil hier in Innsbruck immer so schönes Wetter ist und ich jetzt viel an der frischen Luft bin, hat sich auch meine mentale Gesundheit verbessert. Und ich habe mein Mindset verändert. Ich trainiere nicht mehr stumpf auf ein Ziel hin und bin dann enttäuscht, wenn es am Wettkampftag mental nicht klappt. Stattdessen gehe ich einfach raus, weil ich klettern will und die Bewegung genieße. Deswegen bin ich gerade insgesamt viel weniger gestresst. Ich mache mir weniger Druck.

Ende Februar sind die Nominierungswettkämpfe des Nationalteams. Ich habe mich entschlossen, abzusagen. Für mich ergibt es keinen Sinn, weil ich anreisen, zehn Tage in Quarantäne und einen Corona-Test machen müsste. Das Risiko, dem ich mich und meine Mitmenschen damit aussetzen würde, ist mir zu hoch. Erst war ich enttäuscht, dass ich in nächster Zeit keine Wettkämpfe bestreiten werde. Aber ich bin keine schlechtere Kletterin und habe nicht plötzlich keine Ziele mehr, nur weil ich keine Wettkämpfe bestreite. Ich kann mich ja trotzdem total verbessern und an mir arbeiten. Nur weil ich nicht vor Publikum zeige, was ich kann, heißt das ja nicht, dass ich nicht besser werde.

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Im Lockdown haben viele das Klettern in der Natur für sich entdeckt

Außerdem habe ich mir schnell neue kreative Ziele gesetzt. Ich übe gerade Spagat und Handstand. Und ich will 2021 als Chance sehen, viel Zeit mit meinen Freunden draußen zu verbringen. Da bin ich, glaube ich, auch nicht die Einzige: Viele Hallensportler*innen konvertieren gerade zum Felsklettern. „Back to the roots“, die Liebe zur Natur entflammt gerade bei vielen wieder. Damit hat der Klettersport ja auch mal angefangen. Ich finde es schön, dass jetzt wieder mehr Leute draußen sind. Aber das ist natürlich auch mit Verantwortung verbunden. Man muss die Natur respektieren und dazu gehört für mich auch, keinen Müll liegen zu lassen, keine Magnesium-Spuren am Fels hinterlassen, nicht rumschreien und Tierschutzzonen respektieren. Ich denke, in der Zukunft will ich beides mischen. Ich will erst mal ein paar Wochen in die Halle, um wieder richtig stark und fit zu werden, dann aber auch wieder raus in die Berge. 

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Offener für Neues durch den Lockdown

Im vergangenen Sommer habe ich Hochtouren und Klettersteige für mich entdeckt. Ich habe gemerkt, wie viele Variationen hinter dem Wort Klettern stecken. Weil ich aus Hamburg komme, habe ich früher nicht so viel außerhalb der Boulderhalle experimentiert. Dabei gibt es echt einiges, was ich noch ausprobieren möchte. Eisklettern zum Beispiel. Durch den Lockdown öffne ich mich gerade für viel Neues, was früher nicht getan habe. Damals war ich zu sehr auf Wettkämpfe fokussiert und habe mich gestresst, einen bestimmten Plan einzuhalten.

Helene 2017 am Mount Wellington in Tasmanien
Helene 2017 am Mount Wellington in Tasmanien Foto: Simon Bischhoff

Vielleicht gibt Ihnen dieser persönliche Einblick von Helene auf das Klettern im Lockdown ein bisschen Mut und Inspiration für Ihren eigenen Kampf mit den aktuellen Restriktionen. Stay strong!

Protokolliert von Katharina Kunath

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