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Dehnen vor dem Sport ist gar nicht so wichtig wie gedacht

Dehnen vor dem Sport
Besonders Läufer schwören auf das Dehnen vor dem Sport – dabei hat es aus medizinischer Sicht keinen messbaren Effekt Foto: Getty Images
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FITBOOK Redaktion

21.10.2020, 14:59 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Aus rein medizinischer Sicht schützt dehnen nicht vor Verletzungen. Dennoch raten Experten dazu, es vor dem Sport ins Aufwärmprogramm einzubauen – allerdings als dynamisches Stretching. Um dauerhaft Beschwerden zu vermeiden, sind Kraft und Beweglichkeit wichtiger.

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Dehnen vor dem Sport ist ein Muss – viele kennen diese Regel noch. Beide Hände an die Wand, ein Bein gebeugt vorn abstellen, das andere hinten ausstrecken, dann den Körper nach vorn. So wurde früher gleichmäßig die Wade gedehnt.

Heute weiß man allerdings: Das bringt kaum etwas. Zwar müssen sich Sportler nach wie vor aufwärmen, aber anders, als es viele einst gelernt haben. „Studien sagen, dass Dehnen nichts bringt. Es gibt keinen Nachweis, dass man um Verletzungen herumkommt, wenn man regelmäßig dehnt“ – das stellt Mike Branke, pädagogischer Leiter der Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung, klar.

Keine Leistungssteigerung durch Stretching

Auch die Leistung kann man durch Stretching nicht steigern, ergänzt Prof. Lars Donath von der Deutschen Sporthochschule Köln. Im Gegenteil: Unmittelbar nach dem Dehnen gehe die Leistung sogar zurück. Dehnt man pro Muskelgruppe mehr als 60 Sekunden, „werden die Leistungseinbußen sogar tendenziell größer“.

Dehnen sollte dynamisch erfolgen

Um einen positiven Effekt zu erzielen, sollte Stretching daher besser in ein „multimodales neuromuskuläres Training eingebunden werden“, wie Donath es formuliert. Dazu gehören neben dem Dehnen Schnellkraft-, Kraft- und Stabilisationsübungen. Am besten, so raten Experten, sollte das Dehnen dynamisch erfolgen, um die Muskulatur auf die Bewegung vorzubereiten. Um beispielsweise die Adduktoren zu dehnen, stellt man sich breitbeinig und aufrecht hin und schiebt abwechselnd das Becken seitlich nach links oder rechts.

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Dauer und Reihenfolge eines optimalen Aufwärmprogramms

Florian Bauder, Landestrainer Mehrkampf der Leichtathletik Baden-Württemberg, erklärt am Beispiel eines Freizeitkickers, wie ein optimales Aufwärmprogramm heute aussieht: „Wichtig ist zunächst, das Herz-Kreislauf-System langsam hochzufahren. Man sollte sich also langsam bewegen, zum Beispiel, indem man mehrere Runden gemütlich um den Platz joggt.“

Wer möchte, kann als nächstes Wade, Adduktoren und die vordere und hintere Oberschenkelmuskulatur dehnen – dynamisch natürlich. Es folgen Beweglichkeitsübungen und Übungen mit dem Ball. Zur Kräftigung eignen sich schnelle Antritte und Steigerungsläufe. Zum Abschluss rät Bauder zu fußballspezifischen Bewegungen wie Ausfallschritten. „Wenn Sie für das Aufwärmen 20 oder 30 Minuten investieren, sollte das reichen.“

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Je älter man wird, desto länger sollte man sich warm machen

Branke weist jedoch darauf hin, dass man Verletzungen wie Zerrungen, Muskelfaserrissen oder Gelenkbeschwerden am besten vorbeugt, wenn man den Körper nicht nur direkt vor dem Training oder Wettkampf, sondern dauerhaft auf die Belastung vorbereitet. „Die Kraftbasis ist das A und O“, sagt er und rät besonders älteren Menschen zu regelmäßigem Training. „Wenn ich älter werde und nicht vernünftig trainiere, baut der Körper ab.“ Und vor dem Training oder Wettkampf laute eine Grundregel: „Je älter man wird, desto länger sollte man sich warm machen.“

Langfristig muss der Körper, um vor Verletzungen geschützt zu sein, in jedem Bereich gut leistungsfähig sein, betont der erfahrene Fitnesslehrer. Der Sportler braucht Kraft, er muss beweglich sein, schnell und ausdauernd. Auch die Koordination ist wichtig. „Wenn zum Beispiel die Beweglichkeit nicht gut ist, belaste ich vielleicht ungleich und diese Dysbalancen führen zu einer Verletzung“, warnt Branke.

Dehnen kann Einfluss auf die Psyche haben

Ein messbarer, positiver Effekt des Dehnens vor dem Sport mag nicht wissenschaftlich erwiesen sein. Branke rät dennoch dazu, wenn sich jemand dadurch besser fühlt oder das Bedürfnis hat, Teile des Körpers zu stretchen. Manche hätten so das Gefühl, besser geschützt zu sein. „Dann kann das auch funktionieren, denn Psyche und Geist haben einen großen Einfluss.“ Nur sollte sich der Sportler nicht zum Abschluss eines Aufwärmprogramms dehnen. Stattdessen stehen vor dem eigentlichen Sport besser noch einmal aktivierende Übungsformen – wie laufen und springen oder etwas Sportartspezifisches – auf dem Programm.

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Stretching zur Regeneration geeignet

Grundsätzlich empfiehlt Branke das Stretching zur Regeneration. So sei es sicher sinnvoll, eine Weile nach dem Sport dynamisch zu dehnen oder eine Faszienrolle einzusetzen, um das Bindegewebe auch langfristig geschmeidiger zu machen. Leistungssportler würden zwar erst zwei oder drei Stunden nach dem Training gezielt entspannen, bei Freizeitsportlern ist das im Alltag aber eher unrealistisch.

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Bauder empfiehlt, nach dem Sport eine Stunde zu warten, ehe man die Faszienrolle anwendet. Wichtig ist zudem, während der Regeneration ausreichend zu trinken und zu essen. Auch Wechselduschen mit kaltem und warmem Wasser tun gut, weil sie Stoffwechsel und Durchblutung fördern.

Themen Dehnen
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