Wer vor dem Frühstück trainiert, soll angeblich bei der Fettverbrennung profitieren, heißt es immer wieder. Doch ist Sport auf leeren Magen wirklich effektiv?
Grundsätzlich braucht unser Körper Energie, um beim Sport auf Höchstleistungen zu kommen. Ist Essen vor dem Training unerlässlich, um die Energiespeicher aufzufüllen? Nein, sagen manche Sportler: Training auf nüchternem Magen verbrennt angeblich mehr Fett. Doch stimmt das überhaupt? Und ist das auch gesund?
Ob „fasted training“, wie das Nüchterntraining auch genannt wird, wirklich die Fettdepots schmelzen lässt, hat FITBOOK Winfried Banzer gefragt. Er ist Professor für Sportmedizin und leitete das Institut für Sportwissenschaften an der Uni Frankfurt a.M. Schwerpunkte seiner Forschung sind u.a. Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung sowie Ernährungsmedizin. Und auch der Sportmediziner Dr. Dr. Michael Despeghel erklärt, wann ein Training vor dem Frühstück etwas bringt.
Warum auf leeren Magen trainieren?
Die These lautet: Auf nüchternem Magen zapft der Körper die Fettpolster an, um an Energie zu kommen. Der Verbrennungsapparat arbeitet auf Hochtouren. Ist das Trainingsziel vor allem Gewichtsabnahme, kann ein Training auf nüchternen Magen den gewünschten Gewichtsverlust begünstigen. Viele empfinden Sport auf leeren Magen ohnehin als angenehmer.
Prof. Dr. Dr. Banzer bestätigt zwar, dass theoretisch bei einem leeren Kohlenhydratspeicher die Fettdepots angegriffen werden könnten, stellt jedoch klar, dass es am Ende nur ein Mythos ist. Denn: „Ob nüchtern oder nach der Nahrungsaufnahme, die Energiebereitstellung im Körper erfolgt immer gleich. Somit macht es keinen Unterschied im Energieverbrauch, ob Sie nüchtern trainieren oder nicht.“ Der Experte macht aber auch Hoffnung: „Sie müssten Ihre Leistung zusätzlich steigern, um den gewünschten Fettverbrennungseffekt zu erzielen.“
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Studie belegt positiven Effekt
Ein britisches Forscherteam um Dr. Rob Edinburgh von der University of Bath kommt in einer im Oktober 2019 erschienenen Studie hingegen zu dem Ergebnis, dass Trainieren vor dem Frühstück sehr wohl die Fettverbrennung ankurbelt: Vor dem Frühstück werde laut Edinburgh doppelt so viel Fett verbrannt als danach. An der Studie nahmen 30 übergewichtige Männer teil. Eine Gruppe trainierte vor, die andere nach dem Frühstück – und zwar mit identischen Trainingseinheiten und angepasster Nahrungsaufnahme. Eine dritte Kontrollgruppe veränderte ihr Verhalten hingegen gar nicht.
Die Autoren der Studie sagen zwar, dass die Probanden im Studienzeitraum von sechs Wochen gleichermaßen abgenommen hätten – egal, ob sie vor dem Frühstück oder danach trainierten. Was die Gewichtsreduktion angeht, macht der Zeitpunkt, wann trainiert wird, demnach keinen Unterschied.
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Co-Autor der Studie Dr. Javier Gonzales betont jedoch den großen Gesundheitsgewinn durch das nüchterne Trainieren: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Änderung des Zeitpunkts der Nahrungsaufnahme im Vergleich, wann man Sport treibt, tief greifende und positive Veränderungen des allgemeinen Gesundheitszustandes mit sich bringt.“ Und zwar, weil der Körper besser auf Insulin anspreche, wenn vor dem Frühstück trainiert werde. Der Blutzuckerspiegel werde besser unter Kontrolle gehalten und möglicherweise werde das Risiko gesenkt, an Diabetes oder Herzleiden zu erkranken.
Wer Muskeln entwickeln will, sollte vor dem Training essen
Auch der Sportwissenschaftler Dr. Dr. Michael Despeghel sieht im Trainieren vor dem Frühstück viele positive Aspekte. Er differenziert jedoch beim Trainingsziel: „Geht es nur darum, eine Gewichtsreduktion zu unterstützen, ist das Trainieren mit leerem Magen sicherlich eine gute Methode. Die Fettverbrennung wird optimiert, weil in der Insulintiefphase keine störenden Elemente vorhanden sind, die die Fettverbrennung blockieren. Die Gewichtsabnahme ist aber nur marginal, wenn die Probanden sich weiterhin zu kalorienhaltig ernähren.“
Wer hingegen trainiert, um Muskeln aufzubauen, sollte vor den Übungen etwas essen. Despeghel erklärt: „Ein Training vor dem Frühstück wirkt nie anabol. Erst, wenn der Körper vor dem Training optimal mit Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett versorgt wird, kann er Muskeln aufbauen. Zudem ist die Leistungsfähigkeit mit leerem Magen gar nicht hoch genug, um die Leistung beim Training auf Dauer zu halten.“ Despeghel empfiehlt allen, die Muskelmasse entwickeln wollen und ausreichend Geduld und Zeit mitbringen, ein Training mit vorheriger Nahrungsaufnahme.
Hat Training auf nüchternem Magen Risiken?
Wer morgens sowieso schon unter Kreislaufproblemen leidet, sollte auf Nüchterntraining lieber verzichten. „Sport auf leeren Magen kann zu massiven Leistungseinbrüchen führen“, warnt Prof. Banzer. Schwindel aufgrund des niedrigen Blutzuckers und Unwohlsein könnten Schwächeanfälle zur Folge haben. Dementsprechend hoch sei die Verletzungsgefahr. „Wenn jemand bereits geschwächt oder Diabetiker ist, kann Nüchterntraining zu einem Zuckermangel führen und es droht eine Hypoglykämie.“ Symptome der Hypoglykämie bzw. Unterzuckerung sind Herzrasen, Schwitzen und Zittern. Achtung: Fällt die Blutzuckerkonzentration immer weiter ab, kann es im schlimmsten Fall zu einem hypoglykämischen Schock kommen, der lebensgefährlich ist. Traubenzucker oder eine zuckerhaltige Saftschorle bietet schnelle Hilfe.
Entscheidet man sich trotz der Risiken, auf leeren Magen zu trainieren, gibt es einiges zu beachten:
- Morgens Sport machen: So lassen sich lange Zeitabschnitte ohne Essen verhindern
- Vor dem Training ein Glas Wasser trinken
- Lieber eine kurze Jogging-Einheit als Krafttraining mit Gewichten
- Die Intensität des Trainings niedrig halten
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Was ist die Train-Low-Compete-High-Methode?
Die Train-Low-Compete-High-Methode ist ein Trend, der bei Ausdauersportlern, z. B. Marathonläufern, sehr verbreitet ist. Meist wird dabei mit einem armen Kohlenhydratspeicher trainiert. Brot, Nudeln, etc. sind dann tabu. Intensive Trainingseinheiten und Wettkämpfe hingegen werden mit einem vollen Speicher bestritten. Dies soll vor allem den Fettstoffwechsel und die Mitochondrienbildung (Mitochondrien werden auch die Kraftwerke der Zellen genannt) anregen und trainieren.
Verhindert Training auf nüchternem Magen den Muskelaufbau?
Ein weiterer Punkt, den Kritiker hervorbringen, ist, dass Nüchterntraining Muskelaufbau verhindert bzw. Muskelabbau begünstigt. Die These ist, dass sich der Körper die benötigte Energie aus dem Abbau von Muskelproteinen holt. Das stimmt nur zum Teil. Der Körper speichert Zucker als Glykogen in Leber und Muskeln und bezieht daraus während des Sports die nötige Energie. Erst wenn dieses Glykogenpolster ausgeschöpft ist, würde der Körper beginnen, die Energie aus dem Muskelabbau zu gewinnen. Zu diesem Punkt kommt es in der Regel nicht. Denn dann wäre der Körper schon so geschwächt, dass die Trainingseinheit abgebrochen werden müsste. Möchten sehr schlanke Menschen Muskeln aufbauen, ist es nicht ratsam, Mahlzeiten vor dem Sport auszulassen. Sie sollten eher auf eine erhöhte Kalorienzufuhr achten, um damit die Muskeln zu „füttern“.
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Die richtige Ernährung nach dem Training
Ein Post-Workout-Snack sollte immer eingeplant sein, unabhängig davon, ob das Ziel Gewichtsabnahme oder Muskelaufbau lautet. Nach dem Sport muss der Energiespeicher des Körpers aufgefüllt werden. So kann er sich erholen und neues Muskelgewebe aufbauen. Daher braucht besonders das Glykogendepot in den Muskeln die richtigen Nährstoffe, um sich zu regenerieren. Protein– und kohlenhydratreiche Kost verhindert den Eiweißabbau in den Muskeln.
Empfohlene Nahrungsmittel sind z.B.:
- Kartoffeln
- Reis
- Eier
- Fisch
- Fleisch
- Magerquark
- Proteinshakes
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Fazit: Gegen eine lockere Laufrunde auf nüchternen Magen spricht nichts, solange man auf eine ausreichende Energiezufuhr nach dem Workout achtet und die Intensität des Trainings niedrig hält.