23. Juni 2025, 14:55 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Mit zunehmendem Alter und den damit einhergehenden Hormonveränderungen nimmt die Knochendichte von Frauen ab. Es ist daher wichtig, dass sie Maßnahmen ergreifen, um ihre Knochen zu stärken. Eine aktuelle Studie liefert nun bemerkenswerte Hinweise auf die positiven Effekte eines Lebensmittels, das hinsichtlich Knochengesundheit zwischenzeitlich in die Kritik geraten war.
Die Rede ist von der guten alten Milch – zur Abgrenzung gegenüber den immer zahlreicher werdenden Alternativen oft auch explizit als Kuhmilch bezeichnet. Sie ist in den vergangenen Jahren zunehmend in Verruf geraten. Studien zeigten beispielsweise, dass ihr Konsum das Risiko von Prostatakrebs bei Männern erhöhen soll.1 Daneben wird diskutiert, dass sie die Anfälligkeit für verschiedene Erkrankungen bei beiden Geschlechtern erhöhen könnte. Dem gegenüber stehen die Ergebnisse einer neuen Untersuchung.2 Diese zeigt Vorzüge durch die Aufnahme speziell flüssiger Milchprodukte für Frauen auf. Genauer: auf deren Knochen.
Übersicht
Dass Milch und Milchprodukte wertvolle Lebensmittel sein können, um den Bedarf an verschiedenen Mikronährstoffen zu decken – das ist kein überraschender Gedanke. Bei Kindern, die sich noch in der Entwicklung befinden, sollten sie laut Medizinern „täglicher Bestandteil der Ernährung sein“.3 Bei Erwachsenen hingegen scheinen die vermeintlich Gegenanzeigen zu überwiegen. Oder womöglich doch nicht?
Studie untersuchte Milchprodukte auf Knochenfraktur-Risiko
Grundlage der Untersuchung war die zunehmende Bedrohung der globalen Gesundheit durch Frakturen, also Knochenbrüche, schreiben die Autoren einleitend. Die Frakturraten steigen weltweit kontinuierlich an – eine Konsequenz der alternden Bevölkerung. Dies ist jedoch nicht unproblematisch: Gebrochene Knochen verursachen nicht nur Schmerzen, sie schränken die Betroffenen auch in vielerlei Hinsicht ein. Aufgrund des Verlusts ihrer Unabhängigkeit verringert sich zudem ihre Lebensqualität. „Daher werden beträchtliche Präventionsanstrengungen unternommen, um Frakturen zu verhindern“, schreiben die Forscher. Die Studie sollte nun aufzeigen, ob ein regelmäßiger Verzehr von Milchprodukten mit einem geringeren Frakturrisiko bei älter werdenden Frauen verbunden ist.
Ablauf der Untersuchung
Der Erhebungszeitraum der Studie begann im Jahr 1989. Die Forscher begleiteten rund 14.220 finnische Frauen über einen Zeitraum von 30 Jahren. Diese waren bei Aufnahme der Untersuchung im Durchschnitt 52,3 Jahre alt. Im Abstand von jeweils fünf Jahren erhielten sie Fragebögen zu ihren Ernährungsgewohnheiten. Der Fokus lag dabei auf der täglichen Konsummenge flüssiger Milchprodukte – beispielsweise Milch, Sauermilch oder Joghurt. Diese Angaben erfolgten in Dezilitern. Daneben wurden verschiedene Lebensstilfaktoren abgefragt, zum Beispiel der BMI der Probandinnen, ihr Alkoholkonsum, ihre körperliche Aktivität und eine etwaige Einnahme von Vitamin-D- oder Kalzium-Nahrungsergänzungsmitteln. Beide Mikronährstoffe gelten als förderlich für die Knochendichte.
Auch sollten die Probandinnen etwaige Frakturen angeben, wobei die Forscher diese Daten mit den medizinischen Akten der Frauen abglichen. Pathologische Brüche – also solche, die aufgrund diagnostizierter Vorerkrankungen wie Osteoporose entstanden sind – sowie hochenergetische Brüche, sprich gebrochene Knochen infolge eines plötzlichen Traumas (z. B. ein Verkehrsunfall), schlossen die Forscher von der Bewertung aus. So verhinderten sie eine Verfälschung der Ergebnisse. Schließlich sollte es um die Knochenbrüchigkeit bzw. die knochenschützende Wirkung von Milchprodukten gehen.
Die Forscher setzten sogenannte zeitabhängige Cox-Proportional-Hazard-Modelle ein. Dadurch konnten sie berechnen, wie lange die Teilnehmerinnen frei von Frakturen blieben – beispielsweise bis zum Ende der Studie oder bis zu ihrem Tod. Mithilfe der Modelle schätzten sie die Hazard Ratios (HR, übersetzt etwa „relatives Risiko“) für Hüftfrakturen, osteoporotische Frakturen und Knochenbrüche jeglicher Art ein. Dabei berücksichtigten sie auch zeitabhängige Kovariablen, also Einflussfaktoren, die sich im Verlauf der Zeit verändern können.
Mehr konsumierte Milchprodukte: stärkere Knochen
Die Auswertung zeigte, dass der regelmäßige Konsum bestimmter Milchprodukte mit einem niedrigeren Risiko für Knochenbrüche im Alter verbunden ist. Dies war bei Frauen nach den Wechseljahren besonders auffällig. Diejenigen der Probandinnen, die täglich mehr flüssige Milchprodukte konsumierten, hatten ein deutlich geringeres Risiko, sich im Verlauf der Studie Knochen zu brechen. Pro zusätzlichem Glas Milch (ca. 200 Milliliter) oder vergleichbarem flüssigen Milchprodukt sank das Risiko für jegliche Art von Frakturen um rund 2 Prozent. Erstaunlich: Das Risiko für osteoporotische Frakturen sank durch die Aufnahme flüssiger Milchprodukte sogar um rund 3 Prozent.
Auch (Schnitt‑)Käse ist ein Milchprodukt, allerdings kein flüssiges. Wie sah hier der Effekt auf die Knochen aus? Interessanterweise zeigte Käsekonsum keinen Einfluss auf allgemeine Frakturen oder osteoporotische Knochenbrüche – dafür allerdings auf das Risiko für Hüftbrüche. Frauen, die regelmäßig pro Tag drei bis vier Scheiben Käse zu sich nahmen, hatten den Daten zufolge ein rund 9 Prozent geringeres Risiko für eine Hüftfraktur verglichen mit solchen, die keinen oder nur sehr wenig Käse aßen. Hüftfrakturen machten zwar nur einen geringen Anteil der dokumentierten Knochenbrüche aus, räumen die Forscher ein, was die statistische Aussagekraft dieses Analyse-Aspekts eingeschränkt haben könnte. Dennoch lägen die Daten nahe, dass Käse möglicherweise einen spezifischen Schutz vor Hüftfrakturen bieten könnte.
Bedeutung der Ergebnisse und Einschränkungen
„Der langfristige Konsum von flüssigen Milchprodukten kann das Frakturrisiko senken“, so das Fazit der Forscher. Ihre Ergebnisse sprechen demnach dafür, den Verzehr von Milch, Sauermilch, Joghurt und ähnlichen Produkten gezielt zu fördern – etwa durch Initiativen im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Dadurch ließe sich nicht nur das Risiko für altersbedingte Knochenbrüche verringern, schreiben sie, sondern man könnte so auch Kosten und Belastungen für das Gesundheitssystem deutlich reduzieren.
Es ist auf verschiedene Einschränkungen hinzuweisen. Unter anderem stammten die Informationen zu den Ernährungsgewohnheiten der Frauen aus Selbstauskünften. Das macht sie anfällig für Verzerrungen und unbewusste Fehleinschätzungen – nicht zuletzt bezüglich der Portionsgrößen oder exakten Häufigkeit des Konsums. Bedenken Sie, dass zwischen den Fragebogen-Einreichungen jeweils fünf Jahre lagen. Grundsätzlich sind bei statistischen Modellen auch immer Messungenauigkeiten möglich. Ein weiterer möglicher Kritikpunkt der Studie: Es nahmen ausschließlich Frauen derselben Altersgruppe aus einer bestimmten Region in Finnland teil. Die Ergebnisse sind daher definitiv nicht auf Männer und nur bedingt auf jüngere Frauen oder solche aus anderen Regionen übertragbar. Zumal klimatische und regional typische ernährungsbezogene Besonderheiten die Ergebnisse beeinflusst haben könnten.

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Beobachtete Zusammenhänge bitte nicht überinterpretieren
„Je mehr Milchprodukte, desto besser für die Knochen“ – so sollten Sie die Ergebnisse keinesfalls interpretieren. Denn schließlich bleiben Zweifel an der Unbedenklichkeit von Kuhmilch, Käse und Co. Und so, wie laut dieser neuen Studie die verschiedenen Milchprodukte nicht gleich (positiv auf die Knochen) wirken, kamen frühere Untersuchungen zu anderslautenden Ergebnissen bezüglich der einzelnen Vertreter dieser Lebensmittelkategorie.4
FITBOOK sprach in diesem Beitrag mit dem Ernährungswissenschaftler Prof. Nicolai Worm, der hinsichtlich der oftmals geäußerten Kritik gegenüber Milchprodukten zusammenfassend versichert, dass in Studien beobachtete positive Effekte auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit sowie auch das Gewicht dagegen sprechen, Milchprodukte pauschal als schädlich zu verurteilen. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass man es mit dem Konsum übertreiben sollte. Auch bei günstigen Lebensmitteln und Gewohnheiten macht die Menge das Gift.