
9. Mai 2025, 20:05 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Möglichst bunt essen bei Obst und Gemüse ist ein gängiger Ernährungstipp. Und das zu Recht: Je nach Farbe stecken unterschiedliche gesundheitsfördernde sekundäre Pflanzenstoffe in den Lebensmitteln. Eine groß angelegte Studie hat sich hierbei genauer den Einfluss der Flavonoide auf den Alterungsprozess angeschaut – mit bemerkenswerten Ergebnissen!
Können flavonoidreiche Lebensmittel wie Tee, Äpfel, Beeren und Rotwein altersbedingten Einschränkungen entgegenwirken? In einer internationalen Studie wurden über Jahrzehnte hinweg Daten von fast 90.000 älteren Männern und Frauen aus zwei der größten US-amerikanischen Gesundheitsstudien ausgewertet.1 Die Ergebnisse liefern neue Hinweise darauf, dass Ernährung eine zentrale Rolle bei gesundem Altern spielt – und schon kleine Änderungen im Essverhalten messbare Effekte haben könnten.
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Übersicht
Alt werden – aber gesund!
„Das Ziel der medizinischen Forschung besteht nicht nur darin, den Menschen zu einem längeren Leben zu verhelfen, sondern auch sicherzustellen, dass sie so lange wie möglich gesund bleiben“, erklärt Studienautorin Dr. Nicola Bondonno in einer Pressemitteilung.2 Hintergrund der Studie ist deshalb die zunehmende Relevanz gesunder Ernährung im Alter. Während Flavonoide – sekundäre Pflanzenstoffe mit entzündungshemmenden und antioxidativen Eigenschaften – bereits in Zusammenhang mit einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmten Krebsarten gebracht wurden, war bislang unklar, wie sich der regelmäßige Konsum flavonoidreicher Lebensmittel auf verschiedene Aspekte des Alterns auswirkt.
In der Studie untersuchte das Team rund um Bondonno, ob eine höhere Aufnahme flavonoidreicher Lebensmittel das Risiko für negative gesundheitliche Alterungserscheinungen verringert. Dazu zählten Gebrechlichkeit, eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit und schlechte psychische Gesundheit. Insbesondere langfristige Änderungen durch den Konsum solcher Nahrungsmittel auf Alterserscheinungen standen im Fokus der Forschung.
Welche Lebensmittel enthalten viele Flavonoide?
Sekundäre Pflanzenstoffe stecken – wie der Name verrät – in pflanzlichen Lebensmitteln. Als Pflanzenfarbstoffe ist die Gruppe der Flavonoide verantwortlich für die rote, blaue, hellgelbe und violette Farbe vieler Gemüse- und Obstarten, stecken jedoch auch z. B. in Soja, dunkler Schokolade und Tee.
Beispiele für flavonoidreiche Lebensmittel:
- Blaubeeren
- Äpfel
- Grapefruit
- Trauben
- Orangen
- Zwiebeln
- Sellerie
- Karotten
- Grünkohl
- Paprika
- Rotwein
- Kaffee
Fast 90.000 Probanden nahmen teil
Die neue Studie wurde von Wissenschaftlern rund um Nicola Bondonno und Aedín Cassidy (Queen’s University Belfast und Edith Cowan University) in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Harvard T.H. Chan School of Public Health durchgeführt. Die Daten für die Untersuchung lieferten zwei große prospektive Kohortenstudien. Zum einen die Nurses’ Health Study, die von 1990 bis 2014 mit 62.743 Frauen durchgeführt wurde und die Health Professionals Follow-up Study, welche von 2006 bis 2018 23.687 Männer ab 60 Jahren untersuchte.
Die Teilnehmer füllten alle vier Jahre Fragebögen zur Verzehrshäufigkeit von Lebensmitteln aus, sogenannte FFQs (Food Frequency Questionnaires), welche ein gängiges Tool in der Ernährungswissenschaft sind. Auf Basis der FFQs berechneten die Studienautoren den „Flavodiet Score“ – ein Maß für die Zufuhr flavonoidreicher Nahrungsmittel. Zusätzlich wurden Gesamtflavonoid-Aufnahmen sowie verschiedene Unterklassen (z. B. Flavanole, Anthocyane) erfasst. Die gesundheitlichen Alterungserscheinungen – Gebrechlichkeit, Einschränkungen in der körperlichen Funktion und psychische Probleme – wurden anhand von Selbstberichten erfasst. Zur statistischen Auswertung nutzten die Forscher die Cox-Regression und passten die Analysen für zahlreiche potenzielle Störfaktoren wie Alter, Rauchverhalten, körperliche Aktivität und Energiezufuhr an.
Besonders Frauen profitieren von Flavonoiden
In der Pressemitteilung resümiert Bondonno: „Unsere Forschung zeigt, dass Menschen, die mehr Flavonoide zu sich nehmen, tendenziell besser altern.“ Doch was bedeutet das im Detail?
In der Nurses’ Health Study zeigte sich ein klarer Zusammenhang zwischen flavonoidreicher Ernährung und gesünderem Altern. Frauen mit dem höchsten Flavodiet Score hatten im Vergleich zur niedrigsten Gruppe geringere Risiken für diverse Alterungserscheinungen:
- 15 Prozent geringeres Risiko für Gebrechlichkeit
- 12 Prozent geringeres Risiko für körperliche Beeinträchtigung
- 12 Prozent geringeres Risiko für schlechte psychische Gesundheit
Besonders stark waren die positiven Effekte bei höherem Konsum oder gesteigerter Aufnahme von Tee, Rotwein, Äpfeln, Blaubeeren und Orangen. Auch eine erhöhte Gesamtzufuhr an Flavonoiden sowie der untersuchten Flavonoid-Unterklassen stand mit einem geringeren Risiko für alle untersuchten Alterungserscheinungen in Zusammenhang.
Und was ist mit den Männern?
In der männlichen Vergleichsgruppe (Health Professionals Follow-up Study) hingegen waren die Zusammenhänge insgesamt schwächer ausgeprägt. Dort zeigte sich der deutlichste Effekt beim Schutz vor schlechter psychischer Gesundheit bei Männern mit den höchsten Flavodiet Scores. Die Studienautoren weisen allerdings darauf hin, dass die stärkeren Zusammenhänge bei Frauen auch auf Unterschiede in der Nachbeobachtungszeit zwischen den beiden Kohorten zurückzuführen sein könnten – nicht unbedingt auf geschlechtsspezifische Effekte, die in der bisherigen Forschung noch wenig erforscht sind.
Bereits drei Extraportionen Beeren lohnen sich für beide Geschlechter
Wer beim Lesen festgestellt hat, dass der eigene Ernährungsplan aktuell wenig flavonoidreiche Lebensmittel enthält, kann seiner Gesundheit etwas Gutes tun, indem er die Portionsanzahl nach oben schraubt. So erklärt Professor Eric Rimm aus Harvard in der Pressemitteilung: „Wir haben festgestellt, dass Teilnehmer, die ihre Aufnahme flavonoidreicher Lebensmittel um drei Portionen pro Tag erhöhten, bei allen drei Alterungsfolgen ein um sechs bis elf Prozent geringeres Risiko und bei Männern ein um 15 Prozent geringeres Risiko für eine schlechte psychische Gesundheit hatten.“
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Bedeutung der Ergebnisse
Diese Ergebnisse stützen die Annahme, dass flavonoidreiche Lebensmittel ein effektiver und leicht umsetzbarer Bestandteil einer Ernährung sein könnten, die gesundes Altern fördert. Besonders erfreulich für Flavonoid-Neulinge: Die beobachteten Effekte traten nicht nur bei dauerhaft hohem Konsum auf, sondern auch bei Steigerungen über die Zeit hinweg – was nahelegt, dass es sich auch im Alter noch lohnt, die Ernährung anzupassen. Während Frauen in der Studie stärker profitierten, zeigten auch Männer gewisse Vorteile, insbesondere in Bezug auf die psychische Gesundheit. Praktisch bedeutet das: Wer regelmäßig Lebensmittel wie Beeren, Äpfel, Orangen oder Tee in seinen Speiseplan integriert, könnte sein Risiko für altersbedingte Einschränkungen deutlich reduzieren. Diese Erkenntnisse könnten nicht nur für Gesundheitsbewusste, sondern auch für Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte von großer Bedeutung sein – etwa bei der Beratung älterer Menschen zur Prävention von Gebrechlichkeit und Isolation.

Auch Rotwein ist bekannt für Flavonoide – ich rate trotzdem davon ab
„Dem Glas Rotwein am Abend eilt sein guter Ruf für die Gesundheit voraus – und das, obwohl die enthaltenen Flavonoide auch in reichlich nicht alkoholischen Lebensmitteln stecken. Auch in dieser Studie spielte der Rotweinkonsum eine Rolle bei der Flavonoidzufuhr. Ich rate trotzdem davon ab, mit Rotwein auf die Gesundheit anzustoßen. Denn Alkohol ist und bleibt schädlich – und zwar in jeder Menge! Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat Ihre Empfehlungen zum Alkoholkonsum kürzlich verschärft. Gab es vorher sogenannte tolerierbare Höchstmengen für Männer und Frauen, sind nun Null Gramm Alkohol in der Woche die einzige risikofreie Variante. Sicher, anstatt des Apfels mal ein Glas Rotwein für die Flavonoide zu genießen, klingt verlockend. Aber ich habe womöglich einen netten Alternativvorschlag: auch dunkle Schokolade ist reich an sekundären Pflanzenstoffen.“
Einordnung der Studie und mögliche Einschränkungen
Die Studie profitiert von der hohen Qualität und langen Laufzeit der zugrunde liegenden Kohortenstudien sowie der großen Teilnehmerzahl. Sie liefert robuste Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen flavonoidreicher Ernährung und gesünderem Altern, insbesondere bei älteren Frauen. Dennoch sind gewisse Einschränkungen zu beachten: Die Ergebnisse basieren auf Selbstangaben zu Ernährung und Gesundheitszustand, was zu Verzerrungen führen kann. Zudem handelt es sich um Beobachtungsdaten – ein kausaler Zusammenhang lässt sich daraus nicht sicher ableiten. Auch die Unterschiede zwischen Männern und Frauen bleiben bislang unklar und bedürfen weiterer Forschung. Da die Daten aus US-amerikanischen Kohorten stammen, ist zudem unklar, inwieweit die Ergebnisse auf andere Bevölkerungsgruppen übertragbar sind. Die Autoren selbst betonen die Notwendigkeit weiterer Studien – insbesondere solcher, die gezielt auf geschlechtsspezifische Effekte eingehen.

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Fazit
Eric Rimm fasst die Ergebnisse zusammen: „Insgesamt unterstreichen diese Ergebnisse das Potenzial einfacher Ernährungsumstellungen, die allgemeine Lebensqualität zu beeinflussen und zur Optimierung eines gesunden Alterns beizutragen.“ So können flavonoidreiche Lebensmittel wie Äpfel, Beeren, Orangen und Tee insbesondere Frauen verhelfen, im Alter fit zu bleiben. Die Studie zeigt, dass sowohl dauerhaft hohe als auch im Zeitverlauf gesteigerte Aufnahmen dieser Nahrungsmittel mit einem geringeren Risiko für Gebrechlichkeit, körperliche Beeinträchtigungen und psychische Beschwerden im Alter verbunden sind. Trotz gewisser Einschränkungen liefern die Ergebnisse eine starke Argumentationsgrundlage für eine pflanzenreiche, flavonoidbetonte Ernährung im Alter.