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Amy Schumer ist betroffen

Trichotillomanie – der Zwang, sich die Haare auszureißen 

Trichotillomanie: Amy Schumer
Comedian und Schauspielerin Amy Schumer spricht offen über ihre Zwangsstörung Foto: Getty Images

01.04.2022, 13:08 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Eigentlich ist Amy Schumer immer für einen Lacher gut. Doch jetzt sprach die 40-Jährige öffentlich über ein ernsthaftes Thema: Trichotillomanie. An dieser Zwangsstörung leidet die Komikerin schon seit ihrer Kindheit – und möchte es nun nicht mehr verstecken.

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Gerade erst feierte Amy Schumer die Premiere ihrer neuen Serie „Life & Beth“. In ihr spielt sie eine Frau, die Trichotillomanie hat. Das nahm die 40-Jährige dann auch zum Anlass, zu offenbaren, dass sie selbst unter der Zwangsstörung leidet. Doch was genau steckt eigentlich hinter Trichotillomanie? Wir erklären die Erkrankung, mögliche Ursachen und Behandlungen.

Amy Schumer erklärt ihr Leiden

Wer Trichotillomanie hat, empfindet den Zwang, sich Haare auszureißen. Das geht bei Schumers Serienfigur Beth so weit, dass sie kahle Stellen am Kopf hat und deshalb eine Perücke trägt. Eine Erfahrung, die die Schauspielerin in ihrer Jugend selbst gemacht hat. Auslöser waren womöglich harte Zeiten in ihrer Familie. „Und es nicht so, dass ich das Problem hatte und es jetzt weg ist“, erklärt Schumer im Interview mit „The Hollywood Reporter“. „Ich kämpfe immer noch damit.“ Obwohl Amy Schumer bereits viele Jahre im Rampenlicht steht, konnte sie ihre Zwangsstörung bisher geheim halten.

Doch genau das möchte sie nun nicht mehr. „Ich glaube, jeder hat ein Geheimnis und ich bin stolz, dass mein großes Geheimnis nur mir selbst weh tut. Aber ich trage das schon so lange mit mir herum und habe mich so lange geschämt. Jetzt möchte ich es nicht mehr verstecken. Ich hoffe, dadurch, dass ich es mit der Welt teile, etwas von meiner Scham zu verlieren und vielleicht anderen, denen es ähnlich geht, dabei zu helfen, sich nicht mehr zu schämen.“

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Was ist Trichotillomanie?

Symptome

Die Trichotillomanie ist eine psychische Erkrankung, die noch viele Rätsel aufgibt. Laut der Universität Göttingen sind etwa 2,5 Prozent der Bevölkerung in Deutschland einmal in ihrem Leben von dem Leiden betroffen.1 Menschen, die diese Zwangsstörung haben, reißen sich die Haare aus. Und zwar nicht nur die Kopfhaare, sondern auch andere Körperhaare. Manche Menschen reißen sich nur bestimmte Arten von Haaren aus (graue, abstehende, besonders dicke). Manche reißen nur einzelne Haare aus, andere ganze Haarbüschel.

In schwereren Fällen machen Betroffene das täglich und zum Teil über Stunden hinweg. Das kann sogar so weit gehen, dass die malträtierten Stellen bluten. Erkrankte scheinen beim Haareausreißen zudem keinen Schmerz zu verspüren und wirken wie geistesabwesend. Auffällig wird die Störung, wenn Erkrankte kahle Stellen am Kopf entwickeln. Betroffene verspüren zudem ein inneres Leiden und Scham. In speziellen Fällen kommt zur Trichotillomanie noch die Trichophagie hinzu. Dann kauen Betroffene auf ihren ausgerissenen Haaren herum und verschlucken sie sogar. Das kann in seltenen Fällen zur Bildung von Haarknäueln im Magen-Darm-Trakt und sogar zum Darmverschluss führen.

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Ursachen

Auslöser für das Verhalten ist häufig innere Anspannung, die durch das Reißen gemindert werden soll. Nach dem Reißen stellt sich ein Gefühl von Erleichterung, Entspannung und Befriedigung ein. Auch depressive Gefühle, Erschöpfung oder Langeweile können Auslöser sein. Dem Zwang können Betroffene nur schwer oder gar nicht widerstehen. Damit zählt die Krankheit zu den Störungen der Impulskontrolle.2 Sie tritt häufig im Kindesalter auf und hält mehrere Monate oder sogar Jahre an. Die Ursache für Trichotillomanie ist nicht genau geklärt und muss individuell bei den Erkrankten ermittelt werden.

Es wird vermutet, dass eine erbliche Veranlagung in Verbindung mit gewissen Auslösern im Gehirn zum Ungleichgewicht von Neurotransmittern führt, wodurch die zwanghafte Handlung ausgelöst wird. Auch traumatische Erlebnisse könnten eine Rolle spielen. Dazu zählen Probleme oder Todesfälle in der Familie, Scheidung, Missbrauch oder andere belastende Erfahrungen. So konnte eine Studie aus dem Jahr 2006 aufzeigen, dass zwei Drittel der an Trichotillomanie Leidenden in ihrer Kindheit mindestens ein traumatisches Erlebnis gehabt hatten. In 50 Prozent der Fälle waren die Probanden an einem Unfall beteiligt, 38,5 Prozent hatten familiäre Gewalt, Verletzungen und Todesfälle erlebt, 25,8 Prozent waren als Kind missbraucht worden.3

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Behandlungsmöglichkeiten

Da es sich bei der Trichotillomanie um eine psychische Störung handelt, wird sie vor allem bei schwerem Verlauf mit einer psychotherapeutischen Behandlung therapiert. Auch Entspannungstechniken kommen zum Einsatz. Im ersten Schritt kann es schon helfen, die Hände, wenn das Druckgefühl kommt, anderweitig zu beschäftigen. Auch unterstützende Bezugspersonen sind enorm wichtig.

Eine niederländische Studie konnte aufzeigen, dass eine Verhaltenstherapie hilft, die Symptome zu lindern. An der Untersuchung nahmen 43 Patienten teil, die in drei Gruppen aufgeteilt wurden. Die erste Gruppe besuchte sechs Verhaltenstherapiesitzungen, die zweite Gruppe erhielt zwölf Wochen lang das Medikament Fluoxetin, einen Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Die dritte Gruppe blieb auf der Warteliste. Die Erkenntnis: Verhaltenstherapie ist am effektivsten. 64 Prozent der ersten Gruppe erlebten einen signifikanten Rückgang der Symptome. Fluoxetin bewirkte dies nur bei neun Prozent der zweiten Gruppe. In der Wartegruppe ging es 20 Prozent besser, vermutlich wegen der positiven Erwartungshaltung.4 Auf Basis dieser Erkenntnisse betonten die Forscher, dass ein Medikament allein nicht reiche, sondern eine psychische Therapie notwendig sei, um die Zwangsstörung erfolgreich zu behandeln.

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Quellen

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